BGH: Metall auf Metall I und II

Autor: RA Dr. Andreas Walter, LL.M. Schalast & Partner RAe u. Notare, Lehrbeauftragter a. d. Frankfurt School of Finance & Management, Frankfurt/M.
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2013
Auch die Entnahme und Verwendung kleinster Tonfetzen (Sampling) greift in das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers ein. Ein nach § 24 Abs. 1 UrhG zulässige freie Benutzung der betreffenden Tonpartikel kommt nur dann in Betracht, wenn es einem durchschnittlich ausgestattetem und befähigten Musikproduzenten nicht möglich wäre, zumindest sehr ähnlich klingende Tonpartikel herzustellen.

BGH, Urt. v. 13.12.2012 - I ZR 182/11 „Metall auf Metall II”

BGH, Urt. v. 20.11.2008 - I ZR 112/06 „Metall auf Metall I”

Vorinstanz: OLG Hamburg, Urt. v. 17.8.2011 - 5 U 48/05
Vorinstanz: OLG Hamburg, Urt. v. 17.6.2006 - 5 U 48/05
Vorinstanz: LG Hamburg, Urt. v. 8.10.2004 - 308 O 90/99

UrhG §§ 24 Abs. 1, 85 Abs. 1 Satz 1; GG Art. 5 Abs. 3 Satz 1

Das Problem:

Gegenstand des langjährigen Rechtsstreits war die Entnahme einer rhythmischen Sequenz mit einer Länge von zwei Sekunden aus einer Tonaufnahme und die anschließende Verwendung dieser Sequenz bei der Herstellung einer neuen Tonaufnahme (Sampling). Die Vorinstanzen hatten die beklagten Musikproduzenten u.a. dazu verurteilt, es zu unterlassen, bestimmte Tonaufnahmen zu verwerten, in denen die gesampelten Tonpartikel enthalten sind. Vor dem Hintergrund, dass Sampling nach Meinung des BGH allerdings als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen ist und die Verwendung gesampelter Sequenzen zur Schaffung neuer musikalischer Werke einen erheblichen Verbreitungsgrad gefunden hat, ist problematisch, wie der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) bezogen auf Leistungsschutzrechte an Tonaufnahmen Geltung zu verschaffen ist.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der BGH hob die Berufungsentscheidung zunächst auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Hamburg zurück (Metall auf Metall I). Die gegen die neue Berufungsentscheidung gerichtete Revision wies der BGH zurück (Metall auf Metall II).

Regelfall: Auch kleinste Tonpartikel sind vom ausschließlichen Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers nach § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG umfasst. Ob die entnommenen Tonfetzen eine eigene Schöpfungshöhe aufweisen sei unerheblich. Zur Verwirklichung der grundgesetzlich garantierten Kunstfreiheit und Sicherstellung der Fortentwicklung des Kunstschaffens sei die Regelung des § 24 Abs. 1 UrhG zur freien Benutzung von Werken oder Werkteilen in einem neuen selbständigen Werk analog auch auf die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers anzuwenden.

Anders als bei urheberrechtlichen Werken komme es für die Zulässigkeit der freien Benutzung bei bloßem Bestehen eines Leistungsschutzrechts jedoch nicht darauf an, dass das alte Werk hinter dem neuen Werk verblasse. Eine Entnahme sei vielmehr immer dann unzulässig, wenn es möglich sei, die betroffenen Tonpartikel selbst herzustellen. Damit Sampling nicht im Ergebnis dem untalentierten Musikproduzenten erlaubt und seinem talentierten Kollegen verwehrt wäre, müsse auf die Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten eines durchschnittlich ausgestatteten Musikproduzenten abgestellt werden. Für die im nächsten Schritt erforderliche Beurteilung der Gleichheit der selbst herzustellenden Aufnahme komme es dann nicht darauf an, ob die vom Durchschnittsproduzenten herstellbare Tonaufnahme im naturwissenschaftlichen Sinne tatsächlich gleich wäre. Maßstab für die Gleichheit sei vielmehr das Empfinden eines mit musikalischen Fragen einigermaßen vertrauten und hierfür aufgeschlossenen potentiellen Abnehmers. Im entschiedenen Fall also des potentiellen und verständigen Käufers eines Tonträgers aus dem Genre „Hip-Hop”. Zu diesem Personenkreis hat sich das Berufungsgericht – vom BGH unbeanstandet – selbst hinzugerechnet. Zusammenfassend komme es bei der analogen Anwendung von § 24 Abs. 1 UrhG also darauf an, ob ein durchschnittlicher Musikproduzent eine aus Sicht der von ihm angesprochenen Verkehrskreise eine gleichwertige Aufnahme herstellen könnte. Die bei der Beantwortung dieser Fragen bestehenden Unsicherheiten habe der Musikproduzent, der Tonpartikel übernehmen möchte ohne sich hierfür Rechte einräumen zu lassen, hinzunehmen.


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