Welchen Lohn erhalte ich für Mehrarbeit und Überstunden?

29.01.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Arbeitnehmer,müde,Bürotisch Arbeitnehmer: Was gilt hinsichtlich Mehrarbeit und Überstunden? © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Überstunden / Mehrarbeit: Arbeitet ein Arbeitnehmer länger, als sein Arbeitsvertrag dies vorsieht, so spricht man von Überstunden. Mehrarbeit liegt dagegen vor, wenn die gesetzliche erlaubte Arbeitszeit überschritten wird.

2. Vergütungsanspruch: Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf die Vergütung von Überstunden. Eine Entlohnung gibt es nur, wenn im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag Entsprechendes vereinbart wurde.

3. Beiweislast: Kommt es zum Streit über geleistete Überstunden, muss der Arbeitnehmer beweisen, dass er über seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat.
Überstunden und Mehrarbeit sind ein häufig aufgerufenes Thema zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wurden im Jahr 2022 in Deutschland ca. 1,3 Milliarden Überstunden angehäuft - davon die Hälfte unbezahlt. Stellt sich die Frage, wann Arbeitnehmer eigentlich einen Anspruch auf Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit haben.

Was bedeutet der Begriff Überstunden?


Von Überstunden ist die Rede, wenn ein Arbeitnehmer länger arbeitet, als sein individueller Arbeitsvertrag dies vorsieht. Der Arbeitgeber kann dies nur verlangen, wenn es eine vertragliche Grundlage im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung gibt. Ohne Vereinbarung kann der Arbeitgeber Überstunden nur bei existenziellen Notfällen (etwa, wenn Hochwasser droht, den Betrieb zu überschwemmen) anordnen. Natürlich zählt ein Großauftrag nicht als Notfall. Manche Tarifverträge erlauben jedoch häufige Überstunden.

Was bedeutet der Begriff Mehrarbeit?


Mit Mehrarbeit sind Arbeitsstunden gemeint, die über die gesetzlich erlaubte Arbeitszeit hinausgehen. Diese beträgt laut Arbeitszeitgesetz acht Stunden, höchstens zehn pro Werktag. Diese Verlängerung ist nur zulässig, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden Arbeitszeit pro Werktag nicht überschritten werden. Wenn ein Arbeitnehmer über diese Arbeitszeitgrenze hinaus beschäftigt wird, ist es Mehrarbeit.

Von wem können Arbeitgeber Mehrarbeit erwarten?


Nach § 18 Arbeitszeitgesetz unterliegen leitende Angestellte nicht dessen Vorschriften. Daher kann von ihnen immer Mehrarbeit erwartet werden. Für Jugendliche unter 18 Jahren gibt es aufgrund des Jugendschutzes besondere Arbeitszeitregelungen im Jugendarbeitsschutzgesetz. Zwar ist bei ihnen Mehrarbeit grundsätzlich möglich, es gibt jedoch strenge Einschränkungen. Schwangere und stillende Mütter dürfen nicht zur Mehrarbeit herangezogen werden. Hingegen ist sie bei Auszubildenden grundsätzlich zulässig, muss aber bezahlt oder durch Freizeit ausgeglichen werden. Betriebsratsmitglieder haben grundsätzlich Mehrarbeit zu leisten. Auch für sie gibt es jedoch Sonderregeln.

Mehrarbeit oder Überstunden: Wo kommt der Unterschied zum Tragen?


Überstunden und Mehrarbeit können sich überschneiden. Es ist jedoch möglich, dass ein Arbeitnehmer Überstunden macht, ohne Mehrarbeit zu leisten – wenn er nämlich mehr als die vertraglich vereinbarten Stunden arbeitet, aber unter der gesetzlich zulässigen Stundenzahl bleibt. Bei Teilzeitbeschäftigten ist dies nicht ungewöhnlich.

Gibt es für Mehrarbeit und Überstunden automatisch eine Vergütung?


Es gab früher einen gesetzlich festgelegten Mehrarbeitszuschlag. Dieser wurde abgeschafft. Der Gesetzgeber sieht nicht einmal für Überstunden eine konkrete Vergütung vor. Es gibt also für Überstunden nicht automatisch einen Überstundenzuschlag. Dieser kann jedoch im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag vereinbart werden. Auf den Überstundenzuschlag sind dann auch Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer zu zahlen. Auch ein Freizeitausgleich kann für die geleisteten Überstunden vereinbart werden.

Vergütung aller Überstunden laut Vertrag


Die Gerichte haben sich mit unterschiedlichen Vertragsklauseln befasst. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Beispiel vereinbart haben, dass alle geleisteten Überstunden vergütet werden, muss sich der Arbeitgeber daran halten. Er kann auch im Fall der Kündigung den Arbeitnehmer nicht einfach einseitig von der Arbeit freistellen, um die Arbeitszeit statt mit Geld mit Freizeit abzugelten. So entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18.9.2001, Az. 9 AZR 307/00).

Was gilt für unbezahlte Überstunden?


Bestand kein anderslautender Tarifvertrag, konnte ein Arbeitgeber bis vor einigen Jahren seine Arbeitnehmer unbezahlte Überstunden durchführen lassen. Im Arbeitsvertrag konnte eine Klausel stehen, die lautete: "erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten". Diese Klausel hat das Bundesarbeitsgericht jedoch 2010 für unzulässig erklärt. Ihr Inhalt sei unklar und es ginge nicht daraus hervor, wie viele Überstunden der Arbeitnehmer ohne zusätzliche Vergütung leisten müsse (Az. 5 AZR 517/09). Somit ist also eine "open-end"-Regelung mit beliebig mehr Arbeit für das gleiche Geld unwirksam. Ausnahmen kann es für Arbeitnehmer geben, die hohe Gehälter beziehen oder in leitender Position arbeiten.

Was passiert bei unwirksamen Vertragsklauseln?


Wie oben schon erläutert, gibt es keinen grundsätzlichen Anspruch auf Überstundenvergütung ohne eine entsprechende vertragliche Regelung. Wenn eine arbeitsvertragliche Klausel zur Überstundenvergütung unwirksam ist, prüfen die Gerichte genau, ob eine Bezahlung "nach den Umständen" erwartet werden kann. Bestehen in der Branche Tarifverträge, nach denen die Überstunden vergütet werden, bestehen dafür gute Chancen.

Was unterscheidet leitende Angestellte und normale Arbeitnehmer?


Erhält ein leitender Angestellter von Anfang an mehr Geld, weil von ihm besonderer Einsatz erwartet wird, hat er wenig Aussichten auf eine zusätzliche Vergütung von Überstunden. In der Regel wird davon ausgegangen, dass das Arbeitszeitgesetz auf leitende Angestellte nicht anwendbar ist. Von den leitenden Angestellten unterscheidet man wieder Besserverdienende. Damit sind alle Arbeitnehmer gemeint, deren Verdienst über die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung hinaus geht. Für sie gilt zwar das Arbeitszeitgesetz. Aber auch sie können nach der Rechtsprechung meist kein zusätzliches Geld für zusätzliche Arbeitsstunden erwarten.

Wenn jedoch eine Vertragsklausel bei einem Arbeitnehmer unwirksam ist, dessen Verdienst unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt, kann er seine übliche Vergütung häufig auch für zusätzliche Arbeitsstunden einklagen.

Sind bis zu zehn Überstunden zulässig?


Ein interessantes Urteil hat das Landesarbeitsgericht Hamm gefällt. Ein Arbeitsvertrag hatte geregelt, dass der Arbeitgeber nur die ersten zehn Überstunden im Monat finanziell abgelten sollte. Der Arbeitnehmer klagte dagegen und forderte auch für weitere Überstunden eine Vergütung. Das Gericht sah die Klausel jedoch als wirksam an. Sie benachteilige den Mitarbeiter nicht unangemessen und sei klar und verständlich. Solche Regelungen seien durchaus üblich (Urteil vom 22.5.2012, Az. 19 Sa 1720/11).

Wie sind Überstunden zu beweisen?


Wenn ein Arbeitnehmer eine Vergütung für Überstunden einklagen will, muss er beweisen können, dass er über seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus Stunden abgeleistet hat. Dazu muss er vortragen, an welchen Tagen er von wann bis wann gearbeitet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Wenn der Chef dagegen Einwände vorbringen will, muss er nun genau darlegen können, welche Tätigkeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diese Weisungen missachtet hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2012, Az. 5 AZR 347/11).

Beispiel: Eine Altenpflegerin hatte von ihrem Arbeitgeber die Bezahlung von 150 Überstunden gefordert. Dieser weigerte sich, weil er von den Überstunden nichts gewusst habe. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern betrachtete jedoch die von der Mitarbeiterin vorgelegten Wochenarbeits- und Tourenpläne (die auch dem Arbeitgeber zur Verfügung gestanden hatten) als ausreichend. Aus den Plänen sei die geleistete Arbeitsstundenzahl abzulesen gewesen. Der Chef habe die Überstunden geduldet und müsse diese bezahlen (Az. 2 Sa 180/13).

Keine Vergütung ohne Beweis!


Anders ging es einem angestellten Rechtsanwalt. Dieser hatte jahrelang ohne schriftlichen Arbeitsvertrag in einer Kanzlei gearbeitet. Bei Ende des Arbeitsverhältnisses nannte sein Arbeitszeugnis die Wochenstundenzahl von 30,5 Stunden. Daraufhin verklagte er seinen Arbeitgeber auf eine Vergütung von zusätzlich geleisteten Stunden.

In der Kanzlei gab es kein Zeiterfassungssystem. Der Anwalt hatte jederzeit Zugang zu den Kanzleiräumen gehabt und viele Auswärtstermine wahrgenommen. Das Gericht glaubte hier dem Arbeitgeber, dass er keine Kenntnis von den Überstunden gehabt habe. Das Gericht erklärte, dass der Arbeitnehmer die geleisteten Überstunden hätte beweisen müssen. Auch hätte er seinem Chef irgendwann während der jahrelangen Tätigkeit Gelegenheit geben müssen, ein mögliches Missverständnis über die Arbeitszeiten richtigzustellen. Hier musste der Chef daher nicht bezahlen (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.10.2013, Az. 5 Sa 257/13).

Berechtigen unbezahlte Überstunden zur Arbeitsverweigerung?


Das Sozialgericht Stuttgart fällte ein weiteres interessantes Urteil. Ein Arbeitnehmer war nicht zu Arbeit erschienen, weil der Arbeitgeber ihm Überstunden nicht bezahlt hatte. Ihm wurde wegen Arbeitsverweigerung gekündigt. Die Bundesagentur für Arbeit ordnete auch noch eine Sperrzeit für die Bezahlung von Arbeitslosengeld an, da er seine Kündigung selbst verschuldet habe. Vor der Kündigung hatte es vier Abmahnungen gegeben. Der Mann verklagte die Arbeitsagentur.

Das Gericht bestätigte, dass er seine Kündigung selbst verschuldet habe. Wolle er ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung geltend machen, müsse er dies dem Arbeitgeber klipp und klar mitteilen und die vom Arbeitgeber begangene Verletzung des Arbeitsvertrages genau darstellen. Es reiche nicht aus, nur pauschal mitzuteilen, dass Überstunden nicht bezahlt worden seien (Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 16.5.2012, Az. S 3 AL 892709).

Praxistipp zu Mehrarbeit und Überstunden


Klare Regelungen im Arbeitsvertrag sind hilfreich, um späteren Streit zu vermeiden. Falls es doch einmal zur Auseinandersetzung über das Thema Überstunden mit dem Arbeitgeber kommt, kann Ihnen ein Fachanwalt für Arbeitsrecht wertvolle Hilfe leisten.

(Bu)


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 Stephan Buch
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