Eigenbedarf: Schadensersatz nach Vortäuschung

Autor: RiOLG Wolfgang Dötsch, Brühl
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 09/2015
1. Der Vermieter ist im Falle der Vortäuschung von (Eigen-)Bedarf dem Mieter gem. § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.2. Ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung der (Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, ist im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen, ob die Parteien auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war.3. An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter auch wegen eines vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs zu verzichten, sind strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände – unmissverständlich sein.4. Für einen stillschweigenden Verzicht bedarf es daher regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen. Solche Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung – wie etwa einer namhaften Abstandszahlung – verpflichtet.

BGH, Urt. v. 10.6.2015 - VIII ZR 99/14

Vorinstanz: LG Koblenz - 6 S 282/13

BGB §§ 280 Abs. 1, 573 Abs. 1

Das Problem

Der klagende Mieter begehrt Schadensersatz wegen einer angeblich unberechtigten Kündigung. Der Vermieter hatte mit der bestrittenen Begründung gekündigt, die Wohnung werde für den neuen Hausmeister benötigt. Nachdem die Räumungsklage in erster Instanz erfolglos geblieben war, schlossen die Parteien in der zweiten Instanz einen Räumungsvergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, die Wohnung bis spätestens 31.12.2011 zu räumen sowie die Kosten zu tragen. Ferner verzichtete er auf Räumungsschutzvorschriften. Im Falle eines vorzeitigen Auszugs, den er zwei Wochen zuvor anzukündigen hatte, sollte er jedoch nur bis Auszug/Übergabe zahlen. Später zog nicht der angekündigte neue Hausmeister, sondern eine andere Familie in die Wohnung ein. Der Kläger begehrt nunmehr u.a. Ersatz der Umzugskosten und der Mehrkosten durch höhere Miete für die neue Wohnung (850 € monatlich).

Die Entscheidung des Gerichts

Während das Berufungsgericht angenommen hatte, dass wegen des Räumungsvergleichs der Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Pflichtverletzung (vorgetäuschter Eigenbedarf) und dem geltend gemachten Schaden fehle bzw. der Vergleich einen umfassenden Verzicht zur Folge habe, verweist der Senat zur weiteren Sachaufklärung zurück. Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB könne nicht pauschal unter Verweis auf den Vergleich verneint werden. Der Kläger habe mit dem Räumungsvergleich nicht auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschtem Eigenbedarf verzichtet. Streitgegenstand des Vorprozesses sei allein das Räumungsbegehren des Beklagten im Anschluss an eine Kündigung, die darauf gestützt war, dass die Wohnung als Hausmeisterwohnung benötigt werde („Betriebsbedarf”). Der Wortlaut des Vergleichs enthalte keinen weitergehenden Verzicht und es liege auch kein stillschweigender Verzicht vor. Dafür bedürfe es bedeutender Umstände, die auf einen Verzichtswillen schließen lassen. Derartige Umstände könnten etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung verpflichtet, wie die Zahlung einer namhaften Abstandszahlung oder einem Verzicht auf Schönheitsreparaturen. So etwas komme in Betracht, wenn eine Einigung in einer Situation erheblicher Unsicherheit für beide Parteien erfolgt, also etwa in der ersten Instanz vor Durchführung einer sonst erforderlichen umfangreichen Beweisaufnahme. Solche Umstände seien hier nicht ersichtlich: Mit der Zubilligung einer Räumungsfrist könne ein Mieter ohnehin regelmäßig rechnen. Dass er nur bis zum Auszug Miete zu bezahlen hatte, stelle kein nennenswertes Entgegenkommen dar. Im Übrigen seien die Bestimmungen des Räumungsvergleichs für den Kläger nachteilig, insb. mit Blick auf die Kostenlast. Schließlich sei bedeutsam, dass das Berufungsgericht auf die Aussichtslosigkeit hingewiesen habe, nachdem Zeugen den vom Vermieter behaupteten Bedarf bestätigt haben. Dann liegt es eher fern, dass die Parteien mit einem sodann abgeschlossenen Räumungsvergleich nicht nur die zu erwartende Entscheidung des Gerichts vorwegnehmen, sondern darüber hinaus etwaige Ansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs abgelten wollen.


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