Ehe: Für welche Schulden haftet der Partner mit?

10.11.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 7 Min. (34018 mal gelesen)
Geldscheine,Münzen Nur in ganz bestimmten Fällen haftet der Ehepartner mit. © Bu - Anwalt-Suchservice

Einem verbreiteten Irrglauben zufolge haftet man nach der Eheschließung auch für alle Schulden des Partners mit. Tatsächlich aber gibt es nur ganz bestimmte Fälle, in denen dies tatsächlich der Fall ist.

Wenn beide Ehepartner mit einer gemeinsamen Haushaltskasse wirtschaften, sind Schulden meist kein Thema. Beide müssen dann mit dem Geld auskommen, das beispielsweise nach Abzug der Raten für ein Darlehen übrig bleibt. Wenn es aber zu einer Trennung kommt, ist ein Streit um Geld oft vorprogrammiert. Immerhin möchte niemand für Schulden gerade stehen, die eigentlich der Ex-Partner verursacht hat. Allerdings kommt es vor, dass tatsächlich beide Partner in der Verantwortung stehen. Häufig ist es gar nicht so einfach, herauszufinden, wer tatsächlich für was haftet. Und: Ehepartner können während der Ehe sogar selbst beeinflussen, wofür sie haften.

Gibt es eine Sippenhaftung für Ehepartner?


Dass Schulden, die in der Ehe gemacht werden, beide Ehepartner betreffen, ist grundsätzlich ein Irrtum. Wahr ist: Es gibt keine automatische Mithaftung nach der Eheschließung, auch nicht im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
Allerdings gibt es Ausnahmen. Zum Beispiel ist eine Mithaftung eines Ehepartners für die Schulden des anderen möglich, wenn er oder sie eine entsprechende vertragliche Verpflichtung eingegangen ist.

Welche vertraglichen Absprachen führen zur Mithaftung?


Wenn ein Ehepartner zum Beispiel einen Kaufvertrag über ein Haus unterschreibt oder ein neues Auto per Darlehen kauft, haftet der andere nicht automatisch mit. So etwas passiert nur, wenn der Partner oder die Partnerin den Vertrag mit unterzeichnen oder sogar ausdrücklich für die Schulden des anderen bürgen. Denn dann kann sich der Gläubiger grundsätzlich gleichermaßen an jeden der beiden halten. Wenn beide den Vertrag unterschrieben haben, haften sie als sogenannte Gesamtschuldner (§ 421 BGB): Der Gläubiger kann sich dann aussuchen, von wem er das Geld verlangt – im Zweifelsfall von der Person, die zahlungskräftiger wirkt. Bei einer Bürgschaft muss der Bürge für die Schulden des anderen einstehen, wenn dieser nicht zahlen kann.

Welche Auswirkungen haben Schulden eines Ehegatten auf Unterhaltspflichten?


Finanzielle Nachteile können einem Ehepartner auch dann entstehen, wenn er nicht für die Schulden des anderen mithaftet. Bei der Berechnung von Unterhaltspflichten werden nämlich Verbindlichkeiten wie Zins- und Tilgungsleistungen für ein Darlehen normalerweise mit angerechnet. Das Ergebnis ist, dass der Unterhaltspflichtige weniger Unterhalt zu zahlen hat.

Wann kann die Mithaftung unter Ehepartnern sittenwidrig sein?


Viele Geldinstitute verlangen bei der Vergabe von Darlehen, dass der Ehepartner des Kreditnehmers den Darlehensvertrag mit unterschreibt oder eine Bürgschaft für den Betrag übernimmt. Sie fordern dies jedoch nicht immer zu Recht. Wäre zum Beispiel der Ehepartner mit den Schulden seines Partners vollkommen überfordert – der Bundesgerichtshof spricht von "krasser finanzieller Überforderung" – ist die komplette Vereinbarung sittenwidrig und unwirksam.

Von einer solchen finanziellen Überforderung geht man aus, wenn der Ehepartner so wenig Geld verdient, dass er oder sie noch nicht einmal die laufenden Zinsen für das Darlehen bedienen könnte. In derartigen Fällen gehen die Gerichte davon aus, dass der Kreditgeber (also die Bank) die emotionale Beziehung des Ehepaares ausgenutzt hat, um auch den weniger zahlungskräftigen Partner zur Absicherung heranzuziehen. Dem Bundesgerichtshof zufolge ist dies jedoch nicht erlaubt.

Beispiel: Mithaftung der Ehefrau bei Immobilienkredit


Der Bundesgerichtshof befasste sich 2016 mit der Ehegatten-Mithaftung. Es ging dabei um die Rückzahlung eines Immobiliendarlehens von 1994. Ein Ehemann hatte einen Kredit aufgenommen, um auf einem Grundstück, das ihm allein gehörte, ein Mietshaus zu errichten. Den Kreditvertrag hatte seine Frau mit unterschrieben, obwohl sie selbst nur wenig verdiente. Auf Drängen der Bank hatte sie jedoch sogar zusätzlich ein notarielles Schuldanerkenntnis abgegeben.
Der Mann verstarb 2013. Die Frau schlug die überschuldete Erbschaft aus. Die Bank kündigte das Darlehen und verlangte von der Frau die Rückzahlung von rund 250.000 Euro.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes war die Ehefrau trotz ihrer Unterschrift unter dem Darlehensvertrag keine eigenständige Darlehensnehmerin gewesen. Immerhin habe sie gar kein eigenes Interesse am Mietshaus-Projekt ihres Mannes gehabt, höchstens indirekt wegen der Altersvorsorge des Paares. Sie habe auch nicht die Möglichkeit gehabt, über die Verwendung des Darlehens mitzuentscheiden. Das Gericht betrachtete sie allenfalls als Mithaftende, die "krass überfordert" mit einer derartig hohen Rückzahlung sei. Für die Bank sei dies von Anfang an zu erkennen gewesen. Daher könne die Bank von der Witwe nicht die Rückzahlung des restlichen Darlehensbetrages fordern (Urteil vom 15.11.2016, Az. XI ZR 32/16).

Wie sieht es bei kleineren Anschaffungen aus?


Jeder Ehegatte kann gemäß § 1357 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auch mit Wirkung für den anderen Geschäfte tätigen, die dazu dienen, den täglichen Lebensbedarf der Familie zu decken. Dann haften beide Eheleute gleichermaßen. Der Gesetzgeber hat hier zum Beispiel den Kauf von Lebensmitteln im Sinn, auch von Haushaltsgegenständen und anderen kleineren Anschaffungen im Rahmen des Lebensstandards, der in der jeweiligen Ehe üblich ist. Dazu gehören können auch Kleidung oder Einrichtungsgegenstände, jedoch keine Wertgegenstände wie ein teurer Pelzmantel, Schmuck oder Antiquitäten.

Solche Geschäfte des täglichen Lebens umfassen auch Reiseverträge oder ärztliche Behandlungsverträge - hier haften also beide Ehepartner. Ebenso ist es bei Kreditverträgen zur Finanzierung des täglichen Lebensbedarfes (etwa einem Überziehungskredit oder einem Lebensmittel-Einkauf mit Kreditkarte).
Dies kann auch sogenannte Dauerschuldverhältnisse mit regelmäßigen Zahlungen betreffen, die für den gemeinsamen Haushalt abgeschlossen werden - wie einen Stromliefervertrag. Mietverträge gelten jedoch in der Regel nicht als Geschäfte zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs. Sie haben zu großen Einfluss auf das Zusammenleben und sind von zu hoher Bedeutung (Landgericht Berlin, Urteil vom 15.6.2004, Az. 63 S 237/03).

Aber: Die Regelung des § 1357 Abs. 1 über Geschäfte des täglichen Lebens gilt nicht mehr, sobald die Ehegatten getrennt leben (§ 1357 Abs. 3 BGB). Zumindest nicht für Verträge, die ab dem Zeitpunkt der Trennung neu abgeschlossen werden. Bei weiterlaufenden alten Verträgen sieht dies anders aus.

Was gilt für eine Überziehung des Girokontos?


Ehepartner müssen bei einem gemeinsamen Konto auch für die Schulden einstehen, die der jeweils andere durch Überziehung des gemeinsamen Kontos verursacht hat.
Dies ergibt sich aus einem Urteil des Landgerichts Coburg. In diesem Fall hatte eine Bank von einer Ehefrau nach der Trennung des Paares den Ausgleich des überzogenen Kontos verlangt. Die Schulden verursacht hatte überwiegend der Ehemann, und zwar für Mietzahlungen, Leasingraten des Familienautos und Ausgaben für einen Führerschein. Das Gericht erklärte: Ehepartner haften bei Überziehung eines gemeinsamen Kontos auch für Abhebungen des anderen - außer, es geht um vollkommen ungewöhnliche Ausgaben, von denen sie nichts wussten und nichts ahnen konnten. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen (Urteil vom 8.5.2007, Az. 22 O 463/06).

Wer muss nach der Trennung die Stromrechnung zahlen?


Zieht ein Ehepartner aus der gemeinsamen Wohnung aus oder trennt sich vom anderen, endet damit nicht automatisch seine Zahlungspflicht aus laufenden Verträgen. Dies gilt sogar dann, wenn der Vertrag vom anderen Partner abgeschlossen wurde. Entsprechend hat auch der Bundesgerichtshof entschieden (Az. XII ZR 159/12).

In diesem Fall durfte ein Stromversorger auch nach der Trennung und dem Auszug der Ehefrau verlangen, dass diese die Stromrechnungen bezahlte - sogar für den nach der Trennung verbrauchten Strom. Um dies zu vermeiden, hätte sie den Stromversorger über ihren Auszug informieren und den Stromliefervertrag kündigen müssen. Wenn der Ehegatte dann nach dem Auszug der Frau einen neuen Stromliefervertrag auf seinen Namen abgeschlossen hätte, wäre er der alleinige Schuldner gewesen (§ 1357 Abs. 3 BGB).

Wie funktioniert die Mithaftung im Mietverhältnis?


In einem Mietverhältnis wird nur derjenige Mieter und damit Vertragspartner, der im Mietvertrag als Mieter genannt wird und den Vertrag eigenhändig unterschreibt. Wenn der Vertrag beide Ehepartner als Mieter aufführt, aber nur einer unterschreibt, ist auch nur dieser eine als Mieter anzusehen. Dann muss er oder sie allein die Miete zahlen (Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 19.7.2007, Az. 8 W 143/07).

Haben beide unterschrieben, sind beide Mieter. Zieht ein Partner aus der Wohnung aus, ändert das nichts daran, dass auch dieser oder diese weiter als Gesamtschuldner mithaftet. Der Vermieter kann sich aussuchen, von wem er die Miete verlangt. Er kann sich den zahlungskräftigeren Ehepartner auswählen.

Aber: Der aus der Wohnung ausgezogene Mietzahler kann vom anderen Partner intern einen Ausgleich verlangen, also dessen Anteil an der Miete.
Dies kann problematisch sein, wenn beide Mieter sind und nur einer von beiden den Mietvertrag beenden will. Nach Ablauf des Trennungsjahres oder dem Einreichen des Scheidungsantrages kann der aus der Wohnung ausgezogene Partner vor Gericht fordern, dass sein Ex-Partner der gemeinsamen Kündigung des Mietvertrages zustimmt. Häufig will aber die Partnerin oder der Partner in der Ehewohnung bleiben, unter Umständen auch zusammen mit den gemeinsamen Kindern. Dann hat eine Klage auf Zustimmung zur Kündigung wenig Aussicht auf Erfolg. Es ist jedoch denkbar, dass ein Partner mit Zustimmung des anderen und auch des Vermieters einverständlich aus dem Vertrag entlassen wird. Der Mietvertrag wird dann zwischen dem Vermieter und dem anderen Partner fortgesetzt. Allerdings reden wir hier von einer gütlichen Einigung und nicht von einem Rechtsanspruch.

Wenn sich beide Ex-Partner nicht darüber einigen können, wer die Wohnung behält, kann das Familiengericht einem von beiden die Wohnung zur alleinigen Nutzung zuweisen. Eine derartige Entscheidung trifft das Gericht jedoch nur, um Härtefälle zu verhindern. Ein solcher Antrag bietet sich zum Beispiel an bei häuslicher Gewalt.

Welche Auswirkungen hat der Güterstand?


Ehepaare leben meist im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Einen anderen Güterstand kann man nur durch eine besondere Vereinbarung in Form eines notariellen Ehevertrages erhalten. Ein Beispiel wäre die Gütertrennung. Auch hier gibt es einen verbreiteten Rechtsirrtum: Viele Menschen denken, dass sie nur durch eine Gütertrennung darum herumkommen, für die Schulden des Ehepartners einstehen zu müssen. Dies ist falsch. Und: Diese Frage wird ohnehin nur bei einer Trennung wichtig.

Wie funktioniert eine Zugewinngemeinschaft?


Wenn beide Ehepartner wie üblich in Zugewinngemeinschaft leben, bleiben ihre Vermögen auch während der Ehe getrennt. Im Falle einer Scheidung wird auf Antrag (und mit zusätzlichen Verfahrenskosten) vom Gericht ein Zugewinnausgleich durchgeführt. Dabei ermittelt man für jeden Ehepartner für den Ehezeitraum ein Anfangs- und ein Endvermögen. So kann man feststellen, ob sich sein oder ihr Vermögen während der Ehe erhöht hat. Eine solche Erhöhung bezeichnet man als Zugewinn.

Übersteigt nun der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleich zu. Haben beide während der Ehe den gleichen Zugewinn erzielt, findet kein Ausgleich statt.

Sofern ein Ehepartner bereits vor der Hochzeit Schulden hatte, werden diese bei seinem Anfangsvermögen berücksichtigt. Hat er während der Ehe neue Schulden gemacht, verringern diese sein Endvermögen. Dies hat bei der Berechnung der Ausgleichszahlung auch für den Ehepartner finanzielle Folgen. Die einschlägigen gesetzlichen Regeln sind in den §§ 1373 ff. BGB zu finden.

Praxistipp


Nur in bestimmten, gesetzlich klar begrenzten Fällen haften Ehepartner für die Schulden ihres Partners mit. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann ein Fachanwalt für Familienrecht für Sie im konkreten Einzelfall prüfen. So finden Sie heraus, ob Sie tatsächlich eine Zahlungspflicht haben.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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