BGH bestätigt Toleranzbereich bei Schwellengebühr

18.06.2012, Autor: Herr Ulrich Sefrin / Lesedauer ca. 2 Min. (1936 mal gelesen)
Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung zur Anwendung der Toleranzgrenze

Im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen bei einem Verkehrsunfall hat der Kläger auch den Ersatz der ihm außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten in Höhe einer Geschäftsgebühr von 1,5 nach Nr. 2300 VV geltend gemacht. Das Landgericht hatte lediglich eine Geschäftsgebühr i.H.v.1,3 zugesprochen, weil die Tätigkeit des Anwalts wieder umfangreich noch schwierig war. Auch das OLG hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Die hiergegen eingelegte Revision war jedoch erfolgreich. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 08.05.2012 (AGS 2012, 220) seine Rechtsprechung (NJW 2011, 1603) bestätigt und dem Kläger mit folgender Begründung die Gebühr i.H.v.1, 5 zugestanden:

"… Nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren, zu denen die Geschäftsgebühr i. S. d. Nr. 2300 VV zählt, der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers (nach billigem Ermessen). Ist die Gebühr, wie hier, von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG (nur dann) nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dabei steht dem Rechtsanwalt nach überwiegender Meinung auch im Anwendungsbereich des RVG ein Spielraum (sog. Toleranzgrenze) von 20 % zu. Hält sich der Anwalt innerhalb dieser Grenzen und ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit unterdurchschnittlich war, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG unbillig, und daher von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen. Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend um eine unterdurchschnittlich schwierige Angelegenheit handelt, nicht vorliegen, hält sich die Erhöhung der Regelgebühr um 0,2 innerhalb der Toleranzgrenze und ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden….“
Trotz heftiger Kritik und anders lautender Rechtsprechung der Instanzgerichte hat der BGH also an seiner Rechtsprechung festgehalten. Sie wird daher nicht nur in der Regulierungspraxis von Verkehrsunfällen eine Rolle spielen. Dies bedeutet aber nicht, dass bei der Abrechnung ohne nähere Prüfung eine Geschäftsgebühr i.H.v.1,5 angesetzt werden kann, da diese auch dann, wenn grundsätzlich nur eine Geschäftsgebühr i.H.v.1,3 berechtigt ist, innerhalb des Toleranzbereichs liegt. Der Kläger hatte sich vielmehr darauf berufen, dass die Überschreitung der Schwellengebühr gerechtfertigt sei, da die Angelegenheit wegen im Einzelnen dargelegter schwieriger Sach- und Rechtslage überdurchschnittlich gewesen sei. Diese Frage ist vom OLG allerdings verneint worden.

Der BGH führt nunmehr aus, dass auch in diesem Punkt ein Ermessen bestehe, welches verhindern solle, dass die Gerichte im Einzelfall bei relativ geringfügigen Überschreitungen der Regelgebühr ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens des Rechtsanwalts setzen. Dies bedeutet, dass der Anwalt, der eine Geschäftsgebühr i.H.v. 1,5 abrechnen will, stets darlegen muss, dass die Angelegenheit umfangreich oder schwierig war.

Ulrich Sefrin, Rechtsanwalt und Mediator,
Euskirchen und Grevenbroich