Kann ich zuviel gezahlten Unterhalt zurück verlangen?

03.07.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (31816 mal gelesen)
Geldübergabe,Literatur Die Rückforderung von Unterhalt ist nicht einfach © Rh - Anwalt-Suchservice

Häufig bezahlen Unterhaltspflichtige zu viel – zum Beispiel aufgrund von Rechenfehlern oder später korrigierten einstweiligen Anordnungen. In einigen Fällen ist eine Rückforderung möglich.

Immer wieder kommt es vor, dass ein Unterhaltsanspruch falsch berechnet wird. Dies passiert zum Beispiel, wenn die Beteiligten selbst den Trennungsunterhalt berechnen, ohne sich fachkundig beraten zu lassen. Auch aufgrund von einstweiligen Anordnungen gezahlter Unterhalt stellt sich gelegentlich als überhöht heraus. Denn: Die eigentliche Gerichtsverhandlung, in der der Anspruch fachkundig ermittelt und vom Gericht festgestellt wird, folgt ja erst später. Es kommt aber auch vor, dass ein Ex-Partner stillschweigend den Wunsch verspürt, dem anderen helfen zu wollen oder sich nicht allzu geizig zu zeigen. Wenn sich dann im eskalierenden Rechtsstreit die Fronten verhärten, ändert mancher seine Meinung.

Ist eine Rückforderung von gezahltem Unterhalt möglich?


Geforderten Unterhalt kann man prinzipiell zurückverlangen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält mit § 812 eine Vorschrift über die sogenannte „ungerechtfertigte Bereicherung“: Wer etwas ohne Rechtsgrund erhalten hat, muss es dem anderen zurückgeben. Wenn jemand also etwas bezahlt hat, ohne dass der andere überhaupt darauf Anspruch hatte, hat er einen Rückforderungsanspruch.

Welche unterschiedlichen Fallkonstellationen gibt es?


Hier steckt der Teufel aber im Detail: Ohne Weiteres liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung vor, wenn die Gerichtsverhandlung ergibt, dass in der vorangehenden einstweiligen Anordnung vom Ex-Partner ein zu hoher Betrag gefordert und auch bezahlt worden ist. Dann könnte dieser den zu viel gezahlten Betrag zurückfordern.

Beruht der zu viel gezahlte Unterhalt jedoch auf einem vollstreckbaren Titel – also etwa einem Gerichtsurteil oder einem gerichtlichen Vergleich – ist es nicht mehr so einfach. Ein solcher Titel ist erst einmal rechtskräftig. Eine Rückforderung des Geldes ist erst dann möglich, wenn das Gericht ihn abändert. Erst dann entfällt nämlich die rechtliche Grundlage für den zu viel gezahlten Betrag.

Eine solche Abänderung des Titels erlaubt § 323 der Zivilprozessordnung für den Fall, dass ein Gerichtsurteil jemanden zu künftig immer wiederkehrenden Leistungen verpflichtet. Auf Abänderung kann geklagt werden, wenn der Unterhaltsschuldner konkrete Argumente dafür vortragen kann, dass er zu viel bezahlt hat.

Was, wenn der gezahlte Unterhalt schon ausgegeben wurde?


Einer Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung kann der Einwand entgegengesetzt werden, dass das Geld schon verbraucht ist. In diesem Fall ist nämlich eine sogenannte „Entreicherung“ eingetreten. Bei Unterhaltszahlungen ist dies schnell der Fall.

Allerdings nützt das Argument "alles schon weg" dem Betreffenden gar nichts, wenn er oder sie mit der Rückforderung rechnen musste. Dies ergibt sich aus § 818 Absatz 3 und § 819 Absatz 1 BGB. Wurde der Unterhalt allerdings durch ein Gerichtsurteil festgestellt, geht man meist davon aus, dass der gezahlte Unterhalt in gutem Glauben für den Lebensunterhalt ausgegeben wurde.

Allerdings gilt auch: Wer sich auf „Verbrauch“ beruft, muss das auch beweisen können.

Was gilt für freiwillig gezahlten Trennungsunterhalt?


Wenn freiwillig Trennungsunterhalt gezahlt wird – also Unterhalt für die Zeit nach der Trennung und vor der eigentlichen Scheidung – gibt es eine weitere Besonderheit. Für diesen Fall legt das Gesetz in § 1360b BGB nämlich fest, dass im Zweifelsfall davon auszugehen ist, dass der Zahler keine Rückforderung beabsichtigt. Dann musste der Empfänger also nicht mit einer Rückforderung rechnen und kann sich erfolgreich darauf berufen, das Geld bereits ausgegeben zu haben.

Wann kann sich der Unterhaltsempfänger nicht auf "alles ausgegeben" berufen?


Der Einwand der Entreicherung greift nicht, wenn der Betreffende tatsächlich weiß, dass er keinen Anspruch auf Zahlungen in dieser Höhe hat. Dies muss er oder sie aber genau wissen – es reicht nicht aus, wenn man nur die Berechnungsgrundlagen des überhöhten Unterhaltsanspruchs kennt. So etwas zu beweisen, ist für die Gegenseite oft schwierig.

Auch eine bei Gericht eingereichte Klage auf Rückzahlung führt dazu, dass man sich nicht mehr auf „ich habe alles ausgegeben“ berufen kann. Dies gilt allerdings erst von dem Tag an, an dem die Klage eingereicht wurde. Für den Unterhaltsschuldner ist es daher wichtig, möglichst schnell Klage auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Unterhalts einzureichen.

Ist eine Aufrechnung erlaubt?


So mancher Unterhaltsschuldner denkt nun vielleicht, dass er doch einfach den Rückzahlungsanspruch mit den laufenden Unterhaltszahlungen verrechnen kann. Kann man so vielleicht um ein gerichtliches Vorgehen herumkommen?
Nein – dies ist nicht möglich. Begründet wird dies mit der beschränkten Pfändbarkeit von Unterhalt. Mit etwas, das nicht pfändbar ist, kann man in der Regel auch nicht aufrechnen (§ 394 BGB).

Zahlung des Unterhalts unter Vorbehalt oder als Darlehen?


Auch eine Zahlung unter Vorbehalt nützt dem Unterhaltsverpflichteten nichts. Sie löst nicht automatisch einen Rückforderungsanspruch aus oder lässt den Entreicherungseinwand erlöschen.
Zum Teil wird jedoch empfohlen, dem oder der Unterhaltsberechigten die Unterhaltszahlung von Anfang an als zins- und tilgungsfreies Darlehen anzubieten. Dabei verpflichtet sich der Unterhaltspflichtige, auf eine Rückforderung des Betrages zu verzichten, wenn das Gericht in der Hauptverhandlung die Höhe des Unterhaltsanspruchs als zutreffend bestätigt.

Praxistipp zur Rückforderung von Unterhalt


Eine Rückforderung von zu viel gezahltem Unterhalt gestaltet sich meist problematisch. Hier sollte kompetente Beratung gesucht werden – am besten bei einem erfahrenen Fachanwalt für Familienrecht.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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