Müssen Mieter nachts die Haustür des Mehrfamilienhauses abschließen?

06.07.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (8738 mal gelesen)
Haustür,Eingang,Haus,Mehrfamilienhaus,Gebäude Sind Mieter verpflichtet, nachts die Hauseingangstür abzuschließen? © Ma - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Mietshaus: Eine gesetzliche Regelung, die Mieter zum nächtlichen Abschließen der Haustür verpflichtet, gibt es nicht. Ist dies aber in der Hausordnung vorgeschrieben, müssen sich die Mieter nach Ansicht einiger Gerichte daran halten.

2. Eigentumswohnungsanlage: Laut einer Entscheidung des LG Frankfurt am Main verstößt das nächtliche Abschließen in einer Eigentumswohnungsanlage gegen den Brandschutz.

3. Brandschutz: Im Notfall muss das Verlassen des Hauses jederzeit schnell möglich sein, wie die Feuerwehr regelmäßig betont.
In Mehrfamilienhäusern sorgt dies häufig für Streit: Soll die Haustür nachts abgeschlossen werden, oder nicht? Dabei geht es nicht darum, die Tür nur zu schließen, sondern sie per Schlüssel auch abzuschließen. Meist haben einige Bewohner Angst vor Einbrechern, während andere dagegen das Zufallen der Tür (die ja in der Regel von außen trotzdem nicht ohne Weiteres zu öffnen ist) für ausreichend halten. Und natürlich stellt sich auch die Frage, ob es unter Brandschutzgesichtspunkten überhaupt erlaubt ist, nachts den Hauptfluchtweg zu blockieren. Denn: Im Notfall müssen die Hausbewohner das Gebäude auch sehr schnell verlassen oder über den Türöffner in ihrer Wohnung Rettungskräfte einlassen können.

Was sagen Gesetz und Gerichte zum nächtlichen Abschließen der Haustür im Mietshaus?


Gesetzlich ist das Abschließen der Hauseingangstür im Mehrfamilienhaus nicht geregelt. Es gibt dazu jedoch einige Gerichtsentscheidungen. So verpflichtete das Landgericht Köln in einem älteren Urteil einen Mieter dazu, die nach außen führenden Türen des Hauses abends ab einer bestimmten Uhrzeit – im Winter ab 21 Uhr, im Sommer ab 22 Uhr – abzuschließen. Dies hatte die Hausordnung so vorgegeben.

Das Gericht erklärte: Das Bürgerliche Gesetzbuch sehe zwar in seinen Regeln zum Mietvertrag (§§ 535 ff.) keine Pflicht des Mieters zum Abschließen der Hauseingangstür vor. Auch könne eine solche Klausel den Mieter benachteiligen. Das Gericht sah hier den Nachteil allerdings im Aufwand des Abschließens und nicht in der Gefahr, im Brandfall zu sterben. Das Sicherheitsinteresse der Mitbewohner, also der Schutz vor Einbrechern, wiege schwerer als der geringe Aufwand des Abschließens. Auch sei die Verpflichtung aus der Hausordnung nicht mit einem nennenswerten Haftungsrisiko für den Mieter verbunden. Viele Mieter würden schon im eigenen Sicherheitsinteresse – auch ohne vertragliche Verpflichtung – nachts die Haustür abschließen.

Abschließend merkte das Gericht an, dass eine baurechtliche Vorgabe, wegen des Brandschutzes die Fluchtwege frei zu halten, in die Zuständigkeit der Baubehörde falle. Diese müsse entsprechende Kontrollen durchführen. Dies habe nichts mit der Frage zu tun, ob eine Klausel der Hausordnung unwirksam sei (Urteil vom 25.7.2013, Az. 1 S 201/12).

Wäre ein Verbot des nächtlichen Abschließens wirksam?


Der Vermieter hätte in der Hausordnung genauso regeln können, dass ein nächtliches Abschließen der Haustür verboten ist. Auch diese Regelung wäre wirksam gewesen - zumindest, wenn nicht im Einzelfall eine besondere Einbruchsgefahr bestanden hätte.

Darf die Eigentümergemeinschaft das Abschließen der Haustür verlangen?


In einem Fall aus Kassel hatte die Eigentümerversammlung einer Wohnanlage per Mehrheit beschlossen, dass die Hauseingangstür nachts (zwischen 22 Uhr abends und sechs Uhr morgens) abzuschließen sei. Einige Miteigentümer waren dagegen und klagten schließlich vor Gericht. Vor dem Amtsgericht waren sie jedoch zunächst erfolglos.

Allerdings hob das Landgericht Frankfurt am Main dieses Urteil in der Berufung wieder auf. Nach Ansicht des Landgerichts widersprach ein solcher Beschluss der für Wohnungseigentümergemeinschaften gesetzlich vorgeschriebenen "ordnungsgemäßen Verwaltung".

Das Landgericht erklärte, dass gerade das nächtliche Verschließen der Hauseingangstür zu einer erheblichen Gefährdung der Wohnungseigentümer und ihrer Besucher führen könne. Bei abgeschlossener Haustür sei ein Verlassen des Gebäudes im Brandfall oder in einer anderen Notsituation nur möglich, wenn man einen Haustürschlüssel dabeihabe. Es sei jedoch nicht selbstverständlich, dass jeder Hauseigentümer oder Besucher bei der eiligen Flucht in einer Paniksituation einen Schlüssel griffbereit habe. Aus diesem Grund könne eine verschlossene Haustür ein tödliches Hindernis sein (Urteil vom 12.5.2015, Az. 2-13 S 127/12).

Das Landgericht Frankfurt sah hier auch keine Notwendigkeit für eine Abwägung der beiderseitigen Interessen. Denn: Die Interessen bezüglich eines Abschließens der Haustür schlössen sich nicht gegenseitig aus. Immerhin würden manche Haustürschließsysteme beide Interessen vereinigen, indem sie einen Verschluss des Hauseingangs zuließen, aber auf der anderen Seite ein Öffnen durch flüchtende Bewohner auch ohne einen Schlüssel ermöglichten. Im vorliegenden Fall war ein solches Schließsystem, ein sogenanntes Panikschloss, auf der Eigentümerversammlung auch erläutert worden.

Angesichts dieser Möglichkeit entsprach es aus Sicht des Gerichts nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließe, bei Nacht die Haustür einfach herkömmlich abgeschlossen zu halten und dadurch in Notsituationen eine Flucht – gegebenenfalls mit tödlichem Risiko – erschwere.

Macht der Brandschutz das nächtliche Abschließen der Haustür unzulässig?


Brandschutzvorschriften finden sich im Baurecht. Einzelheiten regeln die Landesbauordnungen der Bundesländer. Ein Beispiel ist etwa § 17 der Hamburger Bauordnung, in der es heißt:

"Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind."

Dies schließt natürlich ein, dass Rettungswege frei bleiben – ein Argument, dass auch vor Gericht plötzlich großes Gewicht erhält, wenn etwa Mieter Kinderwagen und Schuhschränke im Hausflur deponieren.

Nachts abgeschlossene Haustüren sind bei einer Flucht vor Feuer lebensgefährlich, wie auch die Feuerwehr immer wieder betont. Aber: Kontrollen durch das Bauamt sind bei schon länger bestehenden Gebäuden eher selten, um nicht zu sagen, inexistent.

Fluchtweg abgesperrt: Worin besteht im Brandfall die Gefahr?


Bis zu 90 Prozent der Menschen, die bei Bränden ums Leben kommen, sterben nicht durch Feuer, sondern durch das Rauchgas. Sobald Rauch in einen Raum eindringt, haben dessen Bewohner ganze zwei bis vier Minuten Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Dann tritt Bewusstlosigkeit ein und es ist zu spät.

Stellt man sich also vor, dass ein Mieter im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses Rauchgeruch bemerkt, dann erst einmal seinen Schlüssel suchen muss, dann vier Stockwerke nach unten laufen muss, um dann im vielleicht schon verqualmten Hausflur den Schlüssel ins Schloss zu stecken, wird klar, warum die Feuerwehren vor dem Abschließen warnen. Diesen Vorgang kann man sehr wahrscheinlich nicht in der verfügbaren Zeit bewältigen. Und was ist, wenn der Hausbewohner körperlich vielleicht nicht mehr ganz fit ist? Dann hat der Betreffende erst recht keine Chance.

Hinzu kommt: In einem Mehrfamilienhaus mit mehr Stockwerken ist es durchaus denkbar, dass mal ein Hausbewohner in einem höheren Stockwerk den Rettungsdienst oder Notarzt benötigt. Notfälle halten sich nicht an bestimmte Uhrzeiten. Unter Umständen ist der Betreffende gar nicht in der Lage, das Erdgeschoss aufzusuchen und den Rettungskräften aufzuschließen. Ein Öffnen der Tür von oben per elektrischem Türöffner ist dann auch nicht möglich. So kann entscheidende Zeit verloren gehen.

Welche Möglichkeiten bieten moderne Haustürschlösser?


Sogenannte Panikschlösser ermöglichen es, die Tür abzuschließen, sie aber von innen jederzeit durch einen einfachen Druck auf Türdrücker oder Klinke wieder zu öffnen, ohne sie erst aufzuschließen. Im Handel sind mehrere Varianten dieser Schlösser erhältlich.

Viele Sicherheitsexperten vertreten jedoch die Ansicht, dass eine moderne Hauseingangstür mit Knauf außen und Fallenschloss, die von selbst ins Schloss fällt, als Einbruchsschutz völlig ausreicht. Wichtig sei es nur, darauf zu achten, dass die Haustür auch wirklich ins Schloss fällt. Insbesondere im Winter kann die Mechanik etwa durch Frost schwergängig sein.

Praxistipp zum nächtlichen Abschließen der Haustür


Klauseln zum Abschließen in Mietverträgen und Hausordnungen können Gültigkeit haben - und zwar in beide Richtungen, ob Verbot oder Pflicht zum Abschließen. Der Brandschutz ist jedoch ein wichtiges Argument. In Mehrfamilienhäusern ist es unbedingt zu empfehlen, die Fluchtwege nachts nicht durch Abschließen der Haustür zu blockieren. Wenn es über dieses Thema zum Streit mit dem Vermieter kommt, sollten Mieter sich durch einen Fachanwalt für Mietrecht beraten lassen.

(Bu)


Sie benötigen Hilfe bei Ihrer Suche nach dem richtigen Anwalt? Dann schreiben Sie uns über unser Kontaktformular. Wir helfen Ihnen kostenlos und unverbindlich.


 Stephan Buch
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion
 Stephan Buch
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion