Ärgerlich, Schlaglochschaden! - Schadensersatz von der Gemeinde?

19.01.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Schlagloch,Auto,Schaden,Haftung,Gemeinde Wer haftet, wenn durch ein Schlagloch ein Unfallschaden verursacht wird? © Ma - Anwalt-Suchservice

Nach Frost, Schnee und viel Feuchtigkeit kommen viele Straßenschäden zum Vorschein: Tiefe Schlaglöcher und aufgeplatzte Teerdecken. Dadurch kann es zu Unfällen und Schäden an Fahrzeugen und Personen kommen. Haftet die Stadt bzw. die Gemeinde?

Die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen liegt bei der Gemeinde. Das heißt: Die Gemeinde muss dafür Sorge tragen, dass ihre Straßen in verkehrssicherem Zustand sind und niemand bei ihrer Benutzung einen Schaden erleidet. Dies gilt jedoch nur mit einigen Einschränkungen. Auch die Gemeinde muss nämlich nur Maßnahmen im Rahmen des Zumutbaren ergreifen.
Bei der Frage, ob die Kommune für den Schlagloch-Schaden an einem Fahrzeug aufkommen muss, kommt es immer auf die Gesamtumstände an. Zum Beispiel:
Ist die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen, vielleicht durch regelmäßige Kontrollen oder entsprechende Warnschilder? Wurden erforderliche Arbeiten unnötig verzögert? Ist der geschädigte Verkehrsteilnehmer vielleicht selbst unaufmerksam gewesen oder zu schnell gefahren?

Motorrollerfahrer stürzt wegen Schlagloch


Auf einer überwiegend landwirtschaftlich genutzten, unebenen Nebenstraße war ein Motorrollerfahrer in ein Schlagloch geraten und gestürzt. Das Landgericht Osnabrück wies seine Schadensersatzklage gegen die für die Straße zuständige Gemeinde ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die beklagte Gemeinde für diese Straße zwar grundsätzlich die Verkehrssicherungspflicht habe. Allerdings sei der Umfang dieser Pflicht davon abhängig, wie häufig und wie intensiv der Verkehrsweg genutzt werde und welche Bedeutung er habe. Die Nutzer der Straße müssten sich zunächst den vorhandenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihnen beim Befahren erkennbar darstelle (Az. 1 O 1208/04).

Welche Rolle spielt die Tiefe von Schlaglöchern?


Die Gerichte scheinen bei der Frage der Haftung oft die Tiefe des Schlaglochs entscheidend zu berücksichtigen. Das Oberlandesgericht Celle verurteilte beispielsweise eine Großstadt zum Schadensersatz, weil ein Autofahrer auf einer stark befahrenen Durchgangsstraße sein Auto in einem 20 Zentimeter tiefen Schlagloch beschädigt hatte. In diesem Fall war ein Reifen geplatzt und zwei Felgen waren zu Bruch gegangen. Die Gemeinde musste sich laut Urteil am Gesamtschaden von 2.799,- Euro zur Hälfte beteiligen (Az. 8 U 199/06).

Was gilt, wenn sich Fußgänger verletzen?


Die Haftung der Gemeinde hängt auch bei verletzten Fußgängern stark vom Einzelfall ab. Dies erkennt man auch an einem Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm. In diesem Fall war eine Frau beim Überqueren einer Straße in ein Schlagloch getreten, umgeknickt und hatte sich den Unterschenkel gebrochen. Daraufhin hatte sie die für die Straße verkehrssicherungspflichtige Gemeinde auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt.

Ihre Klage blieb jedoch erfolglos. Dem Gericht zufolge richtet sich die Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde für eine Straße an den Anforderungen des Fahrzeugverkehrs aus. Diese unterscheiden sich von den Anforderungen an Fußwege und Bürgersteige. Für den Fahrzeugverkehr sei ein Schlagloch noch kein gefahrträchtiges Hindernis. Dass die Klägerin die Straße nur deshalb überquert habe, um zu ihrem auf der anderen Straßenseite gelegenen Parkplatz zu kommen, ändere daran nichts. Es sei außerdem nicht Aufgabe der Gemeinde, spezielle Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, weil Fußgänger die Straße nach einem Gaststättenbesuch möglicherweise in einem "abgelenktem Zustand" betreten könnten (Az. 9 U 208/03).

Blitzartige Entstehung von Schlaglöchern


Auch vor dem Kammergericht Berlin war eine Klage gegen das Land Berlin erfolglos. Dort war im Februar ein Auto durch ein Schlagloch auf einer stark befahrenen Hauptstraße beschädigt worden. Dieses Schlagloch war etwa einen Quadratmeter groß und fünf Zentimeter tief. Das Gericht erläuterte: Der verkehrsunsichere Zustand einer Straße führe allein noch nicht zu einer Haftung. Es liegt nur dann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor, wenn

- das Land die Straße nicht regelmäßig kontrolliert habe oder
- Schlaglöcher bei einer Kontrolle schuldhaft übersehen worden seien oder
- deren Beseitigung schuldhaft unterlassen worden sei.

Hier liege jedoch kein derartiger Fall vor. Es habe nicht festgestellt werden können, dass das betreffende Schlagloch bei der letzten Begehung und Kontrolle schon vorhanden gewesen sei. Ein Schlagloch könne sich durchaus innerhalb von 24 Stunden neu bilden. Daher müssten sich Autofahrer grundsätzlich an die Straßenverhältnisse anpassen (Kammergericht Berlin, Urteil vom 20.2.2015, Az. 9 U 188/13).

Was gilt, wenn Schlaglöcher nicht zu sehen sind?


Einer Radfahrerin sprach das Oberlandesgericht München ein Schmerzensgeld zu. Diese hatte ein Schlagloch übersehen, das sich vor ihrer Grundstückseinfahrt befand und nach Regenfällen durch eine große Pfütze getarnt war. Die Frau hatte durch den Sturz einen Oberarmkopfbruch mit Beteiligung des Oberarmknochens erlitten. Ihre Verletzung erforderte eine siebentägige stationäre Behandlung mit anschließenden Reha-Maßnahmen. In der Folge war sie zu 50 Prozent schwerbehindert.

Das Gericht erklärte, dass der verkehrssicherheitswidrige Zustand der Straße für den Unfall verantwortlich sei. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Schlaglöcher durch Regen nicht sichtbar seien. Allerdings müssten Verkehrsteilnehmer nicht damit rechnen, dass sich auf einer öffentlichen Straße im Bereich einer Parkplatzeinfahrt mit abgesenkter Bordsteinkante eine etwa 5 bis 7 cm tiefe muldenförmige Vertiefung in einer Länge von 145 cm und einer Breite von 40/50/52 cm befinde. In diesem Fall hätte der zuständige Träger der Straßenbaulast handeln müssen.

Allerdings trage die Radfahrerin ein Mitverschulden von 50 Prozent, weil sie durch die Pfütze gefahren sei. Stattdessen hätte sie absteigen müssen, da sie ja nicht wissen konnte, was unter der Pfütze war. Ihr wurde vom Gericht ein Schmerzensgeld von 2.500 Euro zugesprochen (Urteil vom 14.3.2013, Az. 1 U 3769/11).

Praxistipp zum Schadensersatz wegen Schlaglöchern


Oft stellen sich die Gerichte bei Schlaglöchern auf den Standpunkt, dass der Geschädigte besser aufpassen oder vorsichtiger hätte fahren müssen. Dies heißt jedoch nicht, dass Ansprüche gegen die Gemeinde oder das Bundesland in jedem Fall ausgeschlossen sind. Wie immer kommt es hier sehr stark auf den Einzelfall an, zum Beispiel darauf, wie wichtig und wie viel befahren die Straße ist, wie tief das Schlagloch war und ob der Verkehrsteilnehmer die Gefahr hätte vorher erkennen können. Geschädigten kann ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt helfen, die Chancen für eine Klage abzuschätzen.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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