Kur oder nur Urlaub: Wann gibt es eine Freistellung inklusive Lohnfortzahlung?

02.11.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Kur,Massage,Beine,Frau,liegend Bekommt ein Arbeitnehmer während einer Kur weiterhin Lohn / Gehalt? © - freepik

Viele Arbeitnehmer brauchen irgendwann eine Reha oder schlicht eine Kur, um ihre Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Muss der Arbeitgeber auch während einer solchen Kur Lohn bzw. Gehalt zahlen?

Normalerweise dürfen Reha-Maßnahmen oder Maßnahmen zur medizinischen Vorsorge nicht auf den Urlaub eines Arbeitnehmers angerechnet werden. Nur: Häufig steckt der Teufel im Detail. So kann es entscheidend sein, in welcher Einrichtung die Kur stattfindet.

Entscheidender Unterschied: Erholungskur oder Erholungsurlaub?


Auf Dauer ist nur ein gesunder Arbeitnehmer leistungsfähig. Nach einer Verletzung können Reha-Maßnahmen notwendig sein. Diese finden häufig in spezialisierten Kliniken statt. Erholungskuren können auch als Vorsorgemaßnahmen dienen, um zum Beispiel eine Überlastung wie etwa einen Burnout zu verhindern. Eine Kur kann sowohl der Wiederherstellung der Arbeitstauglichkeit dienen, als auch der Vorbeugung vor gesundheitlichen Problemen. Hier stellt sich oft die Frage: Wo hört die Kur auf und wo fängt der Erholungsurlaub an? Denn nur für eine aus medizinischer Sicht erforderliche Kur gibt es eine entsprechende Freistellung, die nicht auf den Urlaub angerechnet und für deren Zeit zudem der Lohn weiterhin gezahlt wird. Hinzu kommt noch, dass die Kureinrichtung den Anforderungen des Sozialgesetzbuches entsprechen muss, damit ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht.

Beispiel: Kur beantragt und abgelehnt


Bis vor das Bundesarbeitsgericht kam der Fall einer Köchin, die in Niedersachsen für eine Polizeidirektion arbeitete. Auf das Arbeitsverhältnis der 1958 geborenen Frau wurde der entsprechende Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes angewendet. 2013 hatte die AOK der Frau eine Kostenzusage für eine dreiwöchige ambulante Vorsorgekur auf einer kleinen Nordseeinsel gegeben. Allerdings spielte das Bundesland Niedersachsen als Arbeitgeber dabei nicht mit: Es lehnte den Antrag der Köchin auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Lohns ab. Daraufhin beantragte sie Urlaub für die drei Wochen; dieser wurde ihr gewährt. In ihrem Urlaub fuhr sie zu der Kur - mit 30 Anwendungen von Meerwasserwarmbädern, Bewegungsbädern, Lymphdrainagen, Massagen, Schlickpackungen und täglichem Inhalieren in der Brandungszone.

Nach erfolgreicher Erholung beantragte die Köchin bei ihrem Arbeitgeber, ihr die Tage der Kur als Resturlaub gutzuschreiben. Das Land lehnte dies ab. Nun ging sie vor Gericht. Sie meinte: Arbeitsrechtlich sei die ambulante Kur eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge gewesen. Die dafür aufgewendete Zeit dürfe nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet werden. Obendrein habe sie nach dem Tarifvertrag Anspruch auf Freistellung bei Fortzahlung ihres Lohns gehabt.

Arbeitgeber: keine medizinische Notwendigkeit


Der Arbeitgeber wiederum war der Ansicht, dass die Kur nicht medizinisch notwendig gewesen sei. Die Kur sei nicht in einer ausreichend qualifizierten medizinischen Einrichtung durchgeführt worden. Es habe sich eher um Urlaub gehandelt. Der Tarifvertrag erlaube keine Freistellung mit Lohnfortzahlung für ambulante Kuren.

Wie hat das BAG zur Lohnfortzahlung während einer Kur geurteilt?


Die Köchin scheiterte mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Oldenburg und dem Landesarbeitsgericht in Hannover. Zuletzt lehnte auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) ihr Ansinnen ab (Urteil vom 25.5.2016, Az. 5 AZR 298/15). § 10 Bundesurlaubsgesetz schreibe zwar vor, dass Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nicht auf den Urlaub angerechnet werden dürften, soweit ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestünde. Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei aber, dass die vom Träger der Sozialversicherung bewilligte ambulante Vorsorgekur in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt werde. Damit seien nur Einrichtungen gemeint, die den Anforderungen des § 107 Abs. 2 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) gerecht würden.

Diese Regelung nennt Einrichtungen mit stationärer Behandlung und führt außerdem auch solche auf, die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von speziell geschultem Personal darauf ausgerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan zu verbessern. Voraussetzung ist jedoch generell, dass die Patienten in der Einrichtung untergebracht und dort auch verpflegt werden können. Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass eine stationäre Behandlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz nicht mehr Voraussetzung sei. Aber: Das von der Klägerin aufgesuchte Kur- und Wellnesszentrum habe nicht den Ansprüchen des Sozialgesetzbuches entsprochen.

Praxistipp zur Lohnfortzahlung während Kur und Reha


Auch ambulante Kuren können grundsätzlich medizinische Vorsorgemaßnahmen sein. Dann darf der Arbeitgeber diese Zeit nicht auf den Urlaub anrechnen. Es kommt jedoch darauf an, ob die Kureinrichtung den Anforderungen des § 107 Abs. 2 SGB V genügt – zum Beispiel auch hinsichtlich der medizinischen Betreuung der durchgeführten Maßnahmen. Dies sollten Kurwillige vorher rechtzeitig klären. Kommt es zum Rechtsstreit, ist ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht der richtige Ansprechpartner.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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