Qualifizierter Rotlichtverstoß mit Fahrverbot: Dauer der Rotlichtphase kann vom Polizeibeamten geschätzt werden!

15.12.2009, Autor: Herr Sven Skana / Lesedauer ca. 2 Min. (3366 mal gelesen)
Grundsätzlich kann bei einer gezielten Ampelüberwachung die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes durch eine Schätzung der Polizeibeamten erfolgen – doch diese Schätzung muss für das Gericht überprüfbar sein!

Grundsätzlich kann bei einer gezielten Ampelüberwachung die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes durch eine Schätzung der Polizeibeamten erfolgen – doch diese Schätzung muss für das Gericht überprüfbar sein!

Vorliegend wurde der Betroffene wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens (Rotlichtverstoß von mehr als einer Sekunde; qualifizierter Rotlichtverstoß) zu einer Geldbuße von 187,50 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem angeordnet.

Der Rotlichtverstoß wurde aufgrund der Schätzung von Polizeibeamten bei einer polizeilichen Ampelüberwachung festgestellt.
Dagegen richtete sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vor dem OLG Hamm, welche jedoch als unbegründet verworfen wurde. Das OLG Hamm hielt fest, dass es lediglich näherer Erörterung bedarf, ob die Feststellung, dass die Lichtzeichenanlage bei Überfahren der Haltelinie durch den Betroffenen bereits mehr als eine Sekunde „rot“ zeigte, von der Beweiswürdigung getragen wird. Zu den Anforderungen an die Feststellung äußerte das Gericht, dass grundsätzlich - jedenfalls bei einer gezielten (!) Ampelüberwachung - die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes aufgrund der Schätzung von Polizeibeamten festgestellt werden kann, wenn der Polizeibeamte durch Zählen („21, 22“) zu einer Schätzung gelangt, wonach die Rotlichtphase bei Überfahren der Haltelinie schon mindestens zwei Sekunden andauerte. Diese Schätzung muss aber für das Tatgericht und das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar sein.

Diese Voraussetzungen für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes waren hier eingehalten. Das Urteil des AG teilt mit, dass es sich um eine gezielte Rotlichtüberwachungsmaßnahme handelte, das Vorhandensein einer Haltelinie, die Beobachtungsposition des Zeugen und dass dieser ca. 20 Meter vor der Ampel überblickte, wobei das Fahrzeug des Betroffenen, bei Umspringen der Ampel auf „rot“ noch gar nicht in seinem Blickfeld war, also noch weiter als 20 Meter entfernt gewesen sein muss. Auch lässt sich dem Urteil entnehmen, dass der Polizeibeamte durch Zählen von einundzwanzig aufwärts die Rotlichtphase von über zwei Sekunden ermittelt habe.

OLG Hamm, 3Ss OWi 55/09

Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030/886 81 505.