Erbrecht – aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung Teil III

05.09.2015, Autor: Herr Michael Wemmer / Lesedauer ca. 5 Min. (447 mal gelesen)
Diese Übersicht enthält einige Entscheidungen, die aus unserer Sicht für die Praxis und die Entwicklung des Rechts von Bedeutung sind. Auf Anfrage stellen wir Ihnen gerne den vollständigen Urteilstext, soweit vorhanden, zur Verfügung.

Schlüssige Annahme der Erbschaft durch Abschluss eines Aufteilungsvertrages

In dem Abschluss eines Aufteilungsvertrages mit den Miterben kann eine schlüssige Annahme der Erbschaft liegen. Eine anschließende Erbschaftsausschlagung ist nur unter den Voraussetzungen des §§ 1954 BGB möglich.

Der Umstand, dass im Hinblick auf ein laufendes Restschuldbefreiungsverfahren die damit bestehende Obliegenheit zur Abführung der Hälfte des Erbes an den Treuhänder, die Vereinbarung nicht offen gelegt wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

OLG Köln, Beschluss vom 19.08.2014, 2 Wx 213/14



Bindung des überlebenden Vertragspartners an die Erbeinsetzung seines eigenen Kindes

Der überlebende Vertragspartner eines Erbvertrages kann im Einzelfall an die Erbeinsetzungen eines seine eigenen Kinder gebunden sein, das mehrere Jahre im gemeinsamen Haushalt gelebt und dem vorverstorbenen Vertragspartner besonders nahe gestanden hat.

OLG München, Beschluss vom 03.11.2014, 31 Wx 280/14



Darlehenskündigung gegenüber einem Miterben durch Mehrheitsbeschluss

Stellt sich die Kündigung eines Darlehens gegenüber einem Miterben als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung dar, bedarf es dafür nicht der Einstimmigkeitsvoraussetzung des § 2040 BGB. Sie kann vielmehr nach den §§ 2038 Absatz 2, 745 BGB, mit Stimmenmehrheit der Erbengemeinschaft beschlossen werden.

OLG Schleswig, Urteil vom 18.09.2014, 3 U 82/13



Unwirksame Bestimmung des Erben durch einen Dritten

Die testamentarische Anordnung „wer mir in den letzten Stunden beisteht, übergebe ich alles„, ist nicht hinreichend bestimmt und enthält keine wirksame Bestimmung eines Erben durch den Erblasser.

OLG Köln, Beschluss vom 09.07.2014, 2 Wx 188/14



Die Anfechtung der Anfechtung der Erbschaftsannahme

Bei der Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist sind für die Kausalitätsprüfung des Irrtums für den hypothetischen Kausalverlauf die dem Anfechtenden zum Zeitpunkt des Fristablaufs bekannten und darüber hinaus die für ihn damals mit zumutbarer Anstrengung erfahrenen Umstände zu Grunde zu legen, nicht jedoch die erst wesentlich später bekannt gewordenen Tatsachen, die zu der weiteren Anfechtung dieser Anfechtungserklärung geführt haben.

Für diese zweite Anfechtung gelten die Fristen des § 121 BGB, nicht die längeren Fristen des § 1954 BGB. Die Anfechtung der Anfechtung muss daher ohne „schuldhaftes Zögern“ erfolgen.

KG Berlin, Beschluss vom 28.11.2014, 6 W 140/14



Ersatzerbenstellung beim bindend gewordenen gemeinschaftlichen Ehegattentestament

Ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben einsetzen, erlangt mit dem Tod des Erstversterbenden regelmäßig Bindungswirkung, weil die Verfügungen sich insoweit als wechselbezüglich darstellen, als der eine Ehegatte den anderen nur deshalb zum Alleinerben einsetzt, weil dieser die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben bestimmt. Denn ein Ehegatte wird die durch die Einsetzung des anderen Ehegatten zum Alleinerben verbundene Enterbung der gemeinsamen Kinder regelmäßig nur deshalb in Kauf nehmen, weil der andere Ehegatte sie zugleich als Schlusserben einsetzt und so sichergestellt ist, dass die Kinder zumindest im zweiten Erbgang am Familienvermögen teilhaben können.

Durch das Versterben eines als Schlusserben eingesetzten Kindes nach dem Tod des Erstversterbenden, aber vor Eintritt des Schlusserbfalls, entfällt die Bindungswirkung zu Gunsten eines Ersatzerben, wenn sich dessen Berufung nicht aufgrund einer individuellen Auslegung des Testaments ermitteln lässt, sondern nur auf der Zweifelsregelung des §§ 2069 BGB beruht.

KG Berlin, Beschluss vom 19.12.2014, 6 W 155/14



Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments nach Wiederverheiratung

Die Bestimmung von Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, dass ihre Verfügungen auch für den Fall der Ehescheidung gelten sollen, lässt nicht den Schluss darauf zu, dass die Verfügung auch für den Fall der Wiederverheiratung eines Ehegatten fortbestehen sollte.

Die Anfechtung der Verfügung im gemeinschaftliches Testament durch den zweiten Ehegatten ist nicht davon abhängig, dass die Anfechtung zu Wirksamkeit einer späteren testamentarischen Erbeinsetzung des zweiten Ehegatten führt.

OLG Hamm, Beschluss vom 28.10.2014, I-15 W 14/14



Mutmaßliche Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht?

Beruft sich die beklagte Versicherung im Rechtsstreit um die Todesfallleistungen aus einer Lebensversicherung nach erklärter Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung zum Nachweis der von ihr behaupteten bewusst falschen Beantwortung vom Gesundheitsfragen durch den Versicherten im Antragsformular auf das Zeugnis des Hausarztes des mittlerweile Verstorbenen, ist von einer mutmaßlichen Entbindung des Arztes von seiner Schweigepflicht nicht auszugehen, weshalb der Arzt zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist. Ein Interesse des Verstorbenen an der Aussage des Zeugen besteht nicht. Wurden Gesundheitsfragen wahrheitswidrig beantwortet, geht sein Interesse vielmehr gerade dahin, dies nicht im Rahmen einer Beweisaufnahme zu offenbaren.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.09.2014, 12 W 37/14



Anforderungen an die Erbunwürdigkeit bei versuchter Tötung des Erblassers

Erbunwürdig ist auch der Erbe, der versucht, den seit Jahren nicht mehr geschäftsfähigen Erblasser zu töten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Erblasser keine Patientenverfügung hinterlassen hat, keine Tötung auf Verlangen gemäß § 116 StGB vorliegt, der Erbe nicht das Verfahren nach §§ 1901 a ff. BGB eingehalten hat und sich auch sonst kein tatsächlich geäußerter Wille des Erblassers zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ermitteln lässt.

Erbunwürdigkeit setzt in den Fällen des §§ 2339 Absatz 1 Nr. 1 BGB Schuldfähigkeit des Handelnden voraus.

BGH, Urteil vom 11.03.2015, IV ZR 400/14



Verwirkung einer testamentarischen Pflichtteilsstrafklausel

Nimmt ein Abkömmling, der zunächst seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat, bei Erlangung der Kenntnis von einer testamentarischen Pflichtteilsstrafklausel von der Verfolgung seines Anspruchs umgehend Abstand, ist die Pflichtteilsstrafklausel nicht verwirkt.

OLG Rostock, Beschluss vom 11.12.2014, 3 W 138/13





Auslegung eines schriftlichen Testaments

Wendet der juristisch nicht vorgebildete Erblasser den zwar gegenständlich aufgegliederten, hierbei aber erschöpften Nachlass durch Testament einer Person zu („… Ich vermache sämtliche Sachgüter in dieser Wohnung … H. mein gesamtes Bargeld ebenso. Sie weiß, wo dieses zu finden ist. Die Summe beläuft sich auf 49.000,00 Euro.“), so ist H. als Alleinerbin anzusehen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.03.2015, I-3 Wx 197,14



Die Errichtung eines Nottestaments

Die Niederschrift eines Nottestaments ist auch dann wirksam errichtet, wenn die von dem Erblasser allein unterschriebene und genehmigte Erklärung zusammen mit der auf einem gesonderten Blatt von einem Testamentszeugen niedergelegten und von diesem unterschriebenen Erklärung eine einheitliche Urkunde bildet.

OLG München, Beschluss vom 12.05.2015, 31 Wx 81/15



Wert eines Miteigentumsanteils im Pflichtteilsrecht

Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils. Eine bestimmte Wertberechnungsmethode für die Ermittlung des Nachlasswerts ist nicht vorgeschrieben. Hat ein Verkauf nicht stattgefunden und fehlt es an einem gängigen Marktpreis für den Nachlassgegenstand, muss der Wert geschätzt werden. Da das Gesetz keine Bewertungsmethode vorschreibt, obliegt die sachgerechte Auswahl dem Tatrichter. In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass bei einem halben Miteigentumsanteil einer vom anderen Miteigentümer eigengenutzten Immobilie in aller Regel nicht der halbe Verkehrswert des Grundstücks samt Gebäude anzusetzen sei. Der Senat vertritt dagegen die Auffassung, dass der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils jedenfalls dann dem hälftigen Wert der Immobilie insgesamt entspreche, wenn der bisherige Eigentümer der einen ideellen Hälfte mit dem Erbfall auch die andere Hälfte des Eigentums erlangt. Eine Verwertung des Miteigentums an einer Immobilien ist mit dem Erbfall bei dieser Sachlage problemlos möglich und es sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, einen Abschlag vorzunehmen.

BGH, Urteil vom 13.05.2015, IV ZR 138/14