Trunkenheitsfahrt mit Führerscheinentzug bei absoluter Fahruntüchtigkeit: kein vorsätzliches Handeln bei Schweigen des

06.09.2010, Autor: Herr Sven Skana / Lesedauer ca. 2 Min. (3121 mal gelesen)
Das OLG Stuttgart hat am 04.05.2010 entschieden, dass es keinen Erfahrungsgrundsatz gibt, nach der ein Betroffener, der eine erhebliche Menge Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit kennt. Deshalb kann nicht von vorsätzlichem Handeln ausgegangen werden bei einem weit über der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegenden Blutalkoholgehalt, ohne, dass weitere Umstände hinzutreten.

Vorliegend fuhr der Angeklagte auf öffentlichen Straßen mit einem Pkw trotz vorangegangenen Alkoholgenusses (Blutalkoholkonzentration 1,92 Promille). Nachdem der Betroffene in eine Verkehrskontrolle gelangte, wurde nach der Blutentnahme der Führerschein in Verwahrung genommen. Allerdings schien, nach dem Gesamteindruck der ärztlichen Untersuchung, der Angeklagte äußerlich nur unter leichter Alkoholbeeinflussung zu stehen (z.B. war die Nasen-Finger-Probe sicher, die Pupillen unauffällig, die Bindehäute klar, Sprache deutlich...).

Eigentlich stellt der hohe BAK Wert des Angeklagten ein deutliches Indiz auf Vorsatz dar. Es haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte seinen Trunkenheitszustand und damit seine Fahruntüchtigkeit nicht erkannt haben könnte. Der Angeklagte machte keine Angaben zur Sache. Somit ging das Amtsgericht vom Eventualvorsatz des Angeklagten aus.

Der Angeklagte legte Revision ein und hatte mit der Sachrüge Erfolg, weil die Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung von den getroffenen Feststellungen nicht getragen wird.
Da der Angeklagte hierzu aber gar keine Aussagen gemacht hat, er also auch nicht gesagt hat, dass er seine Fahruntüchtigkeit kannte, konnte die Feststellung auf vorsätzliches Handeln nur aus sonstigen Umständen hergeleitet werden.
Hier muss aber berücksichtigt werden, dass sich die Erkenntnis- und Kritikfähigkeit mit steigender Alkoholisierung verringert, sodass die Fähigkeit, die eigene Fahruntüchtigkeit zu erkennen, beeinträchtigt werden kann. Vorliegend werden die Feststellungen durch die ärztliche Untersuchung erheblich abgeschwächt. Danach lautete die Beurteilung, dass der Angeklagte nur unter leichter Alkoholbeeinflussung stand, was daraus schließen lässt, dass sich der offensichtlich Alkohol gewöhnte Angeklagte für fahrtüchtig hielt (OLG Zweibrücken ZfS 91,428).

Somit ist das Urteil aufzuheben. Das Amtsgericht wird nochmals zu prüfen haben, ob weitere Feststellungen, die den Schluss auf eine vorsätzlich Verwirklichung des Tatbestandes der Trunkenheit im Verkehr tragen könnten, getroffen werden können. Ansonsten wird dem Angeklagten nur Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein.

(OLG Stuttgart, 5 Ss 198/10)
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030/886 81 505.