Abmahnung wegen Tragens eines Kopftuches in Kindertagesstätte

Autor: RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz, Dr. Ditz und Partner, Rastatt
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 03/2011
Das Verbot, ein „islamisches Kopftuch” in einer kommunalen Kinderbetreuungseinrichtung zu tragen, ist nicht verfassungswidrig und berechtigt bei Missachtung zu einer Abmahnung.

BAG, Urt v. 12.8.2010 - 2 AZR 593/09

Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg - 7 Sa 84/08

GG Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 u. 2, 6 Abs. 2, 28 Abs. 2, 74 Abs. 1 Nr. 7; EMRK Art. 9; BGB §§ 242, 1004; AGG §§ 1, 3 Abs. 1, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1; SGB VIII § 24; Kindertagesbetreuungsgesetz B-W § 7 Abs. 6 u. 7

Das Problem:

Die Klägerin ist in einer kommunalen Kindertagesstätte als Erzieherin beschäftigt. Sie ist muslimischen Glaubens und trägt regelmäßig – auch während ihrer Tätigkeit – ein Kopftuch. Auf der Grundlage des seit 2006 in Baden-Württemberg bestehenden Kindertagesbetreuungsgesetzes (KiTaG BW) sind religiöse Bekundungen in Kindertagesbetreuungseinrichtungen durch Fachkräfte verboten, § 7 Abs. 6 KiTaG BW. Da die Klägerin trotz entsprechender Hinweise das islamische Kopftuch weiterhin während des Dienstes in der Kindertagesstätte getragen hatte, erhielt sie eine Abmahnung. Mit der Klage verfolgt sie die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte.

Die Entscheidung des Gerichts:

Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. Zwar bestehe grds. ein Entfernungsanspruch, wenn die Abmahnung z.B. auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruhe, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletze oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr bestehe (vgl. BAG, Urt. v. 27.11.2008 – 2 AZR 675/07, ArbRB 2009, 163 [Boudon]). Die bewusste Wahl einer religiös bestimmten Kleidung wie das islamische Kopftuch falle aber unter das Verbot des § 7 Abs. 6 Satz 1 KiTaG BW.

Der Einwand der Klägerin, sie trage das Kopftuch neben Gründen der religiösen Anschauung auch aus modischen oder gesundheitlichen Aspekten, sei unbeachtlich. Das Verhalten der Klägerin sei geeignet, die Neutralität der Kommune gegenüber Kindern und Eltern und damit den religiösen Einrichtungsfrieden zu gefährden. § 7 Abs. 6 Satz 1 KiTaG BW, sei ein abstrakter Gefährdungstatbestand. Religiöse Bekundungen seien daher schon dann verboten, wenn sie nur „geeignet” seien, die genannten Schutzgüter zu gefährden, ohne dass es auf eine mögliche tatsächliche Gefährdung oder Störung ankomme.

Die Vorschrift verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht, da die betroffenen Grundrechtspositionen der widerstreitenden Interessen hinreichend berücksichtigt seien. Die weltanschauliche Neutralität der Kindertagesstätten und deren Einrichtungsfrieden zu sichern, stelle ein gewichtiges Gemeingut dar, hinter dem sowohl die positive Glaubensfreiheit als auch die Berufsausübungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Erzieherin zurückstehen müssten.


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