Filesharing: Haftung des Anschlussinhabers bei illegalem Hochladen durch WG-Mitbewohner?

17.08.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Filesharing,Anschlussinhaber,Wohngemeinschaft,Urheberrecht Abmahnungen wegen Filesharing können teuer sein. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Störerhaftung: Der Anschlussinhaber kann für Urheberrechtsverletzungen beim Filesharing als "Störer" haften, selbst wenn er selbst nicht direkt am Verstoß beteiligt war. Diese Haftung ergibt sich aus der Pflicht, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechtsverletzung zu verhindern oder einzudämmen.

2. Sorgfaltspflichten: Anschlussinhaber müssen angemessene Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, um unbefugte Nutzung ihres Internetanschlusses zu verhindern. Dazu gehört beispielsweise die Verwendung von Passwörtern und Verschlüsselungstechnologien, um den Zugang zu kontrollieren.

3. Abmahnungen und Schadensersatz: Bei einer nachgewiesenen Urheberrechtsverletzung durch Filesharing kann der Anschlussinhaber abgemahnt werden. Er kann verpflichtet sein, Schadensersatz an den Rechteinhaber zu zahlen, wenn keine ausreichenden Schutzmaßnahmen ergriffen wurden oder der Verstoß nicht unterbunden wurde.
Abmahnungen für illegales Filesharing haben in letzter Zeit abgenommen, finden aber tatsächlich immer noch statt. Der Schwerpunkt verschiebt sich dabei zunehmend auf Bereiche, die nicht von großen Streaminganbietern abgedeckt werden, wie etwa Computerspiele. Nach wie vor stellt sich dabei jedoch oft die Frage, ob der Betreffende die Urheberrechtsverletzung überhaupt begangen hat. Gerade bei volljährigen Mitbewohnern innerhalb einer Wohngemeinschaft kann genauso gut jemand anders in der Tauschbörse aktiv gewesen sein. Haftet dann der Anschlussinhaber?

Wie kommt es zur Abmahnung in einer WG?


Häufig ist eine Wohngemeinschaft so organisiert, dass eine Person die Wohnung mietet und dann einzelne Zimmer an andere untervermietet. Diese dürfen die Gemeinschaftseinrichtungen – Bad, Küche, Telefonanschluss – mitbenutzen.

Wenn sich nun jemand innerhalb der WG zum Beispiel einen Film aus einer Tauschbörse herunterlädt, wird dieser automatisch auch anderen Nutzern zum Download angeboten. Dies stellt eine Urheberrechtsverletzung dar. Mit Hilfe geeigneter Software kann ermittelt werden, von welcher IP-Adresse ein solcher Verstoß ausgegangen ist. Über die IP-Adresse kann über den Provider des Internetanschlusses die Anschrift des Anschlussinhabers herausgefunden werden.

Dann bekommt der Anschlussinhaber eine Abmahnung, einschließlich zu unterschreibender Unterlassungserklärung, Gebührenforderung des Anwalts und Schadensersatzforderung für die Urheberrechtsverletzung. Auch die Ermittlungskosten können berechnet werden. Das Problem: In einer Wohngemeinschaft muss der Anschlussinhaber nicht unbedingt mit der Person identisch sein, welche die Urheberrechtsverletzung begangen hat.

Wer haftet für die Urheberrechtsverletzung per Filesharing?


Unter Umständen haftet der Anschlussinhaber tatsächlich für die Urheberrechtsverletzung, obwohl er sie nicht begangen hat. Wenn nachgewiesen ist, dass die Urheberrechtsverletzung von seinem Anschluss aus erfolgte, kann davon ausgegangen werden, dass er selbst sie begangen hat – wenn er diese Vermutung nicht entkräftet. Wichtig ist hier also, wer was zu beweisen hat.

Welche Beweise sind von wem zu erbringen?


Für Filesharing-Fälle hat der Bundesgerichtshof ein zweistufiges Darlegungs- und Beweisschema entwickelt. Dabei muss in einem ersten Schritt der klagende Rechteinhaber darlegen und nachweisen, dass die Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat und dass sie vom Anschluss des Betreffenden ausging. Wenn dies durch Ermittlungsergebnisse und Providerauskünfte nachgewiesen ist, gilt eine sogenannte "tatsächliche Vermutung" dafür, dass der Anschlussinhaber selbst die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Damit gilt er als verantwortlich.

Allerdings kann er sich im zweiten Schritt entlasten. Dazu muss er die Vermutung, dass er der Täter ist, ausreichend erschüttern – er braucht sie nicht zu widerlegen. Rechtlich spricht man hier von sekundärer Darlegungslast. Was bedeutet das in praktischer Hinsicht?

Wer haftet, wenn ein WG-Mitbewohner das Filesharing zugibt


Das Landgericht Flensburg befasste sich mit einem Fall, in dem ein Anschlussinhaber für das illegale Hochladen eines Filmes durch einen früheren WG-Mitbewohner zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Sein niederländischer Mitbewohner und Untermieter hatte zugegeben, den Film über einen Bit-Torrent-Client angeschaut zu haben. Dabei war der Film auch anderen Nutzern zum Download angeboten worden. Der Internetanschluss der WG lief auf den Namen des Hauptmieters. Der Rechteinhaber forderte für die Urheberrechtsverletzung 400 Euro Schadensersatz, plus 100 Euro Ermittlungskosten und 865 Euro Anwaltsgebühren.

Das Gericht wies die Klage ab. Der Beklagte habe die Vermutung, dass er selbst den Film illegal verbreitet hätte, ausreichend erschüttert. Er habe seine sekundäre Darlegungslast dadurch erfüllt, dass er seinen Mitbewohner mit ladungsfähiger Anschrift als möglichen Täter der Urheberrechtsverletzung genannt habe.
Er hafte auch nicht als Tatbeteiligter, nur weil er dem Untermieter den Telefonanschluss zur Verfügung gestellt habe. Das Zurverfügungstellen von Computer und Anschluss sei üblich und erlaubt, solange der Hauptmieter keinen Grund gehabt habe, mit einer Rechtsverletzung durch den Mitbewohner zu rechnen.

Das Gericht lehnte auch eine sogenannte Störerhaftung ab. Bei dieser haftet man dafür, dass man die Urheberrechtsverletzung gefördert hat – etwa, indem man jemand anderem die Mittel an die Hand gegeben hat, diese zu begehen (wie den Telefonanschluss). Eine solche Haftung setze die Verletzung von Pflichten voraus. Dies könne zum Beispiel die Pflicht sein, den anderen darüber zu belehren, was er mit dem Internetanschluss tun dürfe und was nicht.

Das Gericht betonte jedoch, dass der Hauptmieter in einer Wohngemeinschaft aus Volljährigen nicht dazu verpflichtet ist, seine Mitbewohner darüber zu belehren, dass Filesharing illegal ist. Daher wies das Gericht die Klage in vollem Umfang ab (LG Flensburg, 27.5.2016, Az. 8 S 48/15).

Übrigens bestätigte auch der Bundesgerichtshof 2016 in einem anderen Fall: Ein Wohnungsinhaber hat keine Belehrungspflicht gegenüber volljährigen Gästen oder WG-Mitbewohnern in Sachen Filesharing (Urteil vom 12.5.2016, Az. I ZR 86/15).

Wann erfüllt der Anschlussinhaber seine sekundäre Darlegungslast nicht?


2017 entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Vater für die Urheberrechtsverletzung zahlen musste, die eines seiner drei erwachsenen Kinder mit Hilfe seines Anschlusses begangen hatte. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Unterschied zum oben dargestellten Fall: Hier verweigerte der Vater seine Mitwirkung bei der Beweisfindung. Er gab zwar zu, zu wissen, welches erwachsene Kind den Download durchgeführt hatte, wollte aber keinen Namen nennen. Damit genügte er seiner sogenannten sekundären Darlegungslast nicht und musste zahlen. Die familiäre Verbundenheit unter den Beteiligten half hier nicht weiter (BGH, 30.3.2017, Az. I ZR 19/16).

Filesharing: Haftung des Anschlussinhabers trotz bekannten Täters?


Das Amtsgericht Halle an der Saale entschied im Fall einer Dreier-WG ähnlich wie das Landgericht Flensburg. Hier war ebenfalls der Anschlussinhaber abgemahnt worden. Seinen Internetanschluss nutzten außer ihm aber auch noch zwei volljährige Berufsschulkolleginnen, mit denen er in einer Wohngemeinschaft wohnte. Eine der jungen Frauen gab sogar zu, den Film "New Moon – Biss zur Mittagsstunde" heruntergeladen zu haben. Dem Gericht zufolge war der junge Mann damit seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen: Er habe eine andere Person namentlich als mögliche Täterin benennen können. Damit hafte er selbst nicht.

Eine Störerhaftung komme nicht in Betracht: Für diese reiche es nicht aus, wenn man im Rahmen einer Wohngemeinschaft seinen Anschluss den Mitbewohnern zur Verfügung stelle (AG Halle/Saale, 29.7.2016, Az. 91 C 1118/15).

Muss der Täter vom Anschlussinhaber außergerichtlich benannt werden?


Ein interessantes Urteil fällte der BGH auch 2020. Daraus ergibt sich, dass der abgemahnte Anschlussinhaber erst im Prozess, also vor Gericht, verpflichtet ist, den wahren Schuldigen anzugeben. Außergerichtlich muss er dazu nichts sagen. Im Fall hatte der Sohn einer Untermieterin Filesharing über den Anschluss des Hauptmieters betrieben. Das Gericht betonte, dass der Anschlussinhaber hier nicht die Prozesskosten bezahlen müsse, da er nichts falsch gemacht habe.

Für den Abmahner bzw. Rechteinhaber ist dies natürlich von Nachteil: Er muss zuerst den Anschlussinhaber verklagen und erfährt im Prozess, dass dieser unschuldig ist. Das heißt: Der Abmahner verliert diesen Prozess und muss die Prozesskosten bezahlen. Dann kann er den wahren Täter in einem neuen Prozess verklagen, was die Sache insgesamt deutlich kostenintensiver macht (Urteil vom 17.12.2020, Az. I ZR 228/19).

Sind die Abmahnkosten beim Filesharing gesetzlich gedeckelt?


Dass Gerichtsprozesse wegen Filesharing abgenommen haben, liegt nicht zuletzt daran, dass die Abmahnkosten bzw. der für solche Fälle anzusetzende Streitwert mittlerweile gesetzlich gedeckelt wurden. In Deutschland findet sich die entsprechende Regelung in § 97a Urheberrechtsgesetz. Der Streitwert ist auf 1.000 Euro begrenzt und damit können Anwälte für die Abmahnung höchstens 160 Euro abrechnen. Hinzu kommen ggf. Schadensersatz und Ermittlungskosten.

Praxistipp zum Filesharing


Innerhalb einer Wohngemeinschaft kann es im Zweifel nicht schaden, die Mitbewohner darauf hinzuweisen, dass Filesharing illegal ist und unterbleiben muss. Bei Abmahnungen ist eine schnelle Reaktion wichtig. Ein Fachanwalt für Urheberrecht kann die geltend gemachten Ansprüche prüfen. Nicht immer sind diese berechtigt.

(Bu)


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 Stephan Buch
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