Einstellung von für tagesaktuelle Berichterstattung verfassten Artikeln in Online-Archiv

Autor: RA Dr. Yvonne Kleinke, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht, www.MoserBezzenberger.de, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2013
Die Einstellung von für die tagesaktuelle Berichterstattung verfassten Artikeln in ein Online-Archiv stellt neben der Online-Veröffentlichung des Beitrages eine gesonderte Nutzungsart dar.

OLG Brandenburg, Urt. v. 28.8.2011 - 6 U 78/11 (rkr.)

Vorinstanz: LG Potsdam, Urt. v. 6.10.2011 - 2 O 386/10

UrhG §§ 31 Abs. 5, 97 Abs. 1 Satz 1

Das Problem:

Ein freier Journalist war in den Jahren 1995 bis Ende 2009 in unterschiedlichen Funktionen für einen Zeitungsverlag tätig. Über seine journalistische Tätigkeit existieren keine schriftlichen Vereinbarungen. In den Jahren 2009–2011 veröffentlichte der Zeitungsverlag 1.526 Artikel des Journalisten mit dessen Einwilligung überwiegend im Lokalteil einer Tageszeitung. Dabei war dem Journalisten bekannt, dass einige seiner Artikel auch auf der seit 1998 bestehenden Homepage des Zeitungsverlages veröffentlich wurden. Seit Juli 2011 verfügte der Verlag über ein internes elektronisches Archiv, in welches die in der Tageszeitung erschienenen Texte eingestellt wurden. Dazu gehörten u.a. auch Texte des Journalisten. Von 2003–2007 machte der Verlag das elektronische Archiv auf seiner Homepage auf der Startseite für die Öffentlichkeit entgeltlich zugänglich, wobei jedoch keine Einnahmen durch Abrufe von Beiträgen des Journalisten erzielt wurden. Seit Oktober 2007 bis Mitte 2010 war die Nutzung des Online-Archivs für die Öffentlichkeit kostenfrei. Seit Juni 2010 ist die Nutzung wieder entgeltlich. Der Journalist forderte den Verlag im Jahr 2010 auf, die Einstellung seiner Texte in das elektronische Archiv zu unterlassen und eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Daraufhin löschte der Verlag zwar die Texte des Journalisten aus dem Online-Angebot, gab jedoch die geforderte Erklärung mit Hinweis auf das Vorliegen einer konkludenten Einwilligung des Journalisten nicht ab. Der Journalist nahm den Verlag daraufhin im Klagewege auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Brandenburg gab der Klage des Journalisten – im Gegensatz zur Vorinstanz, die die Klage vollständig abgewiesen hatte – hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs statt und wies die Klage im Übrigen ebenfalls ab.

Vertraglich eingeräumte Nutzungsrechte: Das OLG stellte dabei fest, dass der Journalist vom Verlag die Unterlassung gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG verlangen könne, weil die Veröffentlichung der Artikel in einem über das Internet zugänglichen Online-Archiv eine Überschreitung der dem Verlag vertraglich eingeräumten Nutzungsbefugnisse darstelle und somit eine Urheberrechtsverletzung sei. Ausdrücklich habe der Journalist keine Nutzungsrechte für die Veröffentlichung seiner Artikel in einem Online-Archiv eingeräumt, da es an ausdrücklichen Vereinbarungen zum Umfang der eingeräumten Nutzungsrechte fehle. Nach Ansicht des OLG sei daher von dem Vertragszweck und den danach vorausgesetzten Bedürfnissen der Vertragspartner auszugehen. Dieser Vertragszweck rechtfertige jedoch nicht die Annahme einer Rechteeinräumung hinsichtlich der Online-Archiv-Nutzung der Beiträge des Journalisten, denn diese sei zur Erreichung des Vertragszwecks nicht notwendig gewesen.

Vertragszweck bei tagesaktueller Berichterstattung: Das Gericht stellte weiterhin fest, dass die Einstellung von für tagesaktuelle Berichterstattung verfassten Artikeln verfassten Artikeln in ein Online-Archiv neben der tagesaktuellen Online-Veröffentlichung der Artikel ein gesondertes Nutzungsrecht darstelle. Eine konkludente Einräumung von über den Vertragszweck hinausgehenden Nutzungsrechten können allein dann angenommen werden, wenn ein entsprechender Parteiwille aufgrund schlüssigen Verhaltens der Parteien und der Begleitumstände unzweideutig zum Ausdruck komme.


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