Dispositives Recht: Per Vertrag gesetzliche Vorschriften umschiffen

05.04.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Artikel kommentieren
Gesetz,Vertrag Wann kann man per Vertrag etwas vereinbaren, dass dem Gesetz widerspricht? © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Dispositives Recht: Als dispositives Recht bezeichnet man Gesetze, deren Inhalt durch vertragliche Abreden abweichend vom gesetzlichen Wortlaut geregelt werden können.

2. Richtet sich nach: Die Frage, ob Recht dsipositiv ist oder nicht, ergbit sich oft aus einem einen diesbezüglichen Hinweis im Gesetz selbst. In anderen Fällen ergibt sich dies aus dem sogenannten Schutzzweck der Norm.

3. Dispositives Recht und AGB: Wird von gesetzlichen Regelungen im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen abgewichen, so müssen sich diese Vertragsbedingungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit an speziellen Schutzgesetzen, insbesondere dem "Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz" messen lassen.
Unter dispositivem Recht sind all die Gesetze zu verstehen, deren Inhalt durch vertragliche Abreden auch abweichend vom Wortlaut des Gesetzes geregelt werden kann. Juristen nennen sie "abdingbare" Vorschriften.
Das bedeutet: Die Anwendung des Gesetzes ist nicht zwingend. Soll etwas anderes gelten, muss zwischen den Vertragspartnern aber eine ausdrückliche Absprache bestehen, dass die Vorschrift nicht gelten soll und was stattdessen zwischen ihnen vereinbart ist.
Gibt es keine besondere Absprache, gilt das Gesetz. Möglich ist dies im Zivilrecht.
Das Gegenteil von abdingbaren Rechtsvorschriften sind unabdingbare gesetzliche Regelungen. Bei diesen ist eine abweichende vertragliche Regelung nicht erlaubt und rechtlich nicht wirksam. Dann spricht man von "zwingendem Recht".

Woher weiß ich, ob etwas dispositiv oder zwingend ist?


Gesetze enthalten oft einen entsprechenden Hinweis, der eine Vorschrift unabdingbar und zwingend macht. In anderen Fällen ergibt sich dies aus dem sogenannten "Schutzzweck der Norm". Das bedeutet: Das betreffende Gesetz wurde gerade dazu geschaffen, den Schwächeren – etwa den Verbraucher – zu schützen. Dann würde es natürlich wenig Sinn machen, abweichende Regeln per Vertrag oder AGB zuzulassen. Diese sind dann von vornherein unwirksam.

Warum gibt es "dispositives Recht?"


Das deutsche Zivilrecht stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts. Damals sah man die Vertragsfreiheit als besonders wichtiges Gut an. Die Vertragspartner sollten sich "auf Augenhöhe" begegnen. Sie sollten den Inhalt eines Vertrages möglichst frei und ohne staatliche Einschränkungen aushandeln. Nach Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches etwa um 1900 führte dies jedoch schnell zu Problemen, beispielsweise im Miet- und Arbeitsrecht. In diesen Bereichen standen sich nämlich von Anfang an zwei Vertragspartner gegenüber, von denen einer am "längeren Hebel" saß. Eine zu große Vertragsfreiheit hatte die Folge, dass dem wirtschaftlich Schwächeren unfaire Vertragsbedingungen aufgezwungen werden konnten. Daher wurden nach und nach immer mehr Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt – es entstanden Mieterschutz, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechte. Nach wie vor gibt es jedoch eine Reihe von Vorschriften, die "abdingbar" sind.

Beispiel: Mietvertrag und Gewerbemietvertrag


Das Mietrecht bietet hier ein gutes Beispiel. Für Wohnungsmietverträge gelten nämlich viele Vorschriften, die nicht durch eigene Vereinbarungen abgeändert werden dürfen. Beispiel: § 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches beschreibt, wann Mieter ihre Miete mindern dürfen. Ein Zusatz dieser Vorschrift legt fest, dass sie nicht zum Nachteil des Mieters per Vertrag abgeändert werden darf. Genauer gesagt: Eigene Änderungen sind per Gesetz unwirksam.

Dies gilt jedoch nur für Mietverträge über Wohnraum. Wird ein Ladenlokal oder ein anderer Gewerberaum gemietet, gilt die Einschränkung nicht. In diesem Fall können die Vertragspartner also abweichende Regelungen treffen. Allerdings können nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes auch bei Gewerberäumen inzwischen die Rechte des Mieters nicht mehr vollständig ausgeschlossen werden (Urteil vom 12.3.2008, Az. XII ZR 147/05).

Beispiel: Werkvertrag


In § 641 Absatz 1 BGB geht es um die Bezahlung beim Werkvertrag – also zum Beispiel bei der Beauftragung eines Handwerkers, der im Bad ein neues Waschbecken einbauen soll. Nach dieser Regelung muss die beim Abschluss des Vertrages vereinbarte Vergütung bei der Abnahme des fertiggestellten "Werkes" durch den Auftraggeber bezahlt werden. Diese Vorschrift ist dispositives Recht. Daher können die Vertragspartner sich auch auf einen späteren Zahlungszeitpunkt einigen.

Beispiel: Risiko für Bürgen


Bürgt jemand für die Schulden eines anderen, muss er erst dann einspringen, wenn dessen Gläubiger zuerst versucht hat, den Betrag durch Zwangsvollstreckung vom eigentlichen Schuldner einzutreiben. Dies nennt sich die "Einrede der Vorausklage" – geregelt in § 771 BGB. Auch dies ist eine abdingbare Vorschrift. Die "Einrede" kann nämlich ausgeschlossen werden. Eine Bürgschaft mit einer solchen Vereinbarung bezeichnet man auch als selbstschuldnerische Bürgschaft. Sie ist für den Bürgen riskant: Die Bank kann ihn direkt in Anspruch nehmen, ohne es überhaupt beim eigentlichen Schuldner zu versuchen.

Was darf in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt werden?


Vom kleinen Gewerbetreibenden mit wenig Rechtskenntnis bis zum Großkonzern mit großer Rechtsabteilung und Sitz im Ausland: Viele Unternehmen versuchen intensiv, deutsche Rechtsvorschriften gerade aus dem Verbraucherschutz durch ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu umgehen. Trotzdem gilt: Man kann nicht alles in Verträge hineinschreiben, was man möchte. Ein wichtiges Gegenmittel bilden die Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 305 ff.).

Darin steht, was geht und was nicht. AGB dürfen zum Beispiel keine Regelungen treffen, die unüblich oder überraschend sind. Sie dürfen nicht den jeweiligen Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Auch dürfen sie nicht die Haftung bei Verletzungen von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden ausschließen. Hinzu kommen viele weitere Regelungen, zu denen die Gerichte auch viele Urteile gefällt haben.

Zuerst muss man allerdings immer überlegen, ob man es überhaupt mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu tun hat und ob diese wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. Zum Beispiel fällt ein Formularmietvertrag, der zumindest in mehreren Fällen verwendet wurde, ohne Zweifel unter "AGB". Ebenso sind die Geschäftsbedingungen einer Textilreinigung in den Vertrag einbezogene AGB, wenn sie gut sichtbar für den Kunden im Verkaufsraum hängen. Andererseits wird eine handschriftliche Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag mit Extra-Unterschriften in aller Regel als eine Individualvereinbarung angesehen. Darin können auch Dinge geregelt werden, die ansonsten den §§ 305 ff. BGB widersprechen. Beispiele dafür wären etwa ein pauschales Rauchverbot oder Tierhaltungsverbot in einer Mietwohnung.

Praxistipp zum dispositiven Recht


Bei Rechtsstreitigkeiten oder rechtlichen Problemen im Zusammenhang mit Verträgen sollten sich Verbraucher an einen Rechtsanwalt für Zivilrecht wenden. Dieser kann den einzelnen Vertrag prüfen und beurteilen, ob die getroffene Absprache wirklich rechtswirksam ist.

(Ma)


Sie benötigen Hilfe bei Ihrer Suche nach dem richtigen Anwalt? Dann schreiben Sie uns über unser Kontaktformular. Wir helfen Ihnen kostenlos und unverbindlich.


 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion
 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion