Das Jugendamt - Der Anwalt hilft

02.11.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Jugendamt,Sorgerecht,Inobhutnahme,Unterhalt,Heim Nicht alle Eltern kümmern sich ausreichend um ihre Kinder. © Bu - freepik

Nicht alle Eltern kümmern sich gut genug um ihre Kinder. Aber: Viele Eltern sind auch unzufrieden mit der Arbeit des Jugendamtes. Welche Rechte und Pflichten hat das Jugendamt, und welche Rechte haben betroffene Eltern?

Im deutschen Recht ist das "Wohl des Kindes" ein wichtiger Begriff. Wird es als gefährdet angesehen, hat dies schnell einschneidende Konsequenzen. Aber: Was ist das überhaupt, das "Wohl des Kindes"? Darüber gibt es im Streitfall ganz verschiedene Auffassungen. Logisch ist, dass viele Eltern oder Elternteile um ihre Rechte kämpfen. Eingriffe durch die Jugendämter sind oft weitgehend und können bis zur vollständigen Entziehung des Sorgerechtes reichen. Zum Glück sind spektakuläre Fälle, wie sie die Medien gerne aufgreifen und in denen es um hungernde oder missbrauchte Kinder geht, sehr selten. Häufiger geht es in Streitfällen um Elternteile, die gegeneinander um das Sorge- und Umgangsrecht kämpfen oder um kranke oder überforderte Mütter und Väter. Oder auch um Väter, die Ihre Kinder nicht oder nur selten sehen dürfen, weil es die Mutter nicht will. Viele derartige Fälle landen letztlich vor Gericht. Dabei bezieht das Jugendamt oft Stellung.

Welche Aufgaben hat das Jugendamt?


Das Jugendamt gehört zu den kommunalen Behörden und wird meist vom Landkreis oder der kreisfreien Stadt betrieben. Auch alternative Bezeichnungen wie "Amt für Kinder, Jugend und Familie" oder "Amt für Jugend und Soziales" sind möglich. Es besteht aus den Bereichen Verwaltung und Jugendhilfe.

Die Aufgaben des Jugendamtes ergeben sich aus § 2 des achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII). Zu den Leistungen der Jugendhilfe zählen demnach:

- Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14),
- Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21),
- Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§§ 22 bis 25),
- Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40),
- Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen.

Beispiel: Die "Hilfe zur Erziehung" kann dabei von einer Erziehungsberatung über die Teilnahme der Kinder an sozialer Gruppenarbeit bis hin zur Heimerziehung in einem Heim oder einer betreuten Wohnform gehen.

Dann gibt es auch noch die "anderen Aufgaben der Jugendhilfe" nach § 2 Abs. 3 SGB VIII. Dazu gehören unter anderem

- die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42),
- die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise (§ 42a),
- die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Pflegeerlaubnis (§§ 43, 44),
- die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung zur Betreuung / Unterkunft von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihrer Familie, sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen und die damit verbundenen Aufgaben (§§ 45 bis 47, 48a),
- die Tätigkeitsuntersagung für Mitarbeiter von Jugendheimen (§§ 48, 48a),
- die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten, oft durch Stellungnahmen oder Vorschläge für Maßnahmen (§ 50),
- die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Adoption (§ 51),
- die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz bei Strafverfahren gegen Jugendliche (§ 52),
- die Beratung und Unterstützung von Müttern bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie von Pflegern und Vormündern (§§ 52a, 53),
und auch die Vornahme von Beurkundungen (59).

Mit "Inobhutnahme" ist hier gemeint, dass ein Kind oder Jugendlicher den Eltern weggenommen und in einem Heim oder bei Pflegeeltern untergebracht wird.

Wann darf das Jugendamt Eltern ein Kind wegnehmen?


Nach § 8a SGB VIII hat das Jugendamt einen sogenannten Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung. Das bedeutet: Wenn dem Jugendamt bekannt wird, dass das Wohl von Kindern in einer Familie gefährdet ist, hat es zunächst eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und dann geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dabei kann es auch das Familiengericht einschalten oder selbstständig die Hilfe anderer Behörden, wie der Polizei, anfordern.

Nach § 42 SGB VIII darf (und muss!) das Jugendamt Kinder und Jugendliche den Eltern wegnehmen und in seine Obhut nehmen, wenn

- diese selbst darum bitten oder
- eine dringende Gefahr für das Kindeswohl dies erfordert und
a) die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b) eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
- ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.

Der zweite Fall kommt relativ häufig vor. Da Gerichtsentscheidungen Zeit benötigen, ist die "nicht rechtzeitig einholbare Entscheidung des Familiengerichts" die Regel, nicht die Ausnahme. Im Regelfall schreitet das Jugendamt also ohne Gerichtsentscheidung ein und diese wird dann nachgeholt. Dies braucht oft mindestens einen Monat Zeit.

Das Gericht kann schließlich entscheiden, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Die Kinder werden dann dauerhaft in einer Einrichtung oder bei Pflegeeltern untergebracht.

Was versteht man unter dem "Kindeswohl"


Das Kindeswohl ist kein fest definierter Begriff. Als Indizien für eine Gefährdung des Kindeswohls gelten zum Beispiel:

- nicht erklärbare Verletzungen,
- mangelhafte Ernährung,
- fehlende ärztliche Versorgung,
- Gewalt in der Familie,
- psychische Erkrankungen der Eltern,
- nicht zumutbare Wohnsituation.

Entsprechende Hinweise kommen meist von Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten oder Nachbarn. Oft muss das Jugendamt eine schnelle Entscheidung aufgrund von Auskünften dritter Personen treffen. Trifft es diese nicht und kommt ein Kind zu Schaden, muss es sich vorwerfen lassen, seine Pflichten nicht erfüllt zu haben.

Oft finden Hausbesuche statt, um festzustellen, ob eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt.

Welche Hilfe und Unterstützung kann das Jugendamt bieten?


Hierzu zählen zum Beispiel Beratungsangebote. Oft unterhält das Jugendamt eine Familienberatungsstelle, die beispielsweise bei Konflikten innerhalb der Familie in Anspruch genommen werden kann.
Auch finden im Rahmen der "Sozialpädagogischen Familienhilfe" für überforderte Eltern regelmäßige Besuche durch das Jugendamt statt, es werden Gespräche geführt, um Probleme mit allen Beteiligten zu lösen, und es wird die Situation bewertet.
Eltern, die sich den Kita-Beitrag nicht leisten können, können beim Jugendamt einen Zuschuss beantragen.
Zahlt die eigentlich zum Unterhalt verpflichtete Person nicht, kann der Elternteil, der das Kind betreut und erzieht, beim Jugendamt einen Unterhaltsvorschuss beantragen. Das Jugendamt wird den Betrag dann vom Zahlungspflichtigen eintreiben.

Kritik am Jugendamt


Im Jahr 2020 gab es in Deutschland 45.444 Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen durch das Jugendamt. In 5.837 Fällen gab es Anzeichen für körperliche Misshandlungen, in 989 Fällen für sexuellen Missbrauch. Gewalt und sexueller Missbrauch stellen also nur einen kleinen Teil der Fälle dar, in denen Eltern ihr Kind weggenommen wird. Die unbegleitete Einreise aus dem Ausland schlägt mit 7.563 Fällen zu Buche. Wie begründet sich also die hohe Gesamtzahl?

18.518 Fälle beruhten auf Überforderung der Eltern, weitere 13.728 Fälle werden mit "Sonstiges" begründet. Und dies, obwohl von Schulproblemen bis zur Scheidung eigentlich die meisten denkbaren Probleme in der Statistik ausgewiesen werden (Quelle: Statista, 2021).

Mit der Problematik befasste Anwälte kritisieren oft, dass eine Inobhutnahme aufgrund unzureichender Informationen oder unbedachter Äußerungen der Eltern vorgenommen wird. Diese dann wieder rückgängig zu machen, ist schwierig, da dann oft Argumentationen verwendet werden, wie "Das Kind muss erst zur Ruhe kommen / sich bei den Pflegeeltern einleben" und später "das Kind soll nicht immer wieder aus seiner gewohnten Umgebung gerissen werden". Es ist auch schon vorgekommen, dass Krankheitssymptome einer Erbkrankheit des Kindes (Blutgerinnsel) fälschlicherweise als Anzeichen für eine Misshandlung angesehen wurden (OLG Koblenz, Urteil vom 18.3.2016, Az. 1 U 832/15).

Ein gerichtliches Vorgehen ist möglich, kann aber viel Zeit in Anspruch nehmen.

Was kann ein Rechtsanwalt tun?


Ein guter Anwalt wird zunächst prüfen, ob es im Vorfeld ohne Gericht möglich ist, mit dem anderen Elternteil oder dem Jugendamt eine angemessene Lösung zu erzielen. Kommt zum Beispiel ein Fall im Zusammenhang mit einer Trennung dann doch vor Gericht, gilt es, einen Interessenausgleich herzustellen, den beide Elternteile akzeptieren können. Das Wohl der Kinder muss dabei immer im Mittelpunkt stehen.

Ein Anwalt kann im Kontakt zum Jugendamt statt einer Konfrontation auch darauf hinwirken, dass das Jugendamt sinnvolle Fördermaßnahmen zum Wohl des Kindes ergreift und ein Konsens zwischen Jugendamt und Eltern erzielt wird.
Gelingt dies nicht, muss der Anwalt prüfen, wie er die Rechte der Eltern am effektivsten wahren kann.

Eine Inobhutnahme stellt rechtlich einen Verwaltungsakt dar. Sie kann mit einem Widerspruch und dann auch klageweise angegriffen werden. Auch gegen Gerichtsentscheidungen wie eine Entziehung des Sorgerechts sind Rechtsmittel möglich.

Praxistipp


Ein Fachanwalt für Familienrecht ist Experte auf diesem Gebiet und kann Ihnen beim Umgang mit dem Jugendamt helfen oder im Ernstfall für Ihre Rechte eintreten. Fachkundige Unterstützung ist hier wichtig, denn schon eine missverständliche Bemerkung oder gar das Verlieren der Beherrschung gegenüber Behörden-Mitarbeitern können hier sehr nachteilige Folgen haben.

(Bu)


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 Stephan Buch
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