Mutterschutzlohn-Ärztliches Beschäftigungsverbot

24.08.2011, / Lesedauer ca. 5 Min. (4843 mal gelesen)
Der Arbeitgeber trägt nicht die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG in Wahrheit nicht vorgelegen haben. Der Arbeitgeber braucht vielmehr nur Tatsachen vorzutragen und, sofern diese bestritten werden, zu beweisen, die den Beweiswert des ärztlich bescheinigten Beschäftigungsverbots erschüttern. Für das Vorliegen der Voraussetzungen eines wirksamen Beschäftigungsverbotes ist dann die Arbeitnehmerin darlegungs- und beweispflichtig (BAG, Urteil vom 13.2.2002, Az. 5 AZR 753/00).
Nach § 11 Abs. 1 MuSchG hat eine schwangere Arbeitnehmerin, soweit sie nicht Mutterschaftsgeld nach der RVO beziehen kann, Anspruch auf Weitergewährung ihres bisherigen Durchschnittsverdienstes, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG mit der Arbeit aussetzt. Gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit der Mutter oder des Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind. Für ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG sind der individuelle Gesundheitszustand und die konkrete Arbeitstätigkeit der schwangeren Arbeitnehmerin maßgebend. Es genügt, dass die Fortsetzung der Arbeit mit einer Gefährdung der Gesundheit von Mutter und Kind verbunden ist. Unerheblich ist die genaue Ursache der Gefährdung. Die Arbeitstätigkeit der Schwangeren oder ihr räumlicher Arbeitsbereich müssen nicht gesundheitsgefährdend sein. Ein Beschäftigungsverbot ist auch dann auszusprechen, wenn die Beschäftigung für andere Frauen unabhängig von einer Schwangerschaft keinerlei Gefährdung ergibt, aber im Einzelfall aufgrund der individuellen der schwangeren Frau die Gesundheit von Mutter oder Kind begründen. Das individuelle Beschäftigungsverbot des § 3 Abs. 1 MuSchG greift aber erst ein, wenn der Arzt eine Gefährdung attestiert. Das ärztliche Zeugnis ist für das Beschäftigungsverbot konstitutiv (BAG, Urteil vom 1.10.1997, Az. 5 AZR 685/96).
Die Pflicht der Arbeitnehmerin zur Arbeitsleistung wird durch das Verbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG suspendiert. Der Arbeitgeber darf die Arbeitnehmerin nicht mehr verbotswidrig einsetzen. Das Beschäftigungsverbot bestimmt nach Maßgabe des § 11 MuSchG zugleich über die Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Entgegen § 323 Abs. 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung nicht. Vielmehr besteht für die gesamte Dauer des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots ein Anspruch auf Mutterschutzlohn (BAG, Urteil vom 13.2.2002, Az. 5 AZR 753/00).
Der Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 11 Abs. 1 S. 1 MuSchG besteht nur, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, dass die Schwangere mit der Arbeit aussetzt. Das Beschäftigungsverbot muss die nicht wegzudenkende Ursache für das Nichtleisten der Arbeit und den damit verbundenen Verdienstausfall sein. Für die Zeit, in der die Schwangere arbeitsunfähig krank ist, ist dieser alleinige Ursachenzusammenhang nicht gegeben. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber nach Ablauf des Sechswochenzeitraums nicht mehr zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle verpflichtet ist. Maßgebend ist, ob ein krankhafter Zustand mit der Schwangerschaft besteht. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser mit der Schwangerschaft zusammenhängt oder nicht. Der krankhafte Zustand muss zur Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren führen. Sofern dies zutrifft, muss die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden. Ein gleichzeitig ausgesprochenes Beschäftigungsverbot hat die Wirkungen der §§ 3 Abs. 1 (Beschäftigungsverbot für schwangere Frauen), 21 (Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) und 24 (in Heimarbeit Beschäftigte). Das Beschäftigungsverbot begründet jedoch keine Vergütungspflicht nach § 11 MuSchG (Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten). Auf den Grund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kommt es nicht an. Im Falle, dass keine Krankheit gegeben ist oder die Krankheit nicht zur Arbeitsunfähigkeit führt, besteht die Vergütungspflicht trotz des Beschäftigungsverbotes fort. Zu unterscheiden ist also zwischen dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gegen den Arbeitgeber gemäß § 3 EFZG, der auf sechs Wochen beschränkt ist, und dem nicht auf sechs Wochen beschränkten Anspruch nach § 11 Abs. 1 S. 1 MuSchG. Es ist Sache des zu behandelnden Arztes zu beurteilen, ob eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder ob ohne eine aktuelle Arbeitsunfähigkeit Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Dem Arzt ist diesbezüglich ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt (BAG, Urteil vom 5.7.1995, Az. 5 AZR 135/94). Das Entgeltfortzahlungsrecht ist nur anwendbar, wenn eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, wie sie jede Arbeitnehmerin treffen kann. Maßgeblich ist, ob die entscheidende Verschlechterung der Gesundheit erst durch die Fortsetzung der Beschäftigung eintreten würde oder ob die Ursache für die Verschlechterung der Gesundheit ausschließlich in der Schwangerschaft begründet ist. In diesem Fall ist das sich verwirklichende Risiko der §§ 3 Abs. 1 und 11 MuSchG dem Arbeitgeber zuzuweisen und die Arbeitsunfähigkeit dagegen subsidiär.
Die Arbeitnehmerin hat ihre Pflicht zur Darlegung der Suspendierung der Arbeitspflicht und zur Begründung eines Anspruchs aus § 11 MuSchG grundsätzlich durch die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung erfüllt. Hat der Arbeitgeber Zweifel an einem Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG, hat er die Möglichkeit, sich vom ausstellenden Arzt Auskünfte über die Gründe für das Attest mitteilen zu lassen, soweit die Auskünfte nicht der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Der Arzt muss Arbeitgeber Auskunft darüber geben, welche tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung des Zeugnisses zugrunde gelegt hat und ob die Arbeitnehmerin aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig war. Hat der Arbeitgeber Zweifel an der Berechtigung eines Beschäftigungsverbotes und will er das Beschäftigungsverbot nicht anerkennen, kann er eine weitere ärztliche Untersuchung der Arbeitnehmerin fordern. Die Arbeitnehmerin hat diesem Verlangen wegen der den Arbeitgeber treffenden Belastungen regelmäßig nachzukommen, wenn der Arbeitgeber ihr die ihn dazu bewegenden Gründe mitteilt (BAG, Urteil vom 31.7.1996, Az. 5 AZR 474/95). Sofern der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot anzweifelt, kann er außerdem Umstände anführen, die den Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttern. Die ärztliche Bescheinigung dient nur als Beweismittel für das Vorliegen eines Beschäftigungsverbotes; sie kann durch anderweitige Tatsachen entwertet werden, z. B. wenn der Arbeitgeber anführt, die Arbeitnehmerin habe dem Arzt ihre Arbeitsbedingungen, die für den Ausspruch des Verbotes ausschlaggebend gewesen seien, falsch beschrieben oder wenn die Arbeitnehmerin trotz Aufforderung des Arbeitgebers keine ärztliche Bescheinigung vorlegt, aus der hervorgeht, von welchen Arbeitsbedingungen der Arzt bei Erteilung des Beschäftigungsverbots ausgegangen ist und welche Einschränkungen für die Arbeitnehmerin bestehen. Diese Angaben sind vor dem Hintergrund der erheblichen finanziellen Folgen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots für den Arbeitgeber notwendig. Nur wenn der Arbeitgeber diese Umstände kennt, kann er prüfen, ob er der Arbeitnehmerin andere zumutbare Arbeiten zuweisen kann, die dem Beschäftigungsverbot nicht entgegen stehen (BAG, Urteil vom 21.4.1999, Az. 5 AZR 174/98). Der Arzt muss die Verhaltensanordnungen, die er der Arbeitnehmerin auf der Grundlage seiner Untersuchungen erteilt hat, angeben, z.B. muss der Arzt auf Nachfrage mitteilen, ob und inwieweit die Arbeitnehmerin Arbeiten sitzend oder stehend verrichten soll und ob sie körperlich belastende Arbeiten verrichten kann. Bleibt die Nachfrage des Arbeitgebers unbeantwortet, ist der Beweiswert des Verbots erschüttert. Bei einem auf „Stresssituationen am Arbeitsplatz“ oder „Probleme mit Vorgesetzten und Kollegen“ gestützten Beschäftigungsverbot kann der Arbeitgeber die konkrete Beschreibung der zugrunde liegenden Umstände verlangen. Der Beweiswert des Beschäftigungsverbots ist erschüttert, wenn eine entsprechende Erläuterung der tatsächlichen Voraussetzungen des Beschäftigungsverbotes unterbleibt. Der Arbeitgeber, der Zweifel an der Berechtigung des Verbots hat, genügt seiner Darlegungslast zunächst dadurch, dass er die Probleme am Arbeitsplatz bestreitet. Die Arbeitnehmerin muss die Probleme am Arbeitsplatz näher erläutern und entsprechende Vorkommnisse zu konkretisieren. Erst dann muss der Arbeitgeber dies unter Angabe von Gründen bestreiten und seine Angaben beweisen. Ist der Beweiswert desärztlichen Zeugnisses erschüttert, steht nicht mehr mit der gebotenen Zuverlässigkeit fest, dass die Arbeitnehmerin wegen eines Beschäftigungsverbots im Sinne des § 11 Abs. 1 MuSchG mit der Arbeit ausgesetzt hat. Sie muss dann die Tatsachen anführen und ggf. beweisen, die ein Beschäftigungsverbot rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss nicht beweisen, dass die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Beschäftigungsverbots in Wahrheit nicht vorgelegen haben, sondern er muss nur Tatsachen nennen und ggf. beweisen, die den Beweiswert des ärztlich bescheinigten Beschäftigungsverbots erschüttern (BAG, Urteil vom 13.2.2002, Az. 5 AZR 753/00)..

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