Schulden: Darf mein Haustier gepfändet oder einbehalten werden?

19.04.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Tierarzt,Hund,Schulden,Behandlung,Pfändung Was passiert, wenn man eine Tierarztrechnung nicht zahlt? © Bu - freepik

Nicht nur Hundebesitzer wissen: Tierarztrechnungen können teuer werden. Und auch andere Schulden häufen sich schnell an. Aber: Darf der Tierarzt den behandelten Hund einbehalten oder der Gerichtsvollzieher ihn pfänden?

Tierarztrechnungen können durchaus gesalzen ausfallen. Gibt es ein Recht des Tierarztes, bei Nichtbezahlen der Rechnung das behandelte Haustier einzubehalten? Und, wenn der Tierarzt ein solches Recht hat, darf womöglich auch der Gerichtsvollzieher ein Haustier pfänden, um ausstehende Schulden zu begleichen?

Tierarztrechnung nicht bezahlt - was gilt?


Tierärzte sind gut ausgebildete Fachleute, deren Arbeit ihren Preis hat. Nach der erfolgreichen Behandlung des geliebten Haustiers kommt für manchen Tierhalter das böse Erwachen in Form einer hohen Rechnung. Da kann es schon mal vorkommen, dass Streit entsteht und sich ein Tierhalter zunächst einmal weigert, diese zu bezahlen. Dann stellt sich für den Tierarzt die Frage, wie er seine Ansprüche sichern kann. Einige Tierärzte sind dabei auf die Idee gekommen, das behandelte Tier bis zur Bezahlung der Rechnung zu behalten. Gibt es dafür eine rechtliche Grundlage?

Was ist ein Zurückbehaltungsrecht?


Nach § 273 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hat ein Vertragspartner, der vom anderen eine fällige Leistung zu bekommen hat und diese nicht kriegt, das Recht, seine Gegenleistung zurückzubehalten. Dies darf er so lange, bis er selbst bekommen hat, was ihm zusteht. Dies gilt auch, wenn er einen Gegenstand herausgeben soll und ihm im Zusammenhang damit Kosten entstanden sind, die der andere tragen muss. Diese Grundregel kann auf viele gegenseitige Verträge angewendet werden.

Offene Rechnung: Darf der Tierarzt das behandelte Tier zurückbehalten?


Allerdings entscheiden die Gerichte zum Zurückbehaltungsrecht für Haustiere nicht einheitlich. Das Landgericht Mainz räumte dem Tierarzt ein Zurückbehaltungsrecht am Tier ein, bis der Tierhalter seine Rechnung bezahlt hat. Dabei ging es um einen altdeutschen Boxerhund, für dessen Operation beim Tierarzt der Halter – ein Züchter – damals 3.600 DM bezahlen sollte.

Das Urteil räumt jedoch ein, dass ein Zurückbehaltungsrecht im Einzelfall ausgeschlossen sein kann, wenn das Tier durch den weiteren Aufenthalt beim Gläubiger besondere Vereinsamungsgefühle oder gar körperliche Probleme bekommt oder es von einer Person getrennt wird, auf die es speziell fixiert ist. In diesem Fall ging das Gericht davon aus, dass bei dem Hund kein besonderer Trennungsschmerz aufgekommen war: Schließlich war sein Halter ja nur der Züchter, der ihn ohnehin verkaufen wollte (Landgericht Mainz, Urteil vom 30.4.2002, Az. 6 S 4/02).

Zurückbehaltenes Tier: Hilft der Pfändungsschutz?


Tatsächlich dürfen Haustiere nach § 811 der Zivilprozessordnung (ZPO) grundsätzlich gar nicht gepfändet werden. Aber: Das Landgericht Mainz erklärte im obigen Urteil, dass Pfandrecht und Zurückbehaltungsrecht nicht verwechselt werden dürften. Der Unterschied: Gepfändet werde, weil der Schuldner kein Geld habe und der Gläubiger sich an dessen sonstigem Eigentum schadlos halten wolle. Ein Tierhalter, der mit einem Zurückbehaltungsrecht konfrontiert werde, sei jedoch meist in der Lage, die Forderung zu begleichen und das Zurückbehaltungsrecht abzuwenden. Anders ausgedrückt: Mit dem Zurückbehaltungsrecht solle nur Druck ausgeübt werden, damit der Tierarztkunde – der eben in der Regel nicht zahlungsunfähig sei – seine Rechnung begleiche. Daher greift also der Pfändungsschutz des § 811 ZPO in Fällen unbezahlter Tierarztrechnungen in der Regel nicht.

Rechnung des Hundehotels nicht bezahlt: Zurückbehaltungsrecht?


Das Landgericht München I beschäftigte sich mit einem Fall, in dem eine Hundepflegerin den Hund einer Kundin erst wieder herausgeben wollte, wenn diese ihr die Kosten für Futter, Tierarzt und Medizin erstattet habe. Hier räumte das Gericht der Hundepflegerin ein Zurückbehaltungsrecht ein. Dieses erlösche jedoch, wenn beim Hund die Gefahr einer Traumatisierung drohe. Diese Gefahr müsse jedoch die Tierhalterin beweisen (Landgericht München I, Urteil vom 17.1.2008, Az. 31 S 13391/07).

Amtsgericht Duisburg: Kein Zurückbehaltungsrecht!


Tierfreundlicher urteilte das Amtsgericht Duisburg. In diesem Fall hatte eine Tierärztin einen Hund nicht an den Halter herausgegeben, weil dieser eine Rechnung noch nicht bezahlt hatte. Der Hundebesitzer sah dies jedoch nicht ein und beantragte eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe seines Tieres. Er bekam Recht.

Das Gericht erklärte, dass ein Hund immer – und nicht nur im Ausnahmefall – auf seinen Halter fixiert sei. Seien beide getrennt, könne sich das Verhalten des Hundes ändern. Es sei nicht absehbar, was dies auf Dauer für das Verhalten und den Charakter des Hundes bedeute. Auf jeden Fall könne man eine solche Veränderung später nur noch schwer korrigieren. Deswegen bedeute eine nicht gezahlte Tierarztrechnung nicht, dass der Tierarzt ein Zurückbehaltungsrecht an dem Hund habe (Amtsgericht Duisburg, Urteil vom 28.7.2009, Az. 77 C 1709/08).

Mops Edda: Pfändung für Schulden bei der Stadt


Für diverse Schlagzeilen selbst in der ausländischen Presse sorgte der Fall des Mopses Edda. Dieser war im Auftrag der Stadt Ahlen vom Gerichtsvollzieher gepfändet worden. Die Halterin hatte bei der Stadt 7.000 Euro Schulden unter anderem wegen nicht bezahlter Hundesteuer und der Ganztagsbetreuung für ihre zwei schulpflichtigen Kinder. Bei einem Besuch des Gerichtsvollziehers wurde in ihrer Wohnung nichts von Wert gefunden - außer dem Hund, der laut Schuldnerin 2.400 Euro gekostet hatte.

Der Hund wurde gepfändet und anschließend vom Gerichtsvollzieher verkauft. War dies rechtens?

Zu einem Prozess kam es hier nicht. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten einer Anwaltskanzlei hielt den Vorgang jedoch für zulässig.

Nach § 811 Abs. 3 ZPO kann ein nicht zu Erwerbszwecken gehaltenes Haustier im Ausnahmefall dann doch gepfändet werden. Dies kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers beschließen, wenn das Tier einen hohen Wert hat und die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldners nicht zu rechtfertigen ist.

Ob eine solche Gerichtsentscheidung hier vorlag, ist nicht bekannt. Die Kanzlei bescheinigte der Stadt zumindest Verfahrensfehler. Aber: Insgesamt sei die Pfändung rechtmäßig gewesen. Die Halterin habe sich besonders hartnäckig geweigert, ihre Schulden zu bezahlen. Stattdessen habe sie den teuren Hund gekauft. Ihre emotionale Bindung an diesen könne nicht groß sein, da sie keine Anstrengungen unternommen habe, um ihn zurückzuerhalten.

Stattdessen verklagte die neue Halterin die Stadt. Der Gerichtsvollzieher hatte den Hund über seinen privaten eBay-Account verkauft und ausdrücklich dessen vom Tierarzt bescheinigte Gesundheit zugesichert. Der Hund war jedoch krank und verursachte erhebliche Tierarztkosten, die die Käuferin erstattet haben wollte.
Vor dem Landgericht Münster war die Klägerin nur teilweise erfolgreich und erhielt Tierarztkosten von etwa 220 Euro zugesprochen (Urteil vom 5.4.2023, Az. 02 O 376/19). Der Imageschaden für die Stadt Ahlen dürfte deutlich schwerer wiegen.

Praxistipp zum gepfändeten Haustier


Das Gesetz stellt an die Pfändung eines Haustiers sehr strenge Anforderungen. Ob hartnäckiges Schuldenmachen ausreicht, ist zweifelhaft. Eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts muss begründen, warum für den Gläubiger ein Härtefall vorliegt, wenn er das Tier nicht pfändet. Sind Sie von einer Pfändung betroffen? Dann sollten Sie sich von einem Rechtsanwalt für Zivilrecht beraten lassen. Denn: Gläubiger dürfen längst nicht alles pfänden, wonach ihnen der Sinn steht.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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