Provida 2000-Messung und Fahrverbot/Geldbuße; Bezugnahme auf kompletten Videofilm unzulässig!

12.05.2011, Autor: Herr Sven Skana / Lesedauer ca. 2 Min. (3366 mal gelesen)
In dem hier zugrunde liegenden Fall fuhr der Betroffene, nach Abzug einer Toleranz von 8 km/h, mit einer Geschwindigkeit von 141 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur 100 km/h beträgt. Dies hätte der Betroffene auch erkennen können. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit dem Messgerät Provida 2000. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffenen mit der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Es wird nicht mitgeteilt, wie die fragliche Geschwindigkeitsmessung vorgenommen wurde. Im Urteil heißt es lediglich dazu, dass das Gericht überzeugt sei, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen wurde. Das wurde „bestätigt durch die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Videoaufnahme“. Weiterhin wird im Urteil angeführt, dass „wegen der Einzelheiten auf die sich bei der Akte befindliche DVD mit der entsprechenden Videosequenz Bezug genommen“ wird.

Zweifelhaft ist, ob im Urteil auf einen Videofilm verweisen werden kann. Gemäß § 267 I 3 StPO kann auf „Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, im Urteil verwiesen werden“. Fraglich ist nun, ob eine Videoaufnahme eine Abbildung ist, mit der Folge, dass auf sie im Urteil Bezug genommen werden kann.

Einerseits wird vertreten (OLG Dresden VA 09, 160), dass eine für die Bezugnahme geeignete Abbildung auch dann vorliegt, wenn technische Hilfsmittel notwendig sind, um diese betrachten zu können.
Anders sieht dies vorliegend das OLG Hamm. Es führt an, dass der Wortlaut „Abbildung“ dagegen spricht, einen Verweis auf einen ganzen Videofilm für zulässig zu erachten. Weiterhin wird vorgebracht, dass ein Film aus einer Vielzahl hintereinander in kurzen Abständen gezeigter einzelner Abbildungen besteht. Durch den Verweis auf einen ganzen Film, ist unklar auf welche Abbildung konkret verwiesen wird.
Letztlich ist diese Frage noch immer nicht hinreichend klar beantwortet worden, so dass eine Entscheidung durch den BGH wahrscheinlich ist.

Des weiteren wird im vorliegenden Fall angeführt, dass nach § 267 I 3 StPO eine Verweisung nur wegen der Einzelheiten zulässig ist. Das bedeutet, dass eine Beschreibung des Wesentlichen in knapper Form nicht unterbleiben kann. Es soll sichergestellt werden, dass das Urteil noch aus sich heraus verständlich bleibt. Dies ist hier unterblieben. Somit ist die Beweiswürdigung aus sich heraus nicht verständlich.

Das Urteil wurde auf Grund des aufgezeigten Rechtsfehlers aufgehoben. Auf Grund des eindeutig vorliegenden Rechtsfehlers konnte der Senat es dahinstehen lassen, ob es überhaupt zulässig war, auf einen Videofilm insgesamt nach § 267 I 3 StPO Bezug zu nehmen.

OLG Hamm vom 09. 12. 2009, 3 Ss OWi 948/09

Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 173-174, 10 707 Berlin, Tel: 030/886 81 505.