Das Glaubwürdigkeitsgutachten (insbesondere in Sexualstrafsachen)

23.07.2012, Autor: Frau Alexandra Braun / Lesedauer ca. 3 Min. (3025 mal gelesen)
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage, in welchen Fällen ein Glaubwürdigkeitsgutachten eingeholt werden sollte.

Gerade in Sexualstrafsachen wie Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch von Kindern ist die Beweislage oft schwierig. Meist gibt es nur einen Zeugen oder eine Zeugin, von deren Aussage eine Verurteilung des vermeintlichen Täters abhängt. Oft steht „Aussage gegen Aussage“, da der vermeintliche Täter die Tat bestreitet. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen ist daher besonders wichtig. Dies gilt umso mehr, da es immer wieder Fälle von Falschbelastungen gibt.


Grundsätzlich obliegt es dem Gericht, die Glaubwürdigkeit von Zeugen zu beurteilen. Es kann daher einen Antrag auf Einholung eines sogenannten Glaubwürdigkeitsgutachtens ablehnen, wenn es selbst die erforderliche Sachkunde hat. Allerdings ist die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens notwendig, wenn die Person der Zeugen oder der Sachverhalt Besonderheiten aufweisen. In solchen Fällen kann es zweifelhaft sein, ob das Gericht in der Lage ist, unter den konkreten Umständen die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu beurteilen oder ob ein Gutachten eingeholt werden muss.

Im Folgenden werden einige Fallgestalten dargestellt, in denen Zweifel an der eigenen Sachkunde des Gerichts bestehen können und sich die Beantragung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens anbietet.



1. Psychische Krankheit des Zeugen



Bei dem Vorliegen einer psychischen Erkrankung eines Zeugen ist regelmäßig die Einholung eine psychologischen oder psychiatrischen Gutachtens angeraten. Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise entschieden, dass das Tatgericht bei längerer psychiatrischer Behandlung eines Zeugen ein Glaubwürdigkeitsgutachten einholen soll. Auch bei Krankheiten wie Depressionen, Epilepsie oder Magersucht kann es für das Gericht notwendig sein, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen.



2. Tat liegt sehr lange zurück



Je länger eine Tat zurückliegt, desto genauer ist die Erinnerungsfähigkeit eines Zeugen zu prüfen. Bei diese Fallgestaltung (die insbesondere beim Vorwurf des sexuellen Missbrauchs häufig vorkommt) kann es sein, dass die eigene Sachkunde des Gerichts nicht ausreichend ist.



3. Alter des Zeugen



Grundsätzlich obliegt dem Gericht auch bei jugendlichen oder kindlichen Zeugen die Beurteilung des Glaubwürdigkeit. Allerdings kann das Alter eines Zeugen durchaus ein Umstand sein, der ein Glaubwürdigkeitsgutachten notwendig macht. Gerade bei Sexualdelikten an Kindern oder Jugendlichen wird das Gericht meist nicht in der Lage sein, Aussagetüchtigkeit und/oder Glaubwürdigkeit zu beurteilen.




4. Zustandekommen der Aussage


Die Umstände, unter denen eine Aussage des Zeugen zustande gekommen ist, können ebenfalls die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens notwendig machen. Insbesondere wird dies wieder bei kindlichen Zeugen in Betracht kommen, die durch Eltern oder andere Personen wie Erziehern suggestive Fragen gestellt wurden und ein Tatverdacht erstmalig in einer solchen Situation geäußert wurde.


Auch der Konsum von Alkohol oder Drogen durch den Zeugen können es notwendig machen, ein aussagepsychologisches Gutachten einzuholen.Gleiches gilt bei Besonderheiten in dem Verhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugen oder bei widersprüchlichem Aussageverhalten des Zeugen.



Fazit:

Grundsätzlich obliegt es dem Tatgericht, die Glaubwürdigkeit von Zeugen zu beurteilen, es ist „ureigenste Aufgabe“ des Richters. Allerdings gibt es Fälle, in denen das Gericht sich nicht auf seine eigene Sachkunde verlassen kann und ein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss. Dies gilt insbesondere dann, wenn mehrere der oben genannten Umständen bei einem Zeugen zusammenkommen. Aufgabe des Verteidigers ist es, einen Beweisantrag so zu formulieren, dass dem Gericht Zweifel an der eigenen Sachkunde kommen und es sich eines Sachverständigen bedient.




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