Screen Scraping zulässig

Autor: RA Dominik Eickemeier, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2014
Das Auslesen frei zugänglicher Flugverbindungsdaten im Wege einer automatisierten Abfrage („Screen Scraping”) zur Vermittlung von Flugbuchungen ist auch dann erlaubt, wenn es gegen die Nutzungsbedingungen der Website der Fluggesellschaft verstößt.

BGH, Urt. v. 30.4.2014 - I ZR 224/12

Vorinstanz: OLG Hamburg, Urt. v. 24.10.2012 - 5 U 38/10
Vorinstanz: LG Hamburg, Urt. v. 26.2.2010 - 310 O 31/09

UWG § 4 Nr. 10

Das Problem:

Internetportale zum Vergleich von Flugpreisen mit gleichzeitiger Möglichkeit einer Onlinebuchung sind beliebt. Grundlage dieses Geschäftsmodells ist die automatisierte Abfrage von Flugdaten der Internetseiten der Fluggesellschaften. Zumeist erfolgt die Buchung im Wege der Vermittlung für den Fluggast bei der Fluggesellschaft. Fluggesellschaften versuchen durch Formulierung ihrer Website-AGB eine solche Nutzung ihrer Flugdaten zu verhindern, was im vorliegenden Fall wie folgt formuliert war:

Untersagt ist insbesondere der Einsatz eines automatisierten Systems oder einer Software zum Extrahieren von Daten von der Website, um diese auf einer anderen Website anzuzeigen („Screen Scraping”). ...

Der Buchende und damit auch das Vermittlungsportal sind gezwungen, diese AGB zu akzeptieren. Das Vermittlungsportal verwendet für die Buchungen die eigene Kreditkarte und nicht diejenige der Fluggäste. Dies ist der Fluggesellschaft auch erkennbar. Die Fluggesellschaft hatte nicht durch technische Maßnahmen sichergestellt, dass nur Fluggäste über ihr Internetportal Flüge buchen können.

Darf ein Vermittlungsportal in dieser Weise auf die Daten einer Fluggesellschaft zugreifen und Fluggästen Flüge auf diese Weise vermitteln, auch wenn die Fluggesellschaft in ihren AGB deutlich macht, dass sie dies nicht wünscht?

Die Entscheidung des Gerichts:

Auf die seitens des Vermittlungsportals erhobene Revision verwies der BGH die Sache zur Prüfung des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes (§ 4 Nr. 9 UWG) und einer Irreführung (§ 5 UWG) an das OLG Hamburg zurück.

Gleiches gilt bezogen auf in der Vorinstanz nicht behandelte Hilfsanträge der Fluggesellschaft und auch für datenbankrechtliche Ansprüche. Allerdings hatte der BGH letzteren bereits in der Entscheidung Automobil-Onlinebörse Grenzen gesetzt, in dem er die wiederholte und systematische Vervielfältigung unwesentlicher Teile einer Datenbank für keinen Verstoß gegen § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG hielt, wenn sie nicht darauf gerichtet ist, die Datenbank in ihrer Gesamtheit oder zu einem wesentlichen Teil wieder zu erstellen (BGH, Urt. v. 22.6.2011 – I ZR 159/10, CR 2011, 757). Allerdings liege der Fall hier anders, da den Vermittlungsportalen nicht daran gelegen ist, eine Datenbank in Gänze zu erstellen, sondern im Wege von Einzelabfragen einzelne Datensätze zu entnehmen. Bedenkenswert wäre die Annahme eines Verstoßes schon, da über eine solche Abfrage die klassische Funktion einer Datenbank, nämlich eine systematisierte Abfrage, vollumfänglich ermöglicht wird.

Wettbewerbsrechtlich erfahren die Fluggesellschaften (oder andere Portale mit entsprechenden Datenbanken) vom BGH ebenfalls wenig Unterstützung. Insbesondere sei kein Unlauterkeitsmoment in dem Umstand zu sehen, dass die über ein Vermittlungsportal buchenden Kunden die Zusatzangebote und Werbung der Fluggesellschaft auf ihrer Website nicht wahrnehmen können.

Anders sei es dann, wenn die Fluggesellschaft durch technische Maßnahmen verhindere, dass eine automatisierte Abfrage der Daten ihres Internetangebots möglich ist. Der erklärte Wille, ein solches Abgreifen von Daten nicht erlauben zu wollen, reiche daher nicht aus. Dieser Wille müsse sich vielmehr durch Einrichtung technischer Schutzmaßnahmen manifestieren, so dass auf diese Weise eine automatisierte Abfrage verhindert wird. Dies habe die Fluggesellschaft jedoch unterlassen.

Im Gegensatz zum OLG, das einen unlauteren Schleichbezug in dem Umstand gesehen hatte, dass sich das Vermittlungsportal über die anzuerkennenden AGB hinweggesetzt hatte, ergebe sich aufgrund einer durchgeführten Gesamtwürdigung jedoch keine ausreichende Behinderung des Vertriebskonzepts der Fluggesellschaft, da das Vermittlungsportal lediglich als Vermittlerin tätig war. Es sei eine unzulässige Verdinglichung lediglich schuldrechtlich vereinbarter AGB zu befürchten, folgte man der Auffassung des OLG Hamburg.

Eine Gesamtwürdigung des Geschäftsmodells des Vermittlungsportals ergebe zudem, dass dieses von großem Nutzen für den Verbraucher sein kann, da es Preistransparenz fördere und die Auffindung des günstigsten Flugs für eine bestimmte Flugverbindung erleichtere. Demgegenüber müsse das Interesse der Fluggesellschaft, dass Kunden auch ihre Zusatzleistungen und die bereitgehaltene Werbung zur Kenntnis nehmen, zurückstehen, zumindest, sofern die Fluggesellschaft ihre Daten nicht über technische Maßnahmen vor einer automatisierten Abfrage sichere. Es stehe ihr ja auch frei, die Buchungen des Vermittlungsportals nicht anzunehmen. Sie habe selbst zu verantworten, dass sie sich für ein automatisiertes Bearbeitungsverfahren entschieden habe, durch das sie diese Umstände nicht zur Kenntnis nehme. Da das Vermittlungsportal auch gezwungen sei, die E-Mail-Adresse des Endkunden weiter zu reichen, verfüge die Fluggesellschaft auch über ausreichende Möglichkeiten, mit den Kunden zu kommunizieren.

Da im Übrigen bekannt sei, dass Vermittler für ihre Vermittlungsleistungen auch in diesen Bereichen häufig Gebühren nähmen und das Berufungsgericht zumindest keine Täuschung der Kunden darüber festgestellt habe, gäbe es auch aus diesem Aspekt kein schutzwürdiges Interesse der Fluggesellschaft.


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