Schnee und Eis: Welche Pflichten hat der Vermieter?

20.01.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Geräumter Fußweg,Mietshäuser Vermieter sind im Winter Haftungsrisiken ausgesetzt. © Rh - Anwalt-Suchservice

Bei winterlichem Wetter müssen Vermieter an ihre Räum- und Streupflicht denken. Häufig übertragen sie diese auf Mieter oder Räumdienste. Allerdings befreit sie dies nicht von der gesamten Verantwortung.

Irgendwo in Deutschland kommt es in jedem Winter vollkommen unerwartet zu Schneefällen. Dann sind Straßen und Wege plötzlich mit weißer Pracht bedeckt und der Verkehr wird behindert. Auf den Straßen ist das Chaos vorprogrammiert. Schnee und Eis sorgen für Stürze von Fußgängern. Die Gemeinden sind mit dem Räumen ihrer Straßen und Wege ausgelastet. Daher übertragen sie ihre Räum- und Streupflicht von öffentlichen Gehwegen an die Eigentümer von Anliegergrundstücken. Auch Vermieter haben Pflichten: Sie müssen nicht nur auf dem öffentlichen Gehweg, sondern auch auf dem eigenen Grundstück für die Sicherheit der dort verkehrenden Personen sorgen. Wenn sie als Eigentümer ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachkommen, können erhebliche Schadensersatzforderungen die Folge sein.

Was versteht man unter der Verkehrssicherungspflicht?


Wer eine mögliche Gefahrenquelle schafft oder betreibt, muss auch dafür sorgen, dass durch diese niemand anders zu Schaden kommt - jedenfalls, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. Dies bezeichnet man als die Verkehrssicherungspflicht. Sie gilt nicht nur für öffentliche Verkehrswege, sondern für alle Bereiche, in denen andere Personen berechtigtermaßen unterwegs sind. Also etwa den Weg zwischen Grundstückseingang und Haustür. Die Verkehrssicherungspflicht gilt auch auf Gehwegen auf einem Privatgrundstück, die Personen nutzen – zum Beispiel Postboten, Paketboten, Pizzaboten und natürlich Mieter.

Wer muss bei Schnee und Eis räumen und streuen?


Die Verkehrssicherungspflicht für einen Weg obliegt dessen Eigentümer. Dieser ist also grundsätzlich für den Winterdienst zuständig und muss dafür sorgen, dass man sich auf seinem Weg ohne Gefahr fortbewegen kann. Die Gemeinde ist zwar für den öffentlichen Gehweg vor einem privaten Grundstück verantwortlich. Üblicherweise überträgt sie jedoch ihre Verkehrssicherungspflicht mit Hilfe einer kommunalen Satzung auf die privaten Grundstückseigentümer an der Straße. Diese können dann die Pflicht weiter übertragen - zum Beispiel auf ihre Mieter oder einen gewerblichen Winterdienst.

Wie funktioniert die Übertragung auf Mieter?


Mieter und Vermieter können im Mietvertrag vereinbaren, dass die Mieter dazu verpflichtet sind, im Winter den Gehweg vor dem Haus und die Zugangswege auf dem Grundstück von Schnee und Eis frei zu halten. Auch in der Hausordnung kann sich eine solche Vereinbarung finden, wenn diese von Anfang an Teil des Mietvertrages ist. Allerdings kann der Vermieter dem Mieter während des laufenden Mietverhältnisses keine neuen Pflichten übertragen, indem er nachträglich einseitig die Hausordnung ändert oder Zettel im Treppenhaus aufhängt.

Wichtig für Vermieter ist, dass sie sich auch nach einer wirksamen Übertragung ihrer Verkehrssicherungspflicht auf die Mieter nicht einfach entspannt zurücklehnen können. Sie behalten nämlich trotzdem eine Kontroll- und Aufsichtspflicht. Die Folge: Sie müssen jedenfalls stichprobenartig kontrollieren, ob die Verantwortlichen tatsächlich Schnee und Eis beseitigen. Gibt es Anlass für die Vermutung, dass dies nicht der Fall ist, muss der Vermieter dem entgegenwirken und mehr kontrollieren. Sonst droht ihm unter Umständen trotz Pflichtübertragung eine Haftung für Verletzungen von gestürzten Passanten, Lieferanten oder Hausbewohnern.

Welche Pflichten haben Mieter?


Haben Mieter vertraglich die Pflicht zum Schneeräumen übernommen, müssen sie dieser auch nachkommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie arbeiten müssen oder verreist sind, wenn es schneit. Wenn sie verhindert oder nicht vor Ort sind, müssen sie eine Vertretung organisieren oder notfalls einen Räumdienst beauftragen.

Bei einem Mehrfamilienhaus ist der Inhalt des einzelnen Mietvertrages maßgeblich. Erst einmal ist es nicht entscheidend, ob die Pflichten unter den Mietparteien gerecht verteilt sind. Dies ist kein Grund, der Räumpflicht nicht nachzukommen. Aber: Eine gerechte Aufteilung der Arbeiten kann vor Gericht durchgesetzt werden. So hat etwa das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden, dass es kein Gewohnheitsrecht gibt, nach dem im Mehrfamilienhaus immer ausschließlich der Erdgeschossmieter Schnee schippen muss (Az. 16 U 123/87). Auch das Amtsgericht Köln urteilte, dass bei einem Haus mit 24 Parteien nicht einfach der komplette Winterdienst auf die drei Erdgeschossmieter übertragen werden durfte. Die entsprechende Klausel in der Hausordnung war laut Gericht unwirksam (Urteil vom 14.9.2011, Az. 221 C 170/11).

Ein Hilfsmittel für eine gerechte Verteilung der Pflichten unter mehreren Mietern ist die sogenannte Schneeräumkarte. Sie wird immer nach dem Schneeräumen an den nächsten Mieter weitergegeben. Für Mieter ist eine private Haftpflichtversicherung empfehlenswert, die den Schaden trägt, wenn doch einmal ein Passant wegen nicht geräumter Wege stürzt.

Was gilt bei einer Übertragung auf einen gewerblichen Winterdienst?


Natürlich können Vermieter ihre Schneeräumpflicht auch einem gewerblichen Winterdienst übertragen. So vermeiden sie Streit im Haus und sorgen bestenfalls auch noch für eine professionelle Arbeit. Auch hier sind Vermieter jedoch nicht von ihrer Kontrollpflicht befreit. Überprüfen sie nicht, ob der Räumdienst zuverlässig arbeitet, und kommt dann jemand zu Schaden, haftet der Vermieter. Hier ist eine Vermieter-Haftpflichtversicherung zu empfehlen.

Die Kosten für den Räumdienst fallen regelmäßig an. Daher können sie als Betriebskosten auf die einzelnen Mieter umgelegt werden. Allerdings muss dies mietvertraglich vereinbart sein. Auch die Kosten für die Anfahrt des Dienstleisters und die Streumittel sind umlagefähig. Dies gilt jedoch nicht für die Kosten der Anschaffung oder Reparatur von Räumgeräten. Letzteres gilt unabhängig davon, wer für den Vermieter Schneeschaufel und Besen schwingt.

Die reinen Arbeitskosten für den Winterdienst können als haushaltsnahe Dienstleistungen von der Steuer abgesetzt werden. Dies dürfen sowohl das Objekt selbst bewohnende Eigentümer als auch Mieter. Bestätigt wurde dies mit einem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 20.3.2014 (Az. VI R 55/12). Auch geht es aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums hervor (IV C 8 - S 2296-b/07/10003 :008).

Wie viel Schnee muss weg?


Meist regelt eine Straßenreinigungssatzung der Gemeinde, wie breit der geräumte Streifen auf dem öffentlichen Gehweg zu sein hat. Oft sind es ein bis 1,50 Meter. Bei seltener benutzten Wegen auf dem Grundstück (etwa zur Mülltonnenbox) kann auch ein schmalerer Streifen ausreichen. Laut Oberlandesgericht Frankfurt sind zum Beispiel 50 cm Breite bei einem solchen Weg genug. Solche Urteile beziehen sich jedoch immer auf den einzelnen Fall. Die besonderen Verhältnisse vor Ort sind entscheidend (OLG Frankfurt, Az. 23 U 195/00).

Übrigens: Private Wege oder Plätze, die Passanten oder Mieter nur begehen, um einen anderen Weg abzukürzen, müssen im Normalfall vom Eigentümer nicht geräumt oder gestreut werden (OLG Hamm, Urteil vom 16.5.2013, Az. 6 U 178/12). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Hauptweg geräumt ist.

Wann muss geräumt werden?


Auch dies ergibt sich aus Gemeinde-Satzungen. Grundsatz: Sobald Eisglätte herrscht, muss der Räumpflichtige sofort ans Werk gehen. Schnee muss in vielen Gemeinden werktags morgens ab sieben Uhr geräumt sein und abends bis 20 Uhr geräumt werden. Am Wochenende darf man morgens ein oder zwei Stunden später beginnen. Diese Zeiten können sich von Ort zu Ort unterscheiden. Beispiel: In Hamburg muss werktags bis 8 Uhr 30 geräumt sein, an Sonn- und Feiertagen bis 9 Uhr 30 und abends jeweils bis 20 Uhr.

Aus diesen Zeitangaben ergibt sich auch, dass nicht nur morgens geräumt werden muss. Wenn es tagsüber neu schneit, muss grundsätzlich während der Räumzeiten auch zwischendurch geräumt werden. Zwar ist es bei längerem starken Schneefall sinnlos, zwischendurch zu räumen. Daher müssen Räumpflichtige erst nach Ende des Schneetreibens wieder aktiv werden. Auch dies ist aber in den Gemeinden oft unterschiedlich geregelt. So verlangen einige Satzungen, dass sofort nach Schneefallende wieder geräumt wird. Andere räumen dem Betreffenden noch etwas Zeit ein, um abzuwarten, ob es weiter schneit.

Streupflicht nicht bei einzelnen Glättestellen?


Ein wichtiges Urteil zur Räum- und Streupflicht stammt vom Bundesgerichtshof: Danach muss der Räumpflichtige bei Eisglätte erst tätig werden, wenn eine allgemeine Glätte herrscht. Einzelne Glättestellen würden noch keine Pflicht zum Winterdienst auslösen. In verhandelten Fall war der ganze Gehweg vor einem Haus eisfrei und trocken gewesen – bis auf eine Stelle von etwa einem Quadratmeter. Darauf rutsche eine Passantin aus und verletzte sich. Dem BGH zufolge hatte der Grundstückseigentümer hier seine Pflichten nicht verletzt. Auch eine Gemeinde könne in ihrer Satzung keine Pflicht zum Streuen bei einzelnen Glättestellen vorschreiben (Urteil vom 14.2.2017, Az. VI ZR 254/16).

Rentner mit Schneeschieben überfordert: Trotzdem Haftung?


Die Räum- und Streupflicht gilt grundsätzlich auch für Senioren. Wer zu gebrechlich oder zu krank ist, um sie zu erfüllen, muss versuchen, eine Vertretung zu finden, die für ihn einspringt. Wenn dies misslingt, sind gebrechliche Senioren nach Meinung mehrerer Gerichte von der Räumpflicht befreit (z. B. Landgericht Münster, Urteil vom 19. Februar 2004, Az. 8 S 425/03).
Andere Gerichte meinen, dass gebrechliche Senioren als Mieter schon aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen von der Schneeräumpflicht zu befreien sind und dann auch keinen Räumdienst beauftragen müssen (Landgericht Köln, Urteil vom 30. August 2012, Az. 1 S 52/11).

Wenn Hauseigentümer die Schneeräumpflicht auf andere übertragen, müssen sie bei der Auswahl des Betreffenden auch darauf achten, dass dieser die Aufgabe tatsächlich durchführen kann. Eine Eigentümergemeinschaft hatte einen 82-jährigen Rentner damit beauftragt, alle Wege einer großen Wohnanlage zu räumen. Aber: Dieser schaffte die Arbeit einfach nicht. Dem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg zufolge haftete die Eigentümergemeinschaft daher für die Folgen eines daraus resultierenden Sturzes (Urteil vom 14.2.2014, Az. 4 O 2716/12).

Praxistipp zur Räum- und Streupflicht für Vermieter


Auch die Räum- und Streupflicht hat Grenzen. Benutzt jemand zum Beispiel einen vereisten Weg, obwohl er auch mit einem geringen Umweg auf einem gestreuten Weg zum Ziel kommen könnte, kann er nicht seinen Vermieter auf Schadensersatz verklagen (Amtsgericht München, Urteil vom 27.7.2012, Az. 212 C 12366/12). Falls Sie als Vermieter wegen einer Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen werden, ist ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt der beste Ansprechpartner. Dieser kann die Frage der Haftung am besten beurteilen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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