Pyrotechnik im Stadion: Mache ich mich strafbar?

22.02.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (19107 mal gelesen)
Stadion,Fußballspiel,Bengalos,Feuerwerk,strafbar Wer im Fusballstadion Pyrotechnik einsetzt, kann sich strafbar machen. © Rh - Anwalt-Suchservice

Pyrotechnik gehört für einige Menschen einfach zum Fußballspiel. Andere jedoch sehen sie als Gefahr, denn Feuerwerk im Fußballstadion kann ernste Verletzungen verursachen. Welche Strafen drohen?

Bereits seit den 80er Jahren verwenden Zuschauer bei Fußballspielen Pyrotechnik. Oft genutzt werden sogenannte "Bengalos", also bengalische Feuer. Dies sind Handfackeln, die für pyrotechnische Effektbeleuchtungen und als Seenotfackeln entwickelt worden sind. Sie brennen rot und entwickeln sehr viel Rauch. Einer ihrer Bestandteile ist Magnesium, was zu einer Hitzeentwicklung bis zu 2.500 Grad Celsius führen kann. Es gibt auch Bengaltöpfe. Teilweise werden bei Fußballspielen auch Böller eingesetzt. Nicht jeder hat dafür Verständnis, denn die Verletzungsgefahr durch Pyrotechnik in einer Menschenmenge ist besonders hoch. Abstand zu halten, ist in der Menschenmenge unmöglich. Auch die Stadionbetreiber sind nicht begeistert.

Bengalos im Stadion: Welche Gefahren gibt es?


Selbst ohne direkte Berührung der Flamme kann die massive Hitzeentwicklung von Bengalos Verbrennungen verursachen. Von den Fackeln tropft eine Schlacke zu Boden, die noch eine ganze Weile so heiß bleibt, dass sie Verbrennungen verursachen kann. In einer Menschenmenge ist die Gefahr groß, dass andere Zuschauer Brandverletzungen erleiden. Ebenso können auch Gegenstände Feuer fangen. Bengalisches Feuer lässt sich nicht mit Wasser oder Sand löschen.

Der dichte Rauch nimmt darüber hinaus einer großen Zahl von Zuschauern komplett die Sicht. Dies ist nicht nur ärgerlich für Zuschauer, die das Spiel sehen möchten, sondern es kann sogar das Spiel selbst behindern. Hinzu kommt, dass das helle Licht der Bengalo-Flammen auch eine Blendwirkung besitzt. In einer Menschenmenge kann dies zu einer Panik führen. Das Einatmen des Rauchs der abbrennenden Chemikalienmischung ist gesundheitsschädlich und die anderen Zuschauer können sich dem nicht entziehen.

Was sagt das Gesetz zu Feuerwerkskörpern im Stadion?


Einschlägige Vorschriften findet man im Sprengstoffgesetz und der dazugehörigen Sprengstoffverordnung. Zum Beispiel dürfen nur Volljährige in dem engen Zeitfenster rund um den Jahreswechsel Feuerwerkskörper der Kategorie II zünden - also etwa Böller oder Raketen. Alles andere ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Jeglicher Umgang mit "Polenböllern" oder selbst modifiziertem, nicht zugelassenem Feuerwerk ist eine Straftat. Dies besagt § 40 Absatz 1 Nr. 3 i.V.m. § 27 Sprengstoffgesetz. Hier droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Die meisten Bengalfackeln fallen unter die Feuerwerkskategorien T1 oder P1 (Bühnenfeuerwerk / technisches Feuerwerk). Daher dürfen Volljährige sie ganzjährig kaufen. Die Händler verlangen teilweise eine Verwendungsbestätigung, nach der sie nur für den gesetzlich vorgesehenen Zweck (angemeldete Vorführung, Seenotfall) benutzt werden sollen.

Urteil: Schon das Abbrennen von Bengalos kann strafbar sein


Es gibt zwar durchaus unterschiedliche Rechtsansichten zu der Frage, ob es schon für sich genommen eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat ist, Bengalos in einem Stadion abzubrennen. Manche Gerichte sehen darin jedoch eine versuchte gefährliche Körperverletzung, weil sie davon ausgehen, dass der Betreffende die Verletzung anderer Leute dabei in Kauf nimmt. Das Amtsgericht Hannover etwa verurteilte einen Angeklagten zu je vier Monaten Freiheitsstrafe für das Abbrennen eines bengalischen Feuers, ausgesetzt auf Bewährung, sowie zu einer Zahlung von 500 Euro an den Kinderschutzbund (Az. 223 Ds 375/14).

Verletzungen durch Bengalos: Straftaten


Wenn es nun aber tatsächlich zur Verletzung von Personen kommt, macht sich der Pyrotechnik oder Böller verwendende Fan sehr wahrscheinlich wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar. Der Grund: Zur Begehung der Tat wird ein sogenanntes "gefährliches Werkzeug" benutzt oder das Leben einer anderen Person gefährdet. Dem Angeklagten muss jedoch ein entsprechender Vorsatz nachgewiesen werden. Hier reicht ein bedingter Vorsatz aus, bei dem eine Gefährdung anderer Personen lediglich in Kauf genommen wird. Bei einer vollendeten gefährlichen Körperverletzung nach § 224 des Strafgesetzbuches (StGB) droht eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Urteil: Rauchvergiftung von Stadionbesuchern durch Bengalos


Bei einem Spiel FC Schalke 04 gegen Eintracht Frankfurt am 24.11.2012 zündete eine Gruppe von Fans zeitgleich 19 Seenotrettungsfackeln. Acht unbeteiligte Stadionbesucher erlitten Rauchvergiftungen, darunter ein 12-jähriges Kind. Das Landgericht Essen verurteilte einen der Täter wegen gefährlicher Körperverletzung, Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte das Urteil (11.8.2015, Az. 5 RVs 80/15).

Urteil: Vergiftung durch Rauchbombe


Einen anderen Straftatbestand fand das Amtsgericht Dortmund. Es ging hier um einen Fan, der bei einem Bundesligaspiel Borussia E gegen Eintracht G aus einer Gruppe heraus eine Rauchbombe gezündet hatte. Diese hatte eine große Menge Rauch produziert, der sich auf den gesamten oberen Rängen der Südtribüne ausbreitete und bei vielen Zuschauern Gesundheitsstörungen verursachte. Das Gericht verurteilte den Täter wegen gemeinschaftlicher Giftbeibringung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Die entsprechende Vorschrift ist § 330a StGB, "Schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften" (Urteil vom 11.7.2005, Az. 73 Ls 163 Js 64/04).

Urteil: Polenböller in den Spielertunnel geworfen


Beim Spiel VfL Osnabrück gegen SC Preußen Münster am 10.9.2011 wollte ein Mitglied einer "Ultra-Gruppe", einen besonders sprengkräftigen und nicht zugelassenen "Polenböller" zum gegnerischen Fanblock werfen. Dies war geplant, ein anderer Zuschauer hatte den Böller extra in einer Coladose eingeschmuggelt.
Der Böller landete durch eine Dachöffnung im Spielertunnel, detonierte dort und verursachte eine Druckwelle. Es wurden 33 Personen verletzt, darunter 17 Polizeibeamte, zwei Sanitäter, ein Notarzt und fünf Kinder. Der Täter ließ sich inzwischen auf der Tribüne feiern.
Die Verletzten erlitten Explosionstraumata, Gehörschäden, Brandwunden und Fleischwunden. Viele waren über Wochen arbeitsunfähig und hatten dauerhaft bleibende Gehörschäden. Der Täter wurde vom Landgericht Osnabrück wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 33 Fällen zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt (Urteil vom 23.3.2012, Az. 10 KLs 37/11).

2021: Polenböller im Stadion: 21 Verletzte und Haftstrafe


Im Dezember 2021 bestätigte der Bundesgerichtshof die Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten für einen Mann, der im Innenraum eines vollbesetzten Fußballstadions einen nicht zugelassenen Böller gezündet hatte. Durch die Detonation hatten 21 Personen Verletzungen wie Knalltraumata, Kopfschmerzen oder Hörminderungen erlitten. Verurteilt wurde der Täter unter anderem wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 21 Fällen. Die Vorschrift des § 308 sieht in ihrem zweiten Absatz eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren vor, wenn es zu einer "Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen" kommt. Der BGH sah hier die "große Anzahl" als gegeben an - und verwies auf ein früheres Urteil, in dem dafür bereits 14 Verletzte ausgereicht hatten (Urteil vom 8.12.2021, Az. 3 StR 264/21). Übrigens: Wird bei einer Sprengstoffexplosion leichtfertig der Tod eines anderen Menschen verursacht, ist die Strafe laut § 308 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren bis lebenslänglich.

Können Vereine Verbandsstrafen auf Fans abwälzen?


Manchmal werden Vereine von ihren Verbänden zu Strafen herangezogen, weil ihre Fans Spiele stören oder Schäden oder Körperverletzungen verursachen. Dies gilt auch bei der Pyrotechnik. So verhängte der DFB eine Verbandsstrafe gegen den 1. FC Köln wegen einiger Vorfälle, darunter das Zünden eines Knallkörpers im Stadion, eine Strafe von 50.000 Euro und die Auflage, zusätzliche 30.000 Euro für Projekte der Gewaltprävention und Maßnahmen zur Ermittlung von Tätern bei den Fußballspielen zu zahlen. Der Verein wollte 30.000 Euro als Schadensersatz von einem Fan einklagen, der Feuerwerkskörper geworfen hatte. Dieser wurde schließlich zur Zahlung von 20.340 Euro verurteilt (BGH, Urteil vom 9.11.2017, Az. VII ZR 62/17).

Praxistipp zu Bengalos etc. im Stadion


Die Gerichte sehen es als bekannt an, dass auch Bengalos Rauchvergiftungen und damit eine Körperverletzung verursachen können. Auch eine Schadensersatzforderung ist nicht ausgeschlossen - auch durch die geschädigten Personen. Je nachdem, ob es sich um den Vorwurf einer Straftat oder um eine Zivilklage handelt, kann ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein auf das Zivilrecht spezialisierter Anwalt der richtige Ansprechpartner sein.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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