LG Magdeburg: Filesharing eines Musikalbums hat einen Streitwert von nur € 5.000 - nicht von € 50.000

07.12.2010, Autor: Herr Lars Jaeschke / Lesedauer ca. 3 Min. (3041 mal gelesen)
LG Magdeburg: Filesharing eines einzigen Musikalbums ist KEINE gewerbliche Nutzung, sondern eine lediglich bagatellartige Rechtsverletzung, die einen Streitwert von nicht € 50.000 sondern nur € 5.000 rechtfertigt

In einem aktuellen Urteil hat das Landgericht Magdeburg (LG Magdeburg, Urteil vom 08.09.2010 - 2 S 226/10) geurteilt, dass das Filesharing eines einzigen Musikalbums KEINE gewerbliche Nutzung ist, sondern eine lediglich bagatellartige Rechtsverletzung darstellt, die einen Streitwert von nicht € 50.000 sondern nur € 5.000 rechtfertigt. Mit dieser Entscheidung nimmt ein weiteres Gericht realistische Streitwerte in Filesharing-Sachverhalten an.

Das LG Magdeburg führt aus:

„Die Klägerin macht Gebühren ausgehend von einem Wert der anwaltlichen Tätigkeit (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG) von 50.000,00 € geltend. Dieser Gegenstandswert ist jedoch für den vorliegenden Rechtsstreit als überhöht anzusehen. Auch wenn das Bereitstellen von Musikstücken in Filesharing- Systemen kein Kavaliersdelikt darstellt, hält das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände einen Streitwert von 5.000 € für die Abgabe der Unterlassungserklärung im vorliegenden Fall für angemessen.
Auch wenn durch das Zugänglichmachen von Filmen und Musik im Internet über Filesharing-Systeme die Film und Musikindustrie in erheblichen Umfang geschädigt wird, hat die Streitwertbemessung keine abschreckende oder gar sanktionierende Wirkung, sondern orientiert sich an dem Wertinteresse des Gläubigers und an der Intensität der Rechtsverletzung (vgl. AG Wildeshausen, Urteil vom 18. Mai 2010 in 4 O 497/09, AG Halle, Urteil vom 24. November 2009 in 95 O 3258/09 - zitiert nach juris).
Der Beklagte stellte nur ein einziges urheberrechtlich geschütztes Album zum Hochladen bereit. Dieses stellt - soweit ersichtlich - zudem den ersten Verstoß des Beklagten gegen Nutzungsrechte der Tonträgerherstellerin Universal Music GmbH dar. Darüber hinaus war der Zeitraum des Zurverfügungstellens des Albums lediglich auf den Zeitraum des eigenen Herunterladens beschränkt. Auch hat die Klägerin keine Darlegung zur wirtschaftlichen Bedeutung des Albums "Give me fire" der Künstlergruppe "Mo Diao" für die Tonträgerherstellerin Universal Music GmbH gemacht und somit den wirtschaftlichen Wert der Rechtsgutverletzung nicht näher dargelegt. Damit ist hier lediglich eine bagatellartige Rechtsverletzung anzunehmen, die einen Streitwert in Höhe von 50.000,00 € nicht rechtfertigen kann (vgl. auch LG Darmstadt, Urteil vom 20.04.2009, in 9 O 99/09 zitiert nach juris).
In diesem Zusammenhang geht das Gericht auch nicht von einer gewerblichen Nutzung aus. Eine solche läge nur dann vor, wenn die Bereitstellung zur Erlangung eines wirtschaftlichen und kommerziellen Vorteils erfolgt ist, was zu einer Erhöhung des Streitwerts führen würde. Dieses ist vorliegend nicht erkennbar.
Dem Gegenstandwert für die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung waren die von den damaligen Anwälten der Tonträgerherstellerin Universal Music GmbH geltend gemachten Schadensersatz- und Vergütungsansprüche in Höhe von 1.200,00 € hinzuzusetzen, weil auch die Abwehr dieses Zahlungsanspruches Gegenstand der Beauftragung des Zedenten war. Dieses ergibt einen Gegenstandswert von 6.200,00 €.“


Nach Erhalt einer Filesharing-Abmahnung gilt generall: Legen Sie eine Abmahnung nicht ohne Weiteres als „haltlose Massenabmahnung“ o.ä. beiseite. Wenn Sie die anwaltlich gesetzten Fristen ohne angemessene Reaktion verstreichen lassen, besteht u.a. die Gefahr, dass die Gegenseite eine einstweilige Verfügung gegen Sie erwirkt. Dies ist unabhängig von einer Klage möglich, kann sehr schnell gehen und ist mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden. Bei spezialisierter anwaltlicher Beratung kann oft durch die Abgabe einer aus Sicht des Abgemahnten „entschärften“, aber dennoch rechtssicheren, modizifizierten Unterlassungserklärung den abmahnenden Kanzleien schon „viel Wind aus den Segeln“ genommen werden. Wenn eine Rechtsverletzung nachgewiesen werden kann ist dann dennoch so gut wie immer ein für den Abgemahnten wirtschaftlich sinnvoller Vergleich möglich. Die „Standardlösung“ gibt es nicht. Ob tatsächlich eine modifizierte Unterlassungserklärung oder gar vorbeugende Unterlassungserklärungen abgegeben werden sollten, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Hierzu kann Sie am besten ein Rechtsanwalt mit – etwa durch einen einschlägigen Fachanwaltstitel – nachgewiesenem Know-How beraten, denn „Quidquid agis prudenter agas et respice finem“ – „Was auch immer du tust, tue es weise und bedenke das Ende“ – wussten schon die Römer. Das Recht des geistigen Eigentums ist komplex und einschlägige Abmahnungen sollten vom Fachanwalt bearbeitet werden, so wie komplexe Krankheiten wohl auch am besten beim Facharzt aufgehoben sind.

Fachanwalt Dr. Jaeschke steht Ihnen unter 0641/68681160 für Fragen zur Verfügung.


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