Darf der Arbeitgeber Gratifikationen und Boni einfach streichen?

20.04.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Gratifikation,Bonus,Sonderzahlung,betriebliche Übung Können sich Arbeitnehmer auf regelmäßige Sonderzahlungen immer verlassen? © - freepik

Durch Gratifikationen und Bonuszahlungen werden die Arbeitsmoral und die Leistungsbereitschaft verbessert. Sie sind aber eine freiwillige Leistung. Können Arbeitgeber die Zahlungen einfach einstellen?

Zahlungen zusätzlich zum Gehalt wissen Arbeitnehmer sehr zu schätzen. Als Bonus bezeichnet man einen variablen Bestandteil der Arbeitsvergütung, den der Chef zusätzlich zum Festgehalt auszahlt. In der Regel wird dieser einmal im Jahr gezahlt und ist häufig davon abhängig, dass der Beschäftigte bestimmte Erfolge erzielt oder Zielvorgaben einhält. Der Bonus wird auch oft als Prämie bezeichnet.

Welche Boni und Gratifikationen gibt es?


Der Bonus zählt zu den Gratifikationen. Dieser Oberbegriff umfasst Einmalzahlungen, die zusätzlich zum Gehalt geleistet werden. Dazu gehören auch das Weihnachts- und das Urlaubsgeld. Darüber hinaus können Gratifikationen auch aus besonderen Anlässen gezahlt werden, etwa zum Jubiläum des Unternehmens. In einigen Betrieben werden sie auch aufgrund lokaler Gebräuche gezahlt. So kommt es in München vor, dass Unternehmen einen Besuch des Oktoberfestes für ihre Mitarbeiter bezuschussen.

Erfolgen die Zahlungen nur mit Vereinbarung im Arbeitsvertrag?


Die Grundlage für die Zahlung einer Gratifikationen gleich welcher Art kann eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag sein. Möglich ist aber auch eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag. Sogar eine mündliche Vereinbarung ist grundsätzlich verbindlich. Aus Beweisgründen und zur Schaffung klarer Verhältnisse ist jedoch eine schriftliche Vereinbarung unbedingt zu empfehlen.

Was ist eine betriebliche Übung?


Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung kann sich auch aufgrund einer sogenannten betrieblichen Übung ergeben. Dabei handelt es sich um eine Art Gewohnheitsrecht. Von einer betrieblichen Übung spricht man, wenn die Gratifikation in gleicher Höhe mehrere Jahre lang in Folge ohne Vorbehalt gezahlt wurde. Meist gehen die Arbeitsgerichte davon aus, dass drei Jahre für das Entstehen einer solchen betrieblichen Übung ausreichen. Eine Gratifikation, die der Arbeitgeber allein aufgrund einer betrieblichen Übung zahlt, kann nicht einfach einseitig wieder eingestellt werden. Denn auch dadurch entsteht ein Rechtsanspruch (Arbeitsgericht Bonn, Az. 5 Sa 604/10).

Betriebliche Übung per Brief eingeschränkt?


Es kommt auch vor, dass in einem Betrieb seit Jahren ohne Vorbehalt eine Gratifikation gezahlt wurde - zum Beispiel Weihnachtsgeld. Dann bekommen die Arbeitnehmer mit der entsprechenden Gehaltsabrechnung ein Schreiben, in dem die Zahlung unter den Vorbehalt gestellt wird, dass es dem Betrieb gut geht.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einem solchen Fall entschieden, dass der Arbeitgeber die Extrazahlung nicht aufgrund des Briefes zurücknehmen kann, wenn er vorher über drei Jahre lang die Gratifikation ohne brieflichen Vorbehalt gezahlt hat (Urteil vom 7.4.2011, Az. 5 Sa 604/10).

Eine solche Einschränkung per Brief kann allerdings wirksam sein, wenn sie von Anfang an gemacht wird. So lehnte das Arbeitsgericht Köln einen Anspruch der Betriebsrentner eines Unternehmens auf ein Weihnachtsgeld und eine Marzipantorte ab, da der Arbeitgeber diese Vergünstigungen von Anfang an brieflich unter Vorbehalt gestellt und nur für das jeweilige Jahr zugesagt hatte. Auch hatten nie alle Rentner diesen Bonus erhalten (Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 24.11.2016, Az. 11 Ca 3589/16).

Was bedeutet "freiwillig und jederzeit widerruflich"?


Wenn die Zahlung einer bestimmten Gratifikation arbeitsvertraglich geregelt ist, kann der Arbeitgeber sie nicht einfach beliebig widerrufen. Dies gilt auch dann, wenn es dem Unternehmen schlecht geht. Viele Arbeitgeber verbinden die Zusage im Vertrag daher mit einem Vorbehalt, dem zufolge die Zusage von Bonus oder Gratifikation freiwillig ist. Dabei wird gerne die Floskel "freiwillig und jederzeit widerruflich" benutzt. Aber: Ist dies rechtswirksam?

Welche Vertragsklauseln sind unwirksam?


Die Arbeitsgerichte haben entschieden, dass diverse von Arbeitgeberseite genutzte Klauseln nicht wirksam sind. Dazu gehört auch die Floskel "freiwillig und jederzeit widerruflich". Denn: Ist etwas freiwillig, kann gar nicht erst ein Rechtsanspruch darauf entstehen. Ein Widerruf macht aber nur Sinn, wenn ein Anspruch besteht, der widerrufen werden kann. Mit dieser Begründung hat das Bundesarbeitsgericht die Formulierung als unwirksam angesehen (14.9.2011, Az. 10 AZR 526/10).

Als unwirksam gelten seit 2013 generell Klauseln im Arbeitsvertrag, die auf der einen Seite Beschäftigten eine Gratifikation zusichern und diese andererseits wieder als freiwillig bezeichnen. Schließlich kann man nicht jemandem einen Rechtsanspruch auf etwas einräumen und gleichzeitig erklären, dass man sich an seine eigene Zusage nicht zu halten braucht (Urteil vom 20. Februar 2013, Az. 10 AZR 177/12).
Wichtig zu wissen: Dies gilt nur für Regelungen im Arbeitsvertrag – nicht für Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge.

Was gilt für ein Bonusversprechen per Brief?


Manchmal versprechen Arbeitgeber im Arbeitsvertrag lediglich allgemein die Zahlung eines Bonus unter Berücksichtigung der Leistungen des Arbeitnehmers und der Lage des Unternehmens. Die eigentliche Bonuszusage findet dann in einem unverbindlichen Schreiben statt. Dem Bundesarbeitsgericht zufolge kann das Unternehmen in diesem Fall den Bonus in Anbetracht schlechter Wirtschaftslage kürzen (Urteil vom 12.10.2011, 10 AZR 198/11).

Rückzahlung bei Kündigung?


Eine gewährte Gratifikation kann der Arbeitgeber nicht so ohne Weiteres zurückverlangen, wenn der Arbeitnehmer wenig später kündigt oder gekündigt wird. Es ist jedoch möglich, eine Rückzahlung im Kündigungsfall im Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Auch dabei ist jedoch nicht jede Klausel wirksam. Rechtlich zweifelhaft sind vorwiegend Vereinbarungen, mit denen eine Rückzahlungspflicht für eine rein arbeitgeberseitige Kündigung festgelegt wird, an der der Beschäftigte keine Schuld trägt.

Praxistipp


Arbeitgeber können zwar unter Umständen die Zahlung einer alljährlichen Gratifikation auch wieder einstellen. Dabei gibt es jedoch rechtliche Vorgaben zu beachten, bei denen oft Fehler gemacht werden. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann die Rechtslage im konkreten Fall für Sie prüfen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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