Irreführende Werbung mit kinesiologischen Behandlungsverfahren

Autor: Dr. Claudia Böhm, FAin für GewRS, von BOETTICHER Rechtsanwälte, München
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 10/2014
Die Werbung für das Behandlungsverfahren „Kinesiologie” ist unzulässig, wenn in der Werbung nicht erwähnt wird, dass die diesem Verfahren in der Werbung beigelegte Wirkung fachlich umstritten ist.

OLG Hamm, Urt. v. 20.5.2014 - 4 U 57/13

Vorinstanz: LG Münster, Urt. v. 15.3.2013 - 22 O 143/12

HWG § 3; UWG § 5

Das Problem

Die Beklagte bot im Internet u.a. sog. „begleitende Kinesiologie” an und lobte das Behandlungsverfahren mit Angaben wie „Auf sanfte Art werden die Selbstheilungskräfte aktiviert”, „Unterstützung oder Beschleunigung des Genesungsprozesses”, „Linderung bei körperlichen Beschwerden”, „Hilfe bei Allergien, Unverträglichkeiten und toxischen Belastungen” aus bzw. gab hierfür Anwendungsgebiete wie „Migräne”, „Rückenschmerzen”, „Verdauungsprobleme”, „Schlafstörungen”, „Menstruationsschmerzen”, „Depressionen” etc. an. Ein Wettbewerbsverband machte Unterlassung der Angaben wegen Irreführung geltend. Unter Verweis (u.a.) auf ein Handbuch „Die andere Medizin”, das Werk „Praxis Naturheilverfahren” eines Hochschulprofessors und das „Lexikon der Parawissenschaften” trug er vor, die Methode der Kinesiologie habe keine wissenschaftliche Grundlage. Die Beklagte legte demgegenüber Stellungnahmen mehrerer Ärzte vor, in denen sich diese für das Verfahren der Kinesiologie aussprechen und wonach diese das Verfahren mit positiven Erfahrungen anwendeten. Ferner verwies die Beklagte u.a. darauf, dass Kinesiologie am Institut für Sportmedizin und Prävention der Universität Potsdam seit langem gelehrt werde, es wissenschaftlich-medizinische Fachliteratur gebe, die die Wirksamkeit der Kinesiologie bejahe, und auch die deutsche Fußballnationalmannschaft kinesiologisch behandelt werde. Die Beklagte bot zudem für die Richtigkeit ihrer Angaben die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Hamm weist die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG zurück, mit dem die Beklagte zur Unterlassung der Werbeangaben verurteilt worden ist.

Es handele sich um unzulässige irreführende Werbung nach § 3 S. 1, S. 2 Nr. 1 HWG. Die Aussagen bezögen sich (u.a.) auf die Beseitigung bzw. Linderung von Krankheiten, Leiden bzw. krankhaften Beschwerden. Auch werde aus den genannten Anwendungsgebieten deutlich, dass es um die Behandlung von körperlichen und psychischen Beschwerden mit Krankheitswert gehe. Deshalb sei das HWG anwendbar. Selbst wenn man hinsichtlich einiger Anwendungsgebiete einen Krankheitsbezug verneinte, sei jedenfalls § 5 UWG anwendbar.

Die Werbung genüge nicht den auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell geltenden Anforderungen, wonach diese nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Diesen sei nicht genügt, wenn dem Werbenden jegliche gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die Behauptung stützen können. Werde mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben, sei dies unzulässig, wenn die Gegenmeinung in der Werbung nicht erwähnt werde. Zwar trage grundsätzlich der Kläger die Beweislast dafür, dass eine gesundheitsbezogene Werbung nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht; vorliegend sei aber durch die vom Wettbewerbsverband vorgelegten Unterlagen der Nachweis geführt, dass die beanstandeten Angaben jedenfalls wissenschaftlich umstritten sind, weil bspw. dem Handbuch „Die andere Medizin” zu entnehmen sei, dass der bei der Kinesiologie angewandte Muskeltest auf einer Annahme beruhe, die jeglicher wissenschaftlicher Plausibilität entbehre, die therapeutische Wirksamkeit der kinesiologischen Therapie nicht belegt sei etc. Die Beklagte suggeriere in ihrer Werbung, dass die von ihr angebotenen Leistungen zur Linderung der genannten Krankheiten, Leiden bzw. krankhaften Beschwerden beitragen könnten und eine Wirkungsmöglichkeit bestehe; dass dies zumindest von Teilen der medizinischen Wissenschaft nicht anerkannt werde, stelle die Beklagte in der Werbung nicht deutlich heraus. Das OLG nimmt deshalb der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 7.3.1991 – I ZR 127/89, GRUR 1991, 848 [849] – Rheumalind II) folgend eine Umkehr der Beweislast an. Die Beklagte habe den Nachweis, dass ihre Werbebehauptungen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen, nicht geführt. Insoweit sei auch dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen gewesen, denn der in Anspruch genommene Stand der Wissenschaft müsse bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein.


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