Fluggastrechte bei Annullierung eines Fluges

11.05.2015, Autor: Herr Michael Habeck / Lesedauer ca. 5 Min. (393 mal gelesen)
Ihre Rechte und was zu tun ist, wenn Sie von einer Annullierung Ihres Fluges betroffen sind!

Ihre Rechte und Ihre Ansprüche

Annullierung bedeutet Nichtdurchführung des geplanten Fluges, für den ein Platz gebucht war.

Flug meint grundsätzlich das einzelne Direktflugsegment von A nach B. Bei Hin- und Rückflug oder Umsteigeverbindungen liegen also demnach mehrere getrennt zu betrachtende Segmente vor. Die Rechtsprechung ist bei der Definition gleichwohl uneinheitlich, so dass in einigen Sonderfällen auch Umsteigeverbindungen als ein einheitlicher maßgeblicher Flug betrachtet werden können.

Liegt der Abflugort des betroffenen Flugsegmentes (geschäftlich, privat, Charter, Linie, Ferienflug, Teil einer Pauschalreise oder Prämienflug) entweder

- an einem Flughafen in der EU, egal wer den Flug durchführt (z.B. Lufthansa oder Air China von Frankfurt nach Peking) oder

-außerhalb der EU und führt zu einem Ziel in der EU und wird von einer Gesellschaft mit Sitz in der EU durchgeführt (z.B. Lufthansa von Peking nach Frankfurt, nicht aber Air China!)

so haben Fluggäste nach der Verordnung (EG) Nr. 261/04 über Fluggastrechte insbesondere die nachfolgenden Ansprüche:

Betreuungsleistungen:

Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit. Bei erforderlichem längeren Nachtaufenthalt auch Unterbringung in einem Hotel mit Transfer. Zudem muss Kommunikation ermöglicht werden (Alternativ 2x E-Mail, Fax- oder Telefonverbindung). Die vorgenannten Ansprüche bestehen immer bei Annullierungen, also auch wenn sogenannte außergewöhnliche Umstände vorliegen, wie z.B. Unwetter oder Streik.

Unterstützungsleistungen:

Betroffenen ist eine anderweitige Beförderung zum Zielort (ggf. auch mit fremder Gesellschaft, Mietwagen, Bahn etc.) anzubieten und zwar nach Wunsch mit der frühestmöglichen Alternativverbindung oder mit einer Verbindung zu einem späteren Zeitpunkt. Alternativ können Betroffene den Rücktransport zum ersten Abflugort mitsamt der Erstattung des Flugpreises verlangen. Die vorgenannten Ansprüche bestehen immer bei Annullierungen, also auch wenn sogenannte außergewöhnliche Umstände vorliegen, wie z.B. Unwetter oder Streik.

Ausgleichszahlung:

Grundsätzlich steht Betroffenen in Abhängigkeit der Flugstrecke ein pauschaler finanzieller Ausgleich von EUR 250,00, EUR 400,00 oder EUR 600 zu. Niedrigere Beträge können sich ausnahmsweise ergeben, wenn die Information über die Annullierung frühzeitig (also nicht erst am Flughafen) im Voraus erfolgt ist und eine Ersatzverbindung ohne großen Zeitverlust angeboten wurde.

Der Anspruch besteht nicht, wenn die Fluggesellschaft nachweist, dass unvermeidbare außergewöhnliche Umstände vorliegen. Das kann wiederum nur der Fall sein, wenn die Umstände nicht in die beherrschbare betriebliche Sphäre der Fluggesellschaft fallen, also z.B. bei einem Fluglotsenstreik oder einem unangekündigten Streik des eigenen Personals, bei Unwetter, unerwarteter politischer Instabilität usw.

Fehlende Wirtschaftlichkeit des Fluges oder technische Defekte sind in der Regel keine solchen vermeidbaren außergewöhnlichen Umstände, weil Fluggesellschaften entsprechenden Risiken mit zumutbaren Maßnahmen vorbeugen können. Es muss also eine Ausgleichszahlung erfolgen.
Einzelheiten zu all diesen Ansprüchen können folgender PDF-Übersicht zu den Fluggastrechten nach EU-Recht entnommen werden:



Achtung: Hat die Fluggesellschaft keine Betreuungs- oder Unterstützungsleistungen erbracht und sind Betroffene deshalb in Vorleistung gegangen, so besteht die Pflicht der Fluggesellschaft zum Schadensersatz insoweit zusätzlich zu einer etwaig zu zahlenden Ausgleichszahlung. Eine Anrechnung erfolgt zu Gunsten der Betroffenen also ausnahmsweise nicht, da die Betreuungs- und Unterstützungsleistungen schon originär neben einer Ausgleichszahlung zu erbringen sind.

Nicht nur das EU-Recht schützt Fluggäste!

Insbesondere bei Pauschalreisen oder wenn die europäische Fluggastrechteverordnung nicht anwendbar ist - so im obigen Beispiel bei Flügen einer Gesellschaft ohne Sitz in der EU in die EU oder auf Flugsegmenten außerhalb der EU - kann u.U. auf andere Regelungen zurückgegriffen werden:

Führt die Annullierung im Rahmen einer Pauschalreise zu Unannehmlichkeiten oder Schäden wie z.B. vertaner Urlaubszeit oder nutzlosen Hotel- oder Mietwagenkosten, so können auch Ansprüche nach den reiserechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestehen.

Weitergehende oder ergänzende Ansprüche können auch nach dem Montrealer Übereinkommen oder den werkvertraglichen Vorschriften des BGB bestehen, z.B. bei einer aus der Annullierung letztlich folgenden Ankunftsverspätung am Zielort (ab 2, 3, 4 Stunden - je nach Flugstreckenlänge) oder aber bei konkret nachweisbaren Schäden, die betragsmäßig über o.g. Ausgleichszahlungen hinausgehen.

Mehrfacher Schadensersatz aufgrund verschiedener Rechtsgrundlagen ist aber in der Regel nicht möglich - meist erfolgt eine Anrechnung der verschiedenen Ersatzansprüche.


Was tun im Fall der Fälle?

Verbindliche Ratschläge können grundsätzlich erst in einem Mandatsverhältnis erteilt werden! Trotz unterschiedlicher Einzelfallkonstellationen gilt generell:

Nachweise sind das A und O! Ist der Grund der Annullierung nicht klar, so sollte noch am Flughafen bei der Fluggesellschaft nach dem Grund für die Annullierung gefragt werden. Es schadet nicht, sich eine schriftliche Bestätigung geben zu lassen. Ggf. können andere Mitreisende als Zeugen hinzugezogen werden (Kontaktdaten notieren!). Hilft die Fluggesellschaft nicht weiter, kann ggf. die Flughafeninformation weiterhelfen. Fluggäste, die erst an Bord von der Annullierung erfahren, sollten besonders auf Durchsagen achten, denn die Crew sitzt "an der Quelle" und informiert oft detailreicher als Mitarbeiter am Schalter.

Ein Foto kann hilfreich sein, wenn eine Abfluganzeige die Flugstreichung anzeigt (z.B. "canceled" oder "annulliert"). Beruft sich die Fluggesellschaft vor Ort schon auf bestimmte Umstände (z.B. fehlende Schneeräumung des Vorfeldes, Nebel, dichter Schneefall), so sollten nach Möglichkeit die tatsächlichen Umstände festgestellt werden. Ggf. reicht schon ein Blick (Foto!) aus dem Fenster oder auf die Anzeigetafeln. Ist das Vorfeld tatsächlich nicht geräumt? Herrscht tatsächlich dichter Schneefall? Fliegen andere Gesellschaften bei vergleichbaren Bedingungen? Usw.

Eine Annullierung mit vielen eventuell aufgebrachten Passagieren ist für Fluggesellschaften herausfordernd. Dem sollte angemessen, ruhig und vernünftig begegnet werden. Werden Betroffene aber überhaupt nicht betreut bzw. bei der Planung der Ersatzbeförderung unterstützt, so verpflegen sie sich ggf. selbst und gehen u.U. für einen Ersatzflug oder eine Hotelübernachtung in Vorleistung.

Dann sollten unbedingt Belege, Rechnungen und sonstige Dokumente zum späteren Nachweis aufbewahrt werden. Unverhältnismäßig hohe Vorleistungen müssen jedoch nicht erstattet werden! Eine günstigere Ersatzbahnfahrt kann mitunter eher geboten sein, als ein teurer Mietwagen. Ein teurer Ersatzflug, ggf. auch in einer höheren Klasse, kann jedoch im Einzelfall durchaus geboten sein, z.B. wenn die gebuchte Klasse beim Ersatzflug nicht verfügbar ist und andere Alternativen nicht greifbar sind oder einen unzumutbaren Zeitverlust bedeuten würden. Es kommt leider sehr auf die konkreten Verhältnisse an.

Und weiter?

Anwaltskosten werden häufig nicht erstattet, wenn ein Anspruch offensichtlich besteht und dieser einfach selbst hätte geltend gemacht werden können. Betroffene können sich also zunächst selbst an die Fluggesellschaft wenden, z.B. mit dem hier abrufbaren Musterschreiben:



Wiederum ist ein Nachweis über die Anspruchsanmeldung wichtig! (→ also Postversand per Einschreiben, bei Fax den Sendebericht aufheben oder per E-Mail versenden, da häufig automatische Eingangsbestätigungen erteilt werden).

Nach der Rechtsprechung unterliegen Ansprüche aus dem Fluggastrecht in Deutschland der normalen Verjährung (3 Jahre, in der Regel gerechnet ab Jahresende, siehe §§ 195, 199 BGB). Bei Ansprüchen nach dem Montrealer Übereinkommen gilt eine Klagefrist von zwei Jahren nach Ankunft.

Nicht einschüchtern lassen!

Eine ablehnende oder nicht zufriedenstellende Antwort muss noch lange nicht heißen, dass tatsächlich keine weitergehenden Ansprüche bestehen. Jetzt kann anwaltliche Hilfe ratsam sein!

Rechtsanwalt Michael Habeck steht Ihnen insoweit selbstverständlich gerne zur Verfügung.