Neues Erbrecht für Patchworkfamilien auf dem Weg – Kabinett beschließt Reform des Erbrechts

25.02.2008, Autor: Herr Andreas Jäger / Lesedauer ca. 3 Min. (2658 mal gelesen)
Das Bundeskabinett hat eine Modernisierung des Erbrechts beschlossen. Rechtstechnisch ist damit zwar noch kein neues Gesetz entstanden, da dieses noch vom Bundestag beschlossen und vom Bundespräsidenten verkündet werden muss, trotzdem lässt sich schon eine Richtung erkennen, in die das neue Erbrecht gehen wird.

Mit der Reform soll das geltende Erbrecht der zunehmenden Zahl von sog. Patchworkfamilien und unverheirateten Paaren angepasst werden. Auch soll dem Erblasser mehr Freiraum gelassen werden, sein Vermögen nach seinen Vorstellungen zu verteilen. Im Einzelnen bedeutet das:

Neues Pflichtteilsrecht – Enterben soll einfacher werden
Pflichtteil bedeutet, dass Kinder, Eltern, Ehegatten oder Lebenspartner auch dann am Erbe beteiligt werden, wenn der Erblasser dies überhaupt nicht wünscht. Der Pflichtteil besteht dann grundsätzlich in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. An dieser Höhe soll auch im Zuge der Reform nicht gerüttelt werden. Nach bisheriger Rechtslage war es aber natürlich auch möglich, den Erben unter bestimmten Umständen völlig von der Erbfolge auszuschließen. Dies war beispielsweise bei Gewalt gegenüber dem Erblasser, seinen Ehegatten bzw. Lebenspartner oder seinen Kindern möglich. Diese recht enge Regelung soll nun der Situation der immer häufigeren Patchworkfamilien angepasst werden. Eine Entziehung soll daher in Zukunft auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte vergleichbar nahe stehenden Personen, wie z.B. Stiefkindern, nach dem Leben trachtet oder diese körperlich schwer misshandelt. Auch der schon seit längerem als unpassend empfundene Entziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ soll nun entfallen. Statt dessen soll nun auf die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zu mindestens einem Jahr ohne Bewährung abgestellt werden.

Pflegeleistungen sollen stärker berücksichtigt werden
Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. Dieser wünschenswerte Zustand wurde jedoch bislang von staatlicher Seite kaum honoriert. Dies soll sich nun jedenfalls für den Bereich des Erbrechts ändern. Bislang ist es nämlich so, dass in dem Fall, dass der Erblasser – oftmals auch aus Unwissenheit – im Testament keine besondere Regelung für den pflegenden Angehörigen getroffen hatte, dieser oft leer ausgeht. Eine Berücksichtigung der Pflegeleistungen ist zur Zeit nur für den pflegenden Abkömmling vorgesehen, dem auch noch wegen der Pflegeleistung sein berufliches Einkommen entgangen ist. Dies soll sich nun ändern: Die Aufwendungen für die Pflegeleistungen sollen nun von der unter den Erben aufzuteilenden Summe abgezogen werden. Auch soll von nun an jeder gesetzliche Erbe einen Ausgleich für seine Pflegeleistung erhalten.
Beispiel
Die verwitwete kinderlose Erblasserin wird von ihrer nicht berufstätigen Schwester gepflegt. Der Bruder kümmert sich nicht. Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der Nachlass beträgt 100.000 Euro. Die Pflegeleistungen sind mit 20.000 Euro zu bewerten. Derzeit erben die Schwester und der Bruder je zur Hälfte.Künftig kann die Schwester einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen verlangen. Von dem Nachlass wird zugunsten der Schwester der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt (100.000–20.000 = 80.000). Von den 80.000 Euro erhalten beide die Hälfte. Im Ergebnis erhält die Schwester also 60.000 Euro.
(Quelle: Bundesjustizministerium)

Ausweitung der Stundungsregelung
Erben von Immobilien oder Unternehmen sind häufig gezwungen, diese zu verkaufen, um den Pflichtteil an die Berechtigten auszuzahlen. Um unbillige Härten zu vermeiden, gibt es zwar auch jetzt schon Ausnahmeregelungen, jedoch sind diese sehr eng ausgestaltet und stehen nur dem Pflichtteilsberechtigten Erben zu. Auch hier soll nun eine Lockerung vorgenommen werden. Die Voraussetzungen sollen erleichtert werden und vor allem soll die Möglichkeit der Stundung nun jedem Erben offen stehen.

Schenkungen sollen sicherer werden
Wer sich bislang – beispielsweise von einem alten Freund – einen größeren Vermögenswert hatte schenken lassen, muss bislang zehn Jahre lang damit rechnen, dass ihm dieser wieder entzogen wird. Dies hängt mit dem sogenannten „Pflichtteilsergänzungsanspruch“ zusammen. Dieser berechtigt den Pflichtteilsberechtigten dazu, noch bis zu zehn Jahre nach dem Tod des Erblassers, vom Beschenken zu verlangen, dass verschenkte Vermögen wieder zum Nachlass zurück zu geben. Pflichtteilsberechtigte werden also nach geltendem Recht so gestellt, als ob es die Schenkung nie gegeben hätte. Was den Pflichtteilsberechtigten freuen mag, stellt aber für den Beschenkten oftmals einen schweren finanziellen Rückschlag dar, da dieser das Vermögen vielleicht schon längst verplant oder ausgegeben hat. Um für diesen mehr Planungssicherheit zu schaffen, sollen die Schenkungen nun zeitabhängig gestaffelt in den Nachlass zurückfließen: Die Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall soll noch ganz zurückfließen, die im zweiten Jahr nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw.

Fazit
Wann das neue Gesetz nun Gültigkeit erlangen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ersichtlich. Aber auch bei der aktuellen Erbfolgenplanung erscheint es sinnvoll, die neuen Regelungen zumindest planend im Hinterkopf zu behalten, um nicht von der Gesetzesänderung überrascht zu werden oder diese womöglich überhaupt nicht zu registrieren.


Andreas Jäger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht

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