„Dauerpraktikum“: Ausbildungsplatz als Köder zählt nicht – Nachzahlung!

16.07.2014, Autor: Herr Volker Schneider / Lesedauer ca. 2 Min. (534 mal gelesen)
Unternehmen, die Praktikanten als billige Arbeitskräfte ausnutzen, drohen hohe Nachzahlungen

Generation Praktikum: Ein Praktikum soll einen Einblick ins Berufsleben ermöglichen. Doch immer häufiger werden Praktikanten als billige Arbeitskräfte eingesetzt. In einem solchen Fall drohen dem Unternehmen Nachzahlungsforderungen. Dies geht aus einem aktuellen Urteil des Arbeitsgerichts Bochum (ArbG) hervor (2 Ca 1482/13).

Im entschiedenen Fall arbeitete die Klägerin während eines Praktikums von Ende Oktober 2012 bis Anfang Juli 2013 in einem Lebensmittelmarkt unentgeltlich. Ursprünglich sollte das Praktikum einen Monat dauern. Es wurde jedoch mehrfach um einen Monat verlängert und dabei der Praktikantin immer wieder ein Ausbildungsplatz in Aussicht gestellt. Im März, also nach etwa vier Monaten, schlossen die Praktikantin und der Arbeitgeber einen Ausbildungsvertrag zum 1. September 2013. Bis dahin sollte die Praktikantin weiterhin unentgeltlich arbeiten. Ihre Tätigkeit unterschied sich dabei nicht von der einer bezahlten Angestellten – sie räumte Regale ein, bediente an der Kasse und sortierte im Lager.
Im Juli 2013 allerdings reichte es der Dauerpraktikantin. Sie erhob Klage gegen ihren Arbeitgeber und bekam Recht.


17.281,50 Euro nachträgliches Gehalt


Die geschlossenen Praktikumsvereinbarungen sind nach Ansicht des Gerichts sittenwidrig. Sinn und Zweck eines Praktikums sei das Kennenlernen und Erlernen einer Tätigkeit, im Vordergrund muss der Ausbildungszweck stehen, so das Arbeitsgericht - daran habe es im zugrundeliegenden Fall gefehlt. Daher sei die geleistete Arbeit zu vergüten. Insgesamt hatte die Praktikantin 1728 Stunden und 15 Minuten in dem Lebensmittelmarkt gearbeitet. Für jede Stunde muss der Arbeitgeber 10 Euro zahlen – dabei handelt es sich um den branchenüblichen Stundensatz.


Praktikum – was Arbeitgeber beachten müssen

Um böse Überraschungen zu vermeiden, müssen Arbeitgeber einige Hinweise beachten. Das Ziel eines Praktikums ist es, praktische Erfahrungen sammeln. Daher müssen die Aufgaben vielfältig und die Dauer des Praktikums angemessen sein. Denn bei einer einfachen Tätigkeit wird sich die Frage stellen, ob der Arbeitgeber den Praktikanten lediglich als billige Arbeitskraft nutzt. Ein Praktikant muss zudem einen Ansprechpartner im Betrieb haben. Vor allem darf der Praktikant nicht wie ein Vollzeitmitarbeiter eingesetzt werden. Erbringt er nämlich eine vollwertige Arbeitsleitung, so liegt ein Arbeitsverhältnis mit der Folge vor, dass der vermeintliche Praktikant einen Anspruch auf Vergütung hat.

Arbeitgebern ist zu empfehlen, sich vor der Einstellung von Praktikanten fachanwaltlich beraten zu lassen. Gerade ein sorgfältig ausgearbeiteter Praktikantenvertrag kann Aufschluss darüber geben, wie das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Praktikanten rechtlich zu qualifizieren ist. Sind in dem Vertrag z.B. bezahlter Urlaub oder Zustimmungsvorbehalte für eine Nebenbeschäftigung geregelt, ist in der Regel von einem Arbeitsverhältnis auszugehen.

Auf Praktikantenseite hingegen gilt es, sich gegen unbezahlte Dauerpraktika ohne Aussicht auf eine Besserung der Lage zu wehren. Dass dies mit Erfolg möglich ist, zeigt der geschilderte Fall eindrucksvoll.


Volker Schneider

Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Fachanwalt für Insolvenzrecht

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