Ausbildungsunterhalt: Wofür, wie lange und wie viel müssen Eltern zahlen?

09.03.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (7338 mal gelesen)
Ausbildungsunterhalt,Lehre,Studium,Unterhaltspflicht Eine Ausbildung ist oft teuer. Was müssen Eltern zahlen? © Bu - Anwalt-Suchservice

Natürlich möchten Eltern ihren Kindern eine möglichst gute Ausbildung ermöglichen. Kinder haben aber auch einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Wie viel müssen Eltern bezahlen – und wie lange?

Wenn ein Kind die Schule beendet hat, müssen seine Eltern ihm eine Berufsausbildung finanzieren, die dafür sorgt, dass es irgendwann finanziell auf eigenen Beinen steht. Das heißt: Während seiner Berufsausbildung müssen sie ihm ohne Altersgrenze Unterhalt zahlen. Aber: Alles hat seine Grenzen. Auch das Kind muss seinerseits die Ausbildung zügig vorantreiben, um die Eltern nicht unnötig zu belasten.

Was sagt das Gesetz?


Die gesetzliche Grundlage für den Ausbildungsunterhalt ist § 1610 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nach dieser Vorschrift umfasst der von den Eltern zu leistende Unterhalt den gesamten Lebensbedarf des Kindes. Dies schließt die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf ein.

Wie viel Ausbildung müssen Eltern zahlen?


Nach Beendigung der Schule steht auch bereits volljährigen Kindern zuerst eine Orientierungsphase zu. Erst danach wird von ihnen erwartet, eine Ausbildung anzufangen. Die Gerichte setzen dafür etwa ein halbes Jahr an - allerdings ist dies keine feste Frist. Die Dauer der Orientierungsphase richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles.

Wenn das Kind erst ein Berufspraktikum oder ein freiwilliges soziales Jahr ableisten will, steht dies dem Unterhaltsanspruch nicht entgegen (Oberlandesgericht Celle, Az. 10 WF 300/11).

Der Begriff „Ausbildung“ ist hier übrigens nicht wörtlich zu verstehen. Darunter fällt nämlich auch ein Studium. Zwar müssen Eltern ihren Kindern kein Dauerstudium finanzieren. Die Kinder dürfen sich jedoch grundsätzlich zumindest ein Mal umorientieren, also etwa das Studienfach wechseln.
Ansonsten ist davon auszugehen, dass Eltern während der Regelstudienzeit Ausbildungsunterhalt zu zahlen haben. Studenten müssen gegebenenfalls auch Nachweise wie Scheine und Prüfungsergebnisse vorweisen. Hier gilt das Gegenseitigkeitsprinzip aus § 1618a BGB. Diese Regelung verpflichtet Eltern und Kinder zu gegenseitigem Beistand und Rücksicht. Der Unterhaltsberechtigte, hier das Kind, hat die Obliegenheit, seine Ausbildung fleißig, planmäßig und zielgerichtet zu betreiben. Sonst entfällt der Unterhaltsanspruch.

Urteile: Was gilt bei Abbruch des Studiums?


Die Orientierungsphase steht auch Studenten zu. Wenn ein Student sein Studium nach zwei Semestern abbricht und er erst zehn Monate später in eine Banklehre einsteigen kann, müssen seine Eltern weiter Ausbildungsunterhalt zahlen (OLG Naumburg, Beschluss vom 12.1.2010, Az. 8 WF 274/09).

In einem anderen Fall hatte eine junge Frau ihren Vater auf Ausbildungsunterhalt verklagt. Die Ehe ihrer Eltern war vor Jahren geschieden worden. Die Tochter hatte 2008 Abitur gemacht und in den Niederlanden ein Studium im Fach Touristik und Freizeitmanagement aufgenommen. Dieses hatte sie 2010 abgebrochen. Danach folgten ein Praktikum, ein journalistisches Volontariat und ein Aufenthalt in Australien zur Verbesserung ihrer Englischkenntnisse. Im Oktober 2011 begann ein Journalismus-Studium in Deutschland. Ihr Vater wollte dieses neue Studium nicht bezahlen.

Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte ihn jedoch zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt. Zwar habe ein Kind, welches nach dem Schulabschluss zunächst keine Ausbildung anfange, auch keinen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Wenn es jedoch einige Zeit später mit seiner Erstausbildung beginne, hätten die Eltern dafür aufzukommen. Eine Orientierungsphase stünde jedem Kind zu (Urteil vom 5.2.2013, Az. 7 UF 166/12).

Abitur – Lehre – Studium?


2017 hat sich der Bundesgerichtshof mit der Abfolge Abitur – Lehre – Studium befasst. Es ging dabei um eine junge Frau, die nach dem Abitur zunächst erfolgreich eine Banklehre gemacht hatte. Dann begann sie ein Studium der Wirtschaftspädagogik mit dem Schwerpunktfach katholische Theologie, um Berufsschullehrerin zu werden.

Hier stellte der BGH einige Grundsätze auf:

- Eltern schulden ihrem Kind grundsätzlich eine Ausbildung (nicht mehrere), die seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht und die finanziellen Möglichkeiten der Eltern nicht übersteigt.

- Wenn das Kind nach dem Abi eine Lehre beginnt und dann ein Studium, ist dies als einheitliche Ausbildung anzusehen. Es muss jedoch ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten bestehen. Gleichgültig ist, wann das Kind den Entschluss fasst, zu studieren. Die einzelnen Abschnitte müssen aber sinnvoll zusammen passen und aufeinander aufbauen.

- Eine Ausnahme stellt der Fall dar, dass nach einem Realschulabschluss erst die Lehre, dann das nachgeholte Abi und dann das Studium folgen. In diesem Fall muss schon vor Beginn der Lehre der Entschluss für ein Studium gefallen sein. Sonst handelt es sich nicht um eine einheitliche Ausbildung und das Studium muss nicht mehr finanziert werden.

- Haben die Eltern dem Kind eine unpassende, nicht seinen Wünschen oder Begabungen entsprechende Ausbildung aufgezwungen, können sie sich nicht darauf berufen, dass das Kind sich nicht rechtzeitig entschieden oder sich umorientiert hat. Dann ist auch die zweite Ausbildung zu bezahlen.

- Ein Ausbildungswechsel kann dem Kind zuzugestehen sein, wenn es dafür gute sachliche Gründe hat und dem Unterhaltspflichtigen das weitere Zahlen von Unterhalt wirtschaftlich zumutbar ist.

Im entsprechenden Fall hielt der BGH einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ausbildungsschritten für möglich: Das Fach katholische Religion mache im Lehramtsstudium auch als Schwerpunkt nur ein Drittel des Unterrichts aus. Der Rest entfalle überwiegend auf Fächer mit wirtschaftswissenschaftlichem Inhalt, für die die Banklehre eine gute Grundlage bilde. Der BGH überließ jedoch die Entscheidung der Vorinstanz und verwies das Verfahren zurück (Beschluss vom 8. März 2017, Az. XII ZB 192/16).

Was gilt bei Bachelor und Master?


Wenn das Kind nach dem Abschluss Bachelor ein dazu passendes Masterstudium beginnt, handelt es sich ebenfalls um eine einheitliche Ausbildung, für die Ausbildungsunterhalt zu zahlen ist (Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 2.2.2010, Az. 15 WF 17/10).

Wie hoch ist der Ausbildungsunterhalt?


Ist das Kind noch minderjährig und lebt bei einem Elternteil, hat der andere Unterhalt zu zahlen. Der Unterhaltsbedarf wird nach der Düsseldorfer Tabelle berechnet. Dabei verringert sich der zu zahlende Unterhalt um 50 Prozent des Kindergeldes.
Wenn das Kind selbst Geld verdient (etwa die Ausbildungsvergütung), wird dieses auf den Unterhalt angerechnet. Vor der Anrechnung kürzt man jedoch die Ausbildungsvergütung um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 100 Euro im Monat.

Die Ausbildungsvergütung verringert den Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes gegen den unterhaltspflichtigen Elternteil mit Anfang des Monats, in dem sie erstmals bezahlt wird (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 23.1.2013, Az. II-3 UF 245/12).

Ist das Kind schon volljährig und lebt bei einem Elternteil, haben grundsätzlich beide Elternteile Barunterhalt im Verhältnis ihrer Einkommen zu leisten. Das Kindergeld wird voll angerechnet.

Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf eines Studenten, der nicht mehr bei seinen Eltern wohnt, beträgt laut Düsseldorfer Tabelle 2022 monatlich 860 Euro.
Darin sind bis 375 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger
Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Von dem Betrag kann jedoch bei erhöhtem Bedarf oder mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern nach oben abgewichen werden.

Wird BAföG angerechnet?


Ein Kind kann von seinen Eltern keinen Unterhalt verlangen, soweit es seinen Unterhaltsbedarf durch BAföG-Leistungen decken kann. Dies gilt auch, wenn diese zum Teil als Darlehen gewährt werden. Das Argument „ich möchte mich ungern verschulden“ zählt nicht. Dem Kind ist es zumutbar, einen Antrag zu stellen (OLG Hamm, Beschluss vom 27.9.2013, Az. 2 WF 161/13).

Unter Umständen kann das Kind sogar dazu verpflichtet sein, gegen einen ablehnenden BAföG-Bescheid Rechtsmittel einzulegen. Dies gilt speziell dann, wenn es Anzeichen für einen fehlerhaften Bescheid gibt. Dies entschied das Oberlandesgericht Brandenburg. In diesem Fall hatte der Vater eingewandt, dass das BAföG-Amt einen veralteten Einkommenssteuerbescheid von ihm benutzt hatte. Sein Verdienst sei inzwischen deutlich gesunken (Beschluss vom 3.5.2018, Az. 10 UF 101/17).

Praxistipp


Nicht selten geraten Eltern und Kinder in Streit um das Thema Ausbildungsunterhalt. Natürlich ist eine gütliche Lösung immer Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Familie vorzuziehen. Wenn es trotzdem rechtlichen Klärungsbedarf gibt, kann ein Fachanwalt für Familienrecht Beratung zum Thema leisten und Betroffene auch vor Gericht vertreten.

(Bu)


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 Stephan Buch
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