Urlaubsanspruch im langjährig ruhenden Arbeitsverhältnis

Autor: RA FAArbR Dr. Stefan Sasse, Göhmann Rechtsanwälte, Magdeburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2013
Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert, verfallen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres.Gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen auch, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch steht nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien.

BAG, Urt. v. 7.8.2012 - 9 AZR 353/10

Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg - 11 Sa 64/09

BUrlG § 7 Abs. 3

Das Problem:

Die schwerbehinderte Klägerin begehrt Urlaubsabgeltung für den gesetzlichen Erholungsurlaub und den Schwerbehindertenzusatzurlaub für die Jahre 2005 bis 2009. Das Arbeitsverhältnis ruhte gem. § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD seit dem 20.12.2004 wegen Bezugs einer befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente. Zum 31.3.2009 endete das Arbeitsverhältnis. Das LAG hatte der Klägerin den Schwerbehindertenzusatzurlaub und den gesetzlichen Erholungsurlaub zugesprochen und hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der beklagten Arbeitgeberin.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das BAG hebt das Urteil des LAG teilweise auf und spricht der Klägerin nur für die Jahre 2008 und 2009 den geltend gemachten Anspruch zu.

Allerdings entstehen auch im Fall des Bezugs einer vorübergehenden Rente und des damit einhergehenden Ruhens des Arbeitsverhältnisses die gesetzlichen Urlaubsansprüche. Zwar bestimmt § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD, dass sich die Urlaubsdauer analog zur Dauer des Ruhens des Arbeitsverhältnisses vermindert. Diese Vorschrift ist jedoch insoweit unwirksam, als sie auch die Verminderung gesetzlicher Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern erfasst, die aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeitsleistung erbracht haben. Die Regelung ist insoweit mit der in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG angeordneten Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs nicht vereinbar.

Im vorliegenden Fall sind die Ansprüche aber für die Jahre 2005 bis einschließlich 2007 verfallen. Nach der EuGH-Entscheidung im Fall „KHS” (EuGH, Urt. v. 22.11.2011 – Rs. C-214/10 – Rz. 28, ArbRB 2011, 359 [Grimm], ArbRB online) ist – entgegen der bisherigen Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, Rz. 59, ArbRB 2009, 159 [Lunk], ArbRB online) – nicht mehr davon auszugehen, dass Urlaubsansprüche im Fall einer Arbeitsunfähigkeit unbegrenzt angesammelt werden können. Vielmehr ist eine dahingehende modifizierte unionsrechtskonforme Auslegung von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG geboten, dass Urlaubsansprüche, die wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch genommen werden können, 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres, in denen sie entstanden sind, verfallen.


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