Toilettenverbot für Schüler und Studenten?

15.02.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (30114 mal gelesen)
Toilettenverbot,Schule,Uni,strafbar Toilettengang während des Unterrichts: Verbote können rechtliche Folgen haben. © Bu - Anwalt-Suchservice

Auch heute noch scheint manch ein Lehrer, Professor oder Uni-Assistent zu meinen, dass man den Gang zur Toilette während des Unterrichts verbieten darf. Fehlanzeige – hier liegt ein Grundrechtsverstoß vor.

Schüler und Studenten müssen sich an die Regeln der Institution halten, in der sie lernen. Lehrer jedoch dürfen nicht alles anordnen, was sie gern möchten. So enthalten die Schulgesetze der Länder genaue Vorschriften über die zulässigen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen. Und natürlich gelten die Grundrechte auch für Schüler und Studenten.

Warum ein Toilettenverbot für Schüler oder Studenten?


Presseberichte beschäftigen sich immer wieder einmal mit Fällen, in denen Schülern oder Studenten vom Lehrer oder Professor während des Unterrichts der Gang zur Toilette verwehrt wurde. Dies hat meist Diskussionen in Internetforen zur Folge. Die Schulgesetze der Bundesländer regeln zu diesem Thema nichts.
Natürlich werden der Unterricht oder die Prüfungen gestört, wenn sich Schüler oder Studenten ständig aus dem Unterrichtsraum entfernen, um die Toilette aufzusuchen. Und mancher Lehrer hat auch den – im Einzelfall sicher gelegentlich begründeten – Verdacht, dass die Toilettenpause zum Telefonieren, Mitteilungen verschicken, Rauchen oder einfach als zusätzliche Freizeit genutzt wird. Dies gibt der aufsichtsführenden Person jedoch nicht das Recht, ein Verbot auszusprechen. Insbesondere an Hochschulen wird immer öfter der Gang zur Toilette während einer schriftlichen Prüfung untersagt oder erst bei endgültiger Abgabe der Arbeit erlaubt, weil darin eine Möglichkeit für Täuschungsmanöver gesehen wird. Allerdings dauern Klausuren an Hochschulen regelmäßig mehrere Stunden.

Menschenrechte und Grundgesetz


Wegen der damit verbundenen möglichen Schmerzen und der mit einer möglichen Beschmutzung durch entsprechende unfreiwillige Ausscheidungen verbundenen Demütigung gilt ein Toilettenverbot als eine Art der Folter. Diese soll auch schon zur Anwendung gekommen sein, um zum Beispiel in Argentinien Gefangene nach einer Gefängnisrevolte zu bestrafen. Auf jeden Fall liegt hier ein Verstoß gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK vor (Verbot der Folter und unangemessenen Behandlung) sowie auch gegen Art. 1 und 2 des Grundgesetzes (Menschenwürde, Recht auf körperliche Unversehrtheit). Jeder, auch Schüler und Studenten, hat das Recht auf ungehinderten Zugang zu einer Toilette. Solche Verbote verstoßen also gegen Grundrechte und Menschenrechte.

Welche Straftatbestände kommen in Betracht?


Ein Verbot, die Toilette zu benutzen, ist keine Bagatelle. Neben den bereits erwähnten massiven Grundrechtsverstößen kann sich der Betreffende unter Umständen sogar strafbar machen. Es kommen mehrere Straftatbestände in Frage:

- Misshandlung Schutzbefohlener, § 225 StGB,
- Körperverletzung im Amt, § 340 StGB,
- Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, § 171 StGB,
- Nötigung, § 240 I StGB.

Was ist eine Misshandlung Schutzbefohlener?


Bei dieser Vorschrift geht es um das Quälen oder rohe Misshandeln einer Person unter achtzehn Jahren oder einer wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlosen Person, die unter der Fürsorge oder Obhut des Täters steht. Es droht eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und bis zu zehn Jahren. Unter Quälen versteht man dabei das Verursachen eines länger dauernden Leidens. Das erzwungene Einhalten von Notdurft oder Harndrang führt zu Schmerzen und kann als „Quälen“ betrachtet werden. Hinsichtlich des Vorsatzes ist ein „billigendes Inkaufnehmen“ der Schmerzen ausreichend.

Was versteht man unter einer Körperverletzung im Amt?


Bei einer körperlichen Misshandlung würde auch Körperverletzung vorliegen. Davon spricht man, wenn das Opfer auf eine Art behandelt wird, die es in seinem körperlichen Wohlbefinden oder in seiner körperlichen Unversehrtheit verletzt. Bei der Verursachung von Schmerzen wäre letzteres der Fall. Eine Körperverletzung im Amt kann ein Amtsträger während der Ausübung seines Dienstes begehen oder zumindest in Beziehung auf seinen Dienst. Das erzwungene Einhalten verursacht körperlichen Schmerz. Für die Strafbarkeit ist auch hier ein bedingter Vorsatz und damit ein „Inkaufnehmen“ ausreichend. Geahndet wird dieses Delikt mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. In minder schweren Fällen kann auch eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden.

Wann spricht man von einer Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht?


Hier macht sich strafbar, wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren grob verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden. Wenn in der heutigen Zeit der Smartphones und des Mobbings in Sozialen Netzwerken einem Schüler der Toilettengang verweigert wird - womöglich mit der Folge, dass er sich vor versammelter Klasse in die Hose macht, sind solche Folgen durchaus wahrscheinlich. Auch hier kann sich ein Lehrer strafbar machen. Bestraft wird die Tat mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe.

Wann handelt es sich um Nötigung?


Von einer Nötigung spricht man, wenn jemand rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel – dies können auch schulische Disziplinarmaßnahmen oder die Bewertung einer Hochschulprüfung mit „nicht bestanden“ sein – zu einem Handeln oder Unterlassen gezwungen wird. Bei einem Toilettenverbot kann dies der Fall sein. Die Rechtswidrigkeit beruht hier auf dem geschilderten Verstoß gegen das Grundgesetz und die Menschenrechte. Hier droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Erhebliches Strafbarkeitsrisiko


Lehrkräfte sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie möglicherweise eine Straftat begehen, die nicht nur mit einer Geldstrafe geahndet werden kann, sondern für die Mindest-Freiheitsstrafen vorgesehen sind. Um realistisch zu bleiben, muss man jedoch auch darauf hinweisen, dass entsprechende Verurteilungen derzeit nicht bekannt sind.

Praxistipp


Eltern ist hier Besonnenheit zu empfehlen. Bei einem derartigen Verbot muss es sich nicht unbedingt um eine Schikane handeln. Wenn in der Klasse ein ständiges Kommen und Gehen herrscht und der gleiche Schüler womöglich mehrfach in einer Stunde das WC aufsucht, ist kaum noch ein sinnvoller Unterricht möglich. Zunächst sollten Eltern daher das Gespräch mit dem Lehrer suchen, um zu klären, wie die Problematik genau aussieht. Wenn dadurch kein Weiterkommen möglich ist, kann im nächsten Schritt auch der Schulleiter angesprochen werden. Eine Strafanzeige sollte das allerletzte Mittel sein. Ein Rechtsanwalt - am besten mit einer Spezialisierung auf das Schulrecht - kann Eltern fachgerecht beraten.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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