Schlafender Richter

30.11.2007, Autor: Herr Volker Schweer / Lesedauer ca. 2 Min. (3629 mal gelesen)
Muss ein Richter während einer Verhandlung ständig anwesend und vor allem wach sein, um sich ein Urteil bilden zu können und zu richten?

Kann auch ein schlafender Richter richten?

Muss ein Richter während einer Verhandlung ständig anwesend und vor allem wach sein, um sich ein Urteil bilden zu können und zu richten?

Der Fall: Am 19.05.2006 fand vor dem Verwaltungsgericht Berlin eine Verhandlung statt, in der einem der ehrenamtlichen Richter einige Male die Augen zufielen. Nach wenigen Sekunden bis etwa eine Minute schreckte der Richter dann jeweils wieder hoch, folgte der Verhandlung für ein bis zwei Minuten, und nickte anschließend wieder weg.

Da das auf die Verhandlung ergangene Urteil offenbar nicht dem Geschmack der Kläger entsprach, legte deren Anwalt Rechtsmittel ein. Begründung: Das Verwaltungsgericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, da ein Richter geschlafen habe.

Geschlafen oder nur hochkonzentriert?

Das angerufene Bundesverwaltungsgericht führt in seiner Entscheidung vom 19.07.2007 hierzu aus, dass ein Richter in der Lage sein müsse, die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung wahrzunehmen und sie aufzunehmen. Allerdings (und jetzt wörtlich) „... sind Zeichen großer Ermüdung, Neigung zum Schlaf und das Kämpfen mit der Müdigkeit noch kein sicherer Beweis dafür, dass der Richter die Vorgänge in der Verhandlung nicht mehr wahrnehmen konnte. Auch das Schließen der Augen und das Senken des Kopfes auf die Brust, selbst wenn es sich nicht nur auf wenige Minuten beschränkt, beweist noch nicht, dass der Richter schläft. Diese Haltung kann auch zur geistigen Entspannung oder zu besonderer Konzentration eingenommen werden.“

Das Bundesverwaltungsgericht führt jedoch weiter aus, dass dann davon ausgegangen werden könne, dass ein Richter schläft oder in anderer Weise „abwesend“ ist, wenn (ab jetzt wieder wörtlich) ...„andere sichere Zeichen hinzukommen, wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung“.

Aber: Hochschrecken allein reicht nicht! Denn dies kann auf einen Sekundenschlaf zurückzuführen sein, der nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die geistige Aufnahme des wesentlichen Inhalts der mündlichen Verhandlung nicht beeinträchtige.

In dem zu entscheidenden Fall kam das Bundesverwaltungsgerichts zu dem Ergebnis, dass der ehrenamtliche Richter tatsächlich geschlafen hatte, und hob das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin auf.

Fazit: Wenn ein sich ruckartig aufrichtender Richter richtet, muss dies nicht unbedingt nicht rechtens sein.

Volker Schweer