Die alleinige Angabe der Paragraphen genügt für die Bekanntgabe des Tatvorwurfs nicht!

04.01.2013, Autor: Herr Sven Skana / Lesedauer ca. 2 Min. (1452 mal gelesen)
Das AG Backnang beschloss am 19.09.2012, dass es für die Eröffnung eines Tatvorwurfs nicht ausreichend ist, dass den Beschuldigten gegenüber lediglich die Paragraphen ohne weitere Erläuterung angegeben werden.

Den Beschuldigten wurde zur Last gelegt, dass sie Prepaidkarten und Zigaretten im Gesamtwert von 372,10 € entwendet hätten. Das AG Waiblingen legte die Akten dem Schöffengericht beim AG Backnang zur Übernahme vor, da es davon ausging, dass ein Verbrechen gemäß § 244a StGB vorläge. Bei § 244a StGB handelt es sich um schweren Bandendiebstahl, welcher in der Mindeststrafe mit einem Jahr Freiheitsstrafe belegt ist. Entsprechend der zu erwartenden Strafe entscheidet sich, welches Gericht in welcher Besetzung zuständig ist. Liegt die zu erwartende Strafe unter 2 Jahren so entscheidet der Strafrichter. Liegt sie über 2 Jahren jedoch unter 4 Jahren liegt die Zuständigkeit beim Schöffengericht.

Das AG Backnang ging jedoch weder davon aus, dass § 244a StGB erfüllt sei, noch das die Zuständigkeit des Schöffengerichts gegeben sei. Zum einen lag nach den Ausführungen des AG Backnang schon keine Bande vor, zum anderen sei auch die zu erwartende Strafe nicht über 2 Jahren. Es führte insoweit aus, dass sich der Vorwurf des Bandendiebstahls nichts schon daraus ergeben könne, dass im Belehrungsformular der Polizei die Delikte §§ 243, 244 StGB eingefügt wurden und der Angeklagte im Feld „ Ich gebe die Tat zu“ ankreuzte. Das Gericht ging davon aus, dass es zwar zutreffen mag, dass der Angeklagte seine Tatbeteiligung hinsichtlich eines Diebstahles im Sinne von § 242 StGB zugeben wollte, nicht jedoch gleichzeitig das sehr viel schwerer wiegende Delikt des (schweren) Bandendiebstahls im Sinne von § 244 und § 244a StGB. Die bloße Angabe von Paragraphen genügt den Anforderungen der §§ 163a Abs.4, 136 Abs.1 S.1 StPO nicht. Ebenso wenig reichen wenige Schlagwörter aus. Der dem Beschuldigten gemachte Tatvorwurf muss vielmehr wenigstens in groben Zügen dargestellt werden, wobei die Zielrichtung des Tatvorwurfs deutlich zu machen ist, damit seitens des Beschuldigten eine sachgerechte Verteidigung erfolgen kann. Allein der Bildungsgrad und etwaige Sprachschwierigkeiten können eine solche Erläuterung notwendig machen. Dies ist auch insoweit verständlich, als das von einem juristischen Laien kaum erwartet werden kann, dass er das Strafgesetzbuch in seinen Feinheiten kennt.

Der vorliegende Beschluss dürfte nicht nur für das Straf-sondern auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren interessant sein. Ein genauerer Blick auf den Tatvorwurf kann sich daher lohnen!

(AG Backnang, Beschluss vom 19.09.2012)

Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass der oben geschilderte Beschluss nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Johlige, Skana & Partner in Berlin, Kurfürstendamm 173-174, 10 707 Berlin, Tel: 030/886 81 505.