Winter, Schnee und Eis: Wer muss Räumen und Streuen?

09.12.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Schneeschieben,Gehweg,Mann,Winter,Schneeräumen Mann der auf dem Gehweg Schnee räumt © Bu - Anwalt-Suchservice

Wintereinbruch in Deutschland - da stellt sich Mietern und Hauseigentümern schnell die Frage, welche Pflichten sie beim Winterdienst beachten müssen. Wann muss geräumt und gestreut werden, wie oft und wo?

Grundsätzlich liegt die Räum- und Streupflicht auf öffentlichen Straßen und Wegen bei den Gemeinden. Diese übertragen jedoch in der Regel ihre Pflicht hinsichtlich der Bürgersteige vor Privatgrundstücken (und in einigen Orten auch von Teilen der öffentlichen Straßen) auf die Eigentümer der benachbarten Grundstücke. Dies passiert mit Hilfe kommunaler Satzungen. Dann können die Grundstückseigentümer ihrerseits per Mietvertrag die Räum- und Streupflicht auf die Mieter ihrer Grundstücke oder Gebäude übertragen. Bei Privatwegen müssen sich deren Eigentümer um das Räumen und Streuen kümmern. Diese Pflicht kann auch auf einen gewerblichen Winterdienst übertragen werden.

Wie steht es um die Räumpflicht der Gemeinde?


Auf öffentlichen Wegen und Straßen haben die Gemeinden die Räum- und Streupflicht. Aber: Auch die Gerichte wissen, dass es praktisch gesehen vollkommen unmöglich ist, alle Straßen und Wege gleichzeitig um sieben Uhr morgens perfekt geräumt zu haben. Das heißt: Die Gemeinde muss (und darf) morgens zuerst die Hauptverkehrsstraßen räumen. Nicht erwarten dürfen die Bürger jedoch, dass zum Beispiel der Parkplatz des städtischen Schwimmbads permanent eis- und schneefrei gehalten wird. Dies zeigt ein Urteil des Landgerichts Coburg: Eine Frau war auf dem Parkplatz des Hallenbads auf dem Weg zu ihrem Auto gestürzt und hatte sich das Handgelenk gebrochen. Ihre Klage auf Schadensersatz wurde jedoch abgewiesen (Az. 13 O 678/10). Übrigens: Die Gemeinden dürfen auf Nebenstraßen mit geringem Verkehrsaufkommen den Winterdienst einschränken.

Wer muss den Gehweg räumen?


Die Gemeinden übertragen die Räum- und Streupflicht bei Schnee und Eis auf den öffentlichen Gehwegen vor privaten Grundstücken meist auf die Anlieger. Gibt es keine Gehwege, muss laut Gemeindesatzung in der Regel ein Streifen am Straßenrand geräumt werden.

Vermieter dürfen die Räum- und Streupflicht im Mietvertrag ihren Mietern übertragen. Auch auf ihrem Grundstück haben sie eine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Wege und der Zugänge zum Wohnhaus - auch hier kann der Winterdienst den Mietern auferlegt werden.

Wichtig zu wissen: Der Vermieter behält trotzdem eine Kontrollpflicht. Er muss also überprüfen, ob seine Mieter wirklich den Winterdienst ordnungsgemäß durchführen. Stellt er bei stichprobenartigen Kontrollen fest, dass der oder die Mieter der Räumpflicht nicht nachkommen, kann der Vermieter diese abmahnen. Stürzt ein Passant auf dem ungeräumten Gehweg, weil ein Mieter nicht geräumt hat, muss dieser mit Schadensersatz und -Schmerzensgeldforderungen rechnen.

Natürlich können Mieter oder Vermieter auch einen gewerblichen Räumdienst beauftragen. Auch in diesem Fall behält der jeweilige Auftraggeber jedoch eine Aufsichts- und Kontrollpflicht und ist nicht völlig sicher vor einer Haftung. Gerade in Mehrfamilienhäusern kann die Beauftragung eines Räumdienstes jedoch helfen, Streit um Räumpflichten zu vermeiden.
Krankheit, Arbeit oder Urlaub befreien Mieter nicht automatisch von ihrer vertraglich übernommenen Schneeräumpflicht. Grundsätzlich haben sie bei Verhinderung für eine Ersatzperson zu sorgen, die die Arbeit übernimmt.

Welche Ansprüche haben Passanten?


Verletzt sich ein Passant bei einem Sturz auf Schnee oder Glatteis, weil der Verpflichtete nicht geräumt oder gestreut hat, kann der Geschädigte regelmäßig Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht verlangen. Dies ergibt sich aus § 823 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Wichtig zu wissen: Im Winter haben auch Passanten Pflichten. Schließlich weiß jeder, dass es im Winter oft glatt ist. Daher muss jeder sein Verhalten anpassen und sich vorsichtiger bewegen. Vor Gericht wird sehr genau auf ein mögliches Mitverschulden des Verletzten geachtet.

Urteil: Sturz auf Betriebsgelände


Keinen Erfolg hatte die Klage einer Arbeitnehmerin, die morgens auf dem Hof ihres Arbeitgebers auf Glatteis gestürzt war. Dabei hatte sie sich mehrere Knochenbrüche zugezogen. Sie war sechs Monate arbeitsunfähig und litt auch später noch an den Folgen. Ihr Arbeitgeber hatte den Winterdienst einem Dienstleister übertragen. Diesen hatte die Frau auf 10.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Der Winterdienst erklärte, dass er am Unfalltag gegen 5.30 Uhr geräumt und gestreut habe. Ein Arbeitskollege der Frau hatte ihren Sturz um neun Uhr beobachtet. Er sagte aus, dass die Hoffläche zu diesem Zeitpunkt großflächig geräumt und gestreut gewesen sei. Nur in der Nähe eines einzelnen Lkw-Anhängers habe es eine Schnee- oder Eisschicht mit einem Durchmesser von etwa einem Meter gegeben.

Das Gericht entschied, dass die Räum- und Streupflicht hier ausreichend erfüllt worden sei. Der Winterdienst sei nur verpflichtet, einen Zustand herzustellen, der es Personen erlaube, bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt die Hoffläche gefahrlos zu befahren und zu begehen. Dazu müssten nur sichere, genügend breite Geh- und Fahrwege geschaffen werden. Eine komplette Räumung des Platzes sei nicht erforderlich. Der Eis- und Schneerest sei gerade bei Tageslicht leicht zu erkennen und zu umgehen gewesen.

Sogar auf öffentlichen und stark frequentierten Parkplätzen existiere eine Streupflicht nur auf Gehwegen, aber nicht zwischen den geparkten Fahrzeugen. Man könne es den Benutzern zumuten, die geräumten Zuwege zu nutzen und in den anderen Bereichen vorsichtig zu sein. Dies gelte um so mehr auf einem nicht öffentlichen Betriebshof (Az. 21 O 380/11).

Wann muss Schnee geräumt werden?


Die Zeiten, zu denen Schnee geräumt sein muss, sind nicht einheitlich geregelt. In der Regel ergeben sie sich aus einer Satzung der Gemeinde. In manchen Orten muss werktags bis sieben Uhr morgens, in anderen bis acht Uhr oder acht Uhr dreißig geräumt und gestreut sein. Schneit es tagsüber wieder neu, muss der Gehweg meist bis 20 Uhr abends in regelmäßigen Abständen immer wieder freigeräumt werden. Auch an Sonn- und Feiertagen dürfen Räumpflichtige nicht viel länger schlafen: Oft muss der Weg dann bis acht Uhr, in einigen Orten auch erst bis neun Uhr oder neun Uhr dreißig von Schnee befreit sein.

Schneit es längere Zeit stark, müssen Räumpflichtige meist erst nach Ende des Schneefalls aktiv werden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Wiederholung nicht völlig sinnlos erscheint. So hat der Bundesgerichtshof schon 1984 entschieden (Az. VI ZR 49/83). Einige Gerichte meinen auch, dass man nach Ende des Schneefalls noch eine halbe Stunde abwarten darf, ob der Niederschlag wieder einsetzt. Dies ist aber keine allgemein gültige Faustregel.

Bei Glatteisbildung herrschen strengere Maßstäbe. Hier droht nämlich besondere Unfallgefahr. Wer bei Glatteis stundenlang mit dem Streuen wartet, setzt sich schnell einer Haftung aus. Räumpflichtige dürfen auch Bereiche wie Eingangstreppen nicht für längere Zeit sich selbst überlassen, nur weil es immer wieder darauf regnet und sich neues Glatteis bildet.

Was streut man gegen Eisglätte?


Viele Gemeinden verbieten ausdrücklich den Einsatz von Streusalz durch Privatleute. Dieses schädigt die Umwelt, Autos und Bauten und belastet die Gewässer. Daher drohen hier hohe Bußgelder. Stattdessen sind Sand, Splitt oder Granulat zum Streuen bei Glatteis angesagt. Wenig zu empfehlen sind sehr saugfähige Streumittel wie Holzspäne. Diese können sich mit Wasser vollsaugen, dieses gefriert und das Streugut wird selbst zur Gefahr. Dann droht wieder eine Haftung (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 24.11.2014, Az. 6 U 92/12).

Betreten auf eigene Gefahr?


Der Eigentümer eines Privatweges kann sich nicht durch das Aufstellen eines Schildes "Betreten auf eigene Gefahr" von seiner Räum- und Streupflicht befreien. Dies gilt insbesondere bei einer Privatstraße mit mehreren Anliegern, welche sie regulär nutzen (OLG Saarbrücken, Az. 4 U 466/03). Generell gilt: Darf ein Platz oder eine Straße von anderen Leuten benutzt werden, kann ein Privateigentümer durch eine Beschilderung keinen Haftungsausschluss vornehmen. Er behält also trotz Schild die Verkehrssicherungspflicht und muss im Zweifel haften. Bei Gemeinden sieht dies anders aus.
Ein Schild, das auf eine konkrete Gefahr hinweist, kann jedoch dazu beitragen, vor Gericht den Mitverschuldensanteil des Verletzten zu erhöhen. Dieser hätte dann womöglich besser aufpassen müssen.

Was gilt für Senioren und bei Erkrankungen?


Wenn Senioren körperlich ihrer mietvertraglichen Räumpflicht nicht mehr nachkommen können, kann der Vermieter dies von ihnen auch nicht fordern. Einige Gerichte sind der Ansicht, dass die Senioren dann von der Schneeräumpflicht befreit sind und auch keinen Räumdienst beauftragen müssen (Landgericht Köln, Urteil vom 30. August 2012, Az. 1 S 52/11).
Manchmal können auch jüngere Menschen aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht Schnee räumen. Dann müssen sie einigen Gerichten zufolge zumindest versuchen, im Bekanntenkreis einen Vertreter zu finden - oder nachweisen, dass ein Räumdienst nicht zu vernünftigen Bedingungen verfügbar war (Landgericht Münster, Az. 8 S 263/05).

Urteil: Räumpflicht nur für Gehweg vorm Grundstück


Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin erstreckt sich die Räumpflicht nur auf den Gehweg vor dem eigenen Grundstück (Az. VG 1 K 366.11). Das Grundstück der Klägerin lag in einer Straße, die im Straßenreinigungsverzeichnis C des Landes Berlin eingetragen war. Daher bestand dort eine gesetzliche Pflicht zur Schnee- und Eisbeseitigung. Nur befand sich vor dem Grundstück der Klägerin kein Gehweg, sondern ein zum Parken genutzter unbefestigter Randstreifen. Einen Gehweg gab es nur gegenüber auf der anderen Fahrbahnseite. Die Kommune hatte gegen die Frau ein Bußgeld verhängt, weil sie ihren Winterdienstpflichten für diesen gegenüberliegenden Gehweg nicht nachgekommen sei. Die Anliegerin wollte vom Gericht festgestellt haben, dass sie dort nicht zum Räumen verpflichtet sei.

Tatsächlich gab ihr das Verwaltungsgericht Berlin recht. Nach dem Berliner Straßenreinigungsgesetz müssten zwar Anlieger den Winterdienst auf den nächstgelegenen Gehwegen vor ihren Grundstücken durchführen. Den Begriff des nächstgelegenen Gehwegs könne man aber nicht so weit ausdehnen, dass davon auch noch der Gehweg vor den Grundstücken auf der gegenüberliegenden Straßenseite umfasst sei. Die Fahrbahnmitte bilde die natürliche Grenze für Reinigungs- bzw. Winterdienstpflichten.

Urteil: Sturz auf vereistem Kundenparkplatz an Heiligabend


An einem 24. Dezember hatte ein Ehepaar sein Auto auf dem Kundenparkplatz einer Bäckerei geparkt. Bis zur Eingangstür waren es fünf Meter - auf dieser Strecke rutschte die Frau auf einer etwa drei Meter großen Eisfläche aus und stürzte. Dabei brach sie sich das Schien- und Wadenbein und musste für eine Woche ins Krankenhaus. Danach verklagte sie den Bäcker, weil dieser ihrer Meinung nach den Parkplatz komplett von Schnee und Eis hätte befreien müssen. Sie forderte Schadensersatz sowie Verdienstausfall von 12.500 Euro und ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000 Euro.

Schon das Landgericht Koblenz wies ihre Klage ab: Der Bäcker habe nicht die Pflicht gehabt, seinen Parkplatz lückenlos von Eis zu befreien. Die Klägerin treffe ein erhebliches Eigenverschulden. In der nächsten Instanz wies das Oberlandesgericht Koblenz die Klägerin darauf hin, dass ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts keine Erfolgsaussichten habe: Die Parkfläche sei zehn Meter breit gewesen und sie hätte den vereisten Bereich umgehen können. Immerhin sei an dem Tag kein anderer Kunde der Bäckerei auf Glatteis gestürzt (Az. 5 U 582/12).

Was gilt, wenn der Winterdienst schlecht arbeitet?


Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage befasst, ob ein "Winterdienstvertrag" ein Dienst- oder ein Werkvertrag ist. Diese Frage sahen die Gerichte zuvor unterschiedlich. Im verhandelten Fall hatte ein Grundstückseigentümer einen gewerblichen Winterdienst beauftragt. Er war jedoch mit dessen Arbeit unzufrieden gewesen und hatte einen Teil der Vergütung nicht gezahlt. Das zunächst damit befasste Gericht gab dem Winterdienst recht: Hier liege ein Dienstvertrag (entsprechend einem Arbeitsvertrag) vor. Dabei sei eine Preisminderung wegen mangelhafter Leistung gesetzlich nicht vorgesehen.

Dem Bundesgerichtshof zufolge handelte es sich allerdings um einen Werkvertrag. Damit schuldete der Auftragnehmer dem Kunden also nicht nur Arbeit, sondern einen konkreten Erfolg – den schneefreien Gehweg. Schaffe er dies nicht, könne der vereinbarte Betrag gemindert werden, da ein Werkmangel vorliege. Die in solchen Fällen oft notwendige Fristsetzung zur Nachbesserung sah der Bundesgerichtshof hier als überflüssig an (Az. VII ZR 355/12).

Praxistipp zum Räumen und Streuen im Winter


Wohnt man im eigenen Haus, kann man sich gegen Haftungsrisiken aufgrund vernachlässigten Winterdienstes durch eine Privathaftpflichtversicherung absichern. Dies können auch Mieter, die zum Schneeräumen verpflichtet sind. Für Vermieter empfiehlt sich eine Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung. Kommt es nach einem Sturz auf Schnee oder Eis zu einem Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche, ist ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt der beste Ansprechpartner.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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