Betriebsbedingte Änderungskündigung als „Entlassung” nach § 17 Abs. 1 KSchG

Autor: RA FAArbR Dr. Ulrich Boudon, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2014
Änderungskündigungen sind „Entlassungen” i.S.v. § 17 KSchG. Das gilt unabhängig davon, wie der betroffene Arbeitnehmer auf das Änderungsangebot reagiert. Eine unter Verstoß gegen die Anzeigepflicht erklärte Änderungskündigung ist unwirksam.

BAG, Urt. v. 20.2.2014 - 2 AZR 346/12

Vorinstanz: LAG München - 4 Sa 970/09

KSchG §§ 1, 2, 17; BGB § 134

Das Problem:

Der Arbeitgeber erklärte betriebsbedingte Kündigungen, darunter auch Änderungskündigungen. Eine Massenentlassungsanzeige erstattete er nicht. Unter Einschluss der Änderungskündigungen war jedoch der Schwellenwert des § 17 KSchG überschritten.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das BAG hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Kündigung hat das BAG schon deshalb als unbegründet angesehen, weil der Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige unterlassen hatte.

Unter „Entlassung” i.S.v. § 17 KSchG ist die Erklärung der Kündigung zu verstehen. Die Änderungskündigung ist nach einer Auffassung auch dann als Entlassung anzusehen, wenn sich der Arbeitnehmer mit der Änderung seiner Arbeitsbedingungen einverstanden erklärt hat. Das BAG schließt sich dieser Ansicht nun ausdrücklich an und begründet dies damit, dass die Änderungskündigung als aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft eine „echte” Kündigung ist, die allen formalen Anforderungen an ihre Wirksamkeit unterliegt. Sie vertrage keinen Schwebezustand. Ob es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme, hänge nach Ausspruch der Kündigung aber nicht mehr vom Zutun des Arbeitgebers, sondern allein vom Verhalten des Arbeitnehmers ab. Habe der Arbeitgeber die Anzeige nicht erstattet, führe dies zur Unwirksamkeit der Kündigungen. Die Regelungen in § 17 KSchG stellten Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB dar.

Das BAG betont weiter die besonderen Anforderungen an die Darlegung eines dauerhaften Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs. Es dürfe nicht nur ein kurzfristiger Einbruch, sondern es müsse eine dauerhafte Auftragseinbuße zu erwarten sein. Die Möglichkeit einer „normalen” üblichen Auftragsschwankung müsse prognostisch ausgeschlossen sein. Dazu reiche ein Verweis des Arbeitgebers auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen regelmäßig nicht aus. Vielmehr müsse anhand einer Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen dargestellt werden, dass ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten sei, indem die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander verglichen würden.

Im entschiedenen Fall reichte dem BAG dazu der Vortrag des Arbeitgebers nicht aus. Er hatte lediglich ein Halbjahr des Vorjahres mit dem ersten Quartal des Folgejahres verglichen. Daraus könne man keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür herleiten, dass es sich um einen dauerhaften Zustand handele und sich der Rückgang konkret auf den Arbeitsanfall im Tätigkeitsbereich des Klägers ausgewirkt habe. Es sei erforderlich, die tatsächlichen Arbeitsabläufe, den für sie benötigten Zeitaufwand und die Beeinflussung durch den Auftragsrückgang dazulegen, sowie Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, die betroffenen verbleibenden Mitarbeiter seien in der Lage, die Aufgaben im Rahmen ihrer regelmäßigen Arbeitszeit zusätzlich zu ihren bisherigen Verpflichtungen zu übernehmen.


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