Wer erbt in einer Patchworkfamilie von wem?

16.03.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Patchworkfamilie,Erbrecht,Testament,Pflichtteil,Stiefkind Bei Patchworkfamilien gibt es viele Besonderheiten beim Thema Erbschaft. © Bu - Anwalt-Suchservice

In Patchworkfamilien leben Paare mit beidseitigen Kindern aus früheren Beziehungen oder Ehen zusammen. Beim Thema Erben kann dies für Probleme sorgen. Ein klares Testament kann helfen.

Heute soll bereits jede zehnte Familie mit Kindern eine Patchworkfamilie sein, auf die der Grundgedanke "einmal heiraten, Kinder bekommen, für immer zusammen", nicht mehr zutrifft. Oft bringt ein neuer Partner seine Kinder mit in eine Beziehung oder es gibt auf beiden Seiten Kinder aus früheren Beziehungen und eigene Kinder des Paares kommen dann hinzu. Einige Paare heiraten neu, andere leben unverheiratet zusammen. Nicht immer ist das deutsche Recht auf solche Lebenskonstruktionen eingestellt. Eine rechtzeitige Vorsorge mit eigenen Regelungen ist zu empfehlen.

Wer erbt nach dem gesetzlichen Erbrecht und wie viel?


Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch erben nur Menschen etwas, die miteinander verwandt sind – wie Eheleute mit Trauschein, gleichgeschlechtliche Paare als eingetragene Lebenspartner, leibliche Nachfahren wie Kinder und Enkel oder die Eltern des Erblassers.

Welchen Anteil vom Erbe Verwandte erhalten, richtet sich nach dem Verwandtschaftsgrad. Als Erben erster Ordnung werden die Kinder und die Enkel angesehen, Erben zweiter Ordnung sind die Eltern und Geschwister des Verstorbenen, Erben dritter Ordnung seine Großeltern sowie Onkel und Tanten. Wenn es einen Verwandten der ersten Ordnung gibt, erben Verwandte der zweiten und dritten Ordnung nichts.

Überlebende Ehepartner (oder eingetragene Lebenspartner) erben neben den Kindern bei gesetzlicher Erbfolge ein Viertel des Nachlasses. Dies gilt auch, wenn es nur ein Kind gibt. Gibt es Verwandte der zweiten Ordnung oder Großeltern, erbt der Ehegatte die Hälfte.

Das gesetzliche Erbrecht von Ehegatten endet erst mit der rechtskräftigen Scheidung. Außerdem endet es, wenn zum Todeszeitpunkt des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung vorlagen und der Erblasser die Scheidung entweder selbst beantragt oder ihr zugestimmt hatte (§ 1933 BGB).

Patchwork: Wer erbt bei einem unverheirateten Paar?


Wenn in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft einer der Partner stirbt, erbt der andere laut Gesetz nichts. Bei den Kindern sind nur die eigenen, leiblichen Kinder des Verstorbenen erbberechtigt. Es spielt keine Rolle, dass ihm oder ihr womöglich die Kinder des Partners aus einer früheren Beziehung genauso ans Herz gewachsen sind.

Existiert noch eine frühere Ehe, die bisher noch nicht geschieden wurde, ist auch die Ehefrau oder der Ehemann aus dieser Ehe erbberechtigt. Dies kann unschöne Folgen haben: Wenn das unverheiratete Paar in einer Immobilie gewohnt hat, die dem verstorbenen Partner gehört hat, wird diese sehr wahrscheinlich verkauft, um Erbanteile des alten Ehepartners bezahlen zu können, mit dem der oder die Verstorbene nur noch auf dem Papier zu tun hatte. Dann verliert der aktuelle Partner seine Wohnung.

Welchen Erbanspruch haben Stiefkinder in der Patchworkfamilie?


Wichtig zu wissen: Stiefkinder haben keinerlei Anspruch auf einen Erbteil oder Pflichtteil. Dass sie jahrelang mit Stiefvater oder Stiefmutter zusammengelebt haben, ändert daran nichts. Nur durch eine Adoption werden sie vor dem Gesetz zu Kindern und damit zu Abkömmlingen und haben einen Erbanspruch.

Wer erbt nach neuer Eheschließung?


Wenn die Partner neu geheiratet haben, ist der neue Ehepartner neben Kindern aus der ersten Ehe des verstorbenen Partners erbberechtigt. Gibt es keine Kinder aus erster Ehe, erben auch entferntere Verwandte. Hier kann es zu Konflikten kommen, weil die Verwandtschaft womöglich den neuen Ehepartner oder die neue Ehepartnerin noch nicht akzeptiert hat. Streit entsteht häufig auch, wenn ein Betrieb oder eine Immobilie zum Nachlass gehören. Der Umgang mit solchen Vermögenswerten ist oft umstritten: Soll man das Haus oder die Firma behalten oder verkaufen? Bis zur Aufteilung des Nachlasses besteht bei mehreren Erben eine Erbengemeinschaft, die den Nachlass gemeinsam verwalten muss. Dies ist nicht immer einfach.

Beispiel: Zwei Kinder aus erster Ehe und Ehegatte


Gibt es beispielsweise zwei Kinder aus erster Ehe, bekommt der überlebende Ehegatte ein Viertel der Erbschaft, die beiden Kinder teilen sich den Rest. Wenn zwischen den Ehegatten eine Zugewinngemeinschaft galt – also der ganz normale gesetzliche Güterstand – wird der Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel höher. Dies ist in § 1371 BGB geregelt und nennt sich Zugewinnausgleich im Todesfall. Der Überlebende erhält also die Hälfte und die beiden Kinder aus erster Ehe je ein Viertel des Nachlasses.

Beispiel: Eltern und Ehegatte


Vielleicht gibt es auch gar keine Kinder, aber die Eltern des Verstorbenen leben noch. Diese sind Erben der zweiten Ordnung. Dann bekommt der überlebende Ehegatte die Hälfte des Nachlasses. Die andere Hälfte bekommen die Eltern des Verstorbenen. Wichtig ist auch hier der Güterstand der Ehe: Gab es keinen anderslautenden Ehevertrag und lebte das Paar in Zugewinngemeinschaft, erhält der überlebende Ehegatte zusätzlich ein Viertel des Nachlasses als Zugewinnausgleich im Todesfall. Insgesamt bekommt er also drei Viertel und die Eltern des Erblassers müssen sich ein Viertel der Erbschaft teilen.

Patchworkfamilie: Welche Möglichkeiten bietet ein Testament?


Mit einem Testament oder Erbvertrag kann man zum Erben bestimmen, wen man möchte. Man ist nicht an die gesetzliche Erbfolge gebunden. Es kann also auch jemand erben, der nicht mit dem Erblasser verwandt oder verheiratet ist, wie etwa ein nicht ehelicher Partner oder ein Stiefkind. Aber: Die Verwandten haben immer noch Anspruch auf ihren gesetzlichen Pflichtteil.

In einem gemeinschaftlichen Testament können sich Ehepartner gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Verwandte können einen Pflichtteil einfordern. Beliebt ist das sogenannte Berliner Testament. Dabei setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein und ihre Kinder zu Erben des Ehepartners, der zuletzt verstirbt. Durch Regelungen im Testament kann verhindert werden, dass die Kinder schon nach dem ersten Todesfall ihren Pflichtteil verlangen und so zum Beispiel den Verkauf des Hauses auslösen, in dem der andere Ehepartner noch wohnt.

Ein Testament kann auch bestimmte Personen vom Erbe ausschließen. Wenn es sich um gesetzliche Erben handelt, erhalten diese jedoch einen Pflichtteil. In bestimmten Sonderfällen kann ihnen auch der Pflichtteil versagt werden, etwa bei Straftaten gegen den Erblasser oder bestimmten Fällen von langfristigem Kontaktabbruch.

Was muss man über den Pflichtteil wissen?


Der Pflichtteil gibt einem gesetzlichen Erben, der laut Testament nichts erben soll, einen Geldanspruch gegen den testamentarischen Erben. Ein Pflichtteilsberechtigter ist also kein Miterbe. Er gehört nicht zur Erbengemeinschaft und hat nicht darüber zu bestimmen, was mit einer Immobilie oder Firma passiert.
Die Höhe der Pflichtteile legt das Gesetz fest. Sie beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Oft ist jedoch im Nachlass nicht genug flüssiges Geld vorhanden, um die Pflichtteilsberechtigten auszuzahlen. Dann muss womöglich eine selbst bewohnte Immobilie verkauft oder gar zwangsversteigert werden.

Neue Patchworkfamilie, überholtes Testament


Testament oder Erbvertrag werden oft genutzt, um Ehepartner finanziell abzusichern. Allerdings wird bei einer Trennung oder Scheidung oft schlicht vergessen, diese Schriftstücke zu ändern. So mancher geht auch davon aus, dass sie nach der Scheidung automatisch ungültig werden. Insbesondere bei einem einseitigen Testament (also keinem gemeinschaftlichen Testament auf Gegenseitigkeitsbasis) ist dies jedoch nicht der Fall. Einseitige Testamente sollte man also unbedingt an die neue Situation anpassen.

Komplizierter ist es bei einem Erbvertrag. Änderungen sind grundsätzlich nur zu Lebzeiten der Vertragspartner möglich, nämlich durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Vertragspartner. Ein einseitiger Rücktritt ist meist nur möglich, wenn man sich diesen im Erbvertrag vorbehalten hat.

Wird ein gemeinsames Testament nach einer Scheidung ungültig?


Haben Ehepartner ein gemeinschaftliches Testament aufgesetzt, wird dieses durch eine Scheidung unwirksam. Dies gilt auch, wenn die Voraussetzungen für eine Scheidung gegeben sind (also das Trennungsjahr) und wenn einer der beiden Partner die Scheidung beantragt und der andere zustimmt. Dem Oberlandesgericht Oldenburg zufolge ändert daran auch ein noch laufendes Mediationsverfahren nichts, wenn einer der Ehegatten stirbt. Gesetzliche Grundlage dafür sind die §§ 2268, 2077 BGB. Im verhandelten Fall hatte der verstorbene Ehemann seine Adoptivtochter mit einem neuen Testament zur Alleinerbin gemacht. Diese erbte nun anstelle der Ehefrau (Beschluss vom 26.9.2018, Az. 3 W 71/18).

Wie widerruft man ein gemeinsames Testament aus einer früheren Ehe?


Ein gemeinschaftliches Testament aus einer früheren Ehe – etwa ein Berliner Testament – kann man nicht ohne Weiteres widerrufen, weil man einen neuen Partner hat. Der entscheidende Punkt dabei sind die sogenannten wechselbezüglichen Verfügungen. Das sind gegenseitige Erbeinsetzungen der Ehegatten, also Verfügungen, die voneinander abhängen. Diese sollten im Testament als solche gekennzeichnet werden. Sie können nicht einfach durch ein einseitiges neues Testament abgeändert werden. Aber: Eine einverständliche Änderung zu Lebzeiten ist möglich.

Solange noch keiner der Ehepartner verstorben ist, kann man eine wechselbezügliche Verfügung auch widerrufen. Man muss nur in Kauf nehmen, dass man damit die entsprechende "Gegenleistung" verliert. Ein solcher einseitiger Widerruf ist durch eine notariell beurkundete und dem Ehepartner zugestellte Erklärung möglich (§ 2271 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Nach dem Tod eines der Ehepartner kann eine wechselbezügliche Verfügung nur widerrufen werden, wenn der Überlebende die Erbschaft ausschlägt.

Praxistipp zum Erben in Patchworkfamilien


Partner nicht ehelicher Lebensgemeinschaften sollten alte Verfügungen so weit wie möglich widerrufen und eigene, neue Regelungen treffen, um die gesetzliche Erbfolge auszuschließen. Dies können ein Testament oder ein Erbvertrag sein. So kann der neue Partner oder die neue Partnerin in der Patchworkfamilie finanziell abgesichert werden. Eine Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht hilft Ihnen, die richtige Lösung für Ihre Familie zu finden.

(Bu)


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 Stephan Buch
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