Drogenfahrt: Droht Führerscheinentzug bei Anerkennung des Bußgeldbescheides?

30.05.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (6429 mal gelesen)
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Das Wichtigste in Kürze

1. Weiche Drogen: Nach einer einmaligen Drogenfahrt unter Einfluss von Hasch oder Cannabis droht der Entzug des Führerscheins. Wer regelmäßig weiche Drogen konsumiert, dem wird die Fahrerlaubnis entzogen.

2. Harte Drogen: Bei einer Autofahrt unter Einfluss harter Drogen wie Kokain oder Heroin wird die Fahrerlaubnis immer entzogen.

3. Bußgeldbescheid: Ist ein Bußgeldbescheid wegen Drogen am Steuer rechtskräftig geworden, geht die Führerscheinstelle oft davon aus, dass der Drogenkonsum beim Fahren nachgewiesen ist. Dann leitet sie ein eigenes Verfahren zum dauerhaften Entzug der Fahrerlaubnis ein bzw. ordnet eine MPU an.
Angenommen, ein Fahrer gerät in eine Verkehrskontrolle und wird positiv auf "weiche Drogen" getestet. Erste Folge ist ein Bußgeldbescheid. Dabei ist mit einer Geldbuße von mindestens 500 Euro zu rechnen, hinzu kommen 1 bis 3 Punkte in Flensburg und ein bis drei Monate Fahrverbot.

So mancher Betroffene ist dann erleichtert: Schließlich bekommt man seinen Führerschein bei einem befristeten Fahrverbot ja nach 1 bis 3 Monaten zurück und kann weiterfahren. Das "böse Erwachen" kommt jedoch meist später. Der Grund: Mit dem Bußgeldbescheid ist es nicht vorbei. Die Führerscheinbehörde strengt oft ein eigenes Verfahren an. Darüber entscheidet sie oft erst während oder nach Abschluss des Bußgeldverfahrens. Wenn der oder die Betroffene nicht gleich Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegt und diesen damit rechtskräftig werden lässt, ist die Chance höher, dass die Fahrerlaubnisbehörde tätig wird. Dann folgt ein weiterer Bescheid, mit dem die Führerscheinstelle den Führerschein auf Dauer entzieht sowie eine Sperrzeit für die Neuerteilung verhängt.

Drogenfahrt: Wann wird der Führerschein auf Dauer entzogen?


Während bei harten Drogen die Fahrerlaubnis immer entzogen wird, wird bei weichen Drogen wie Hasch bzw. THC stärker differenziert:

Wer regelmäßig Cannabis konsumiert, wird zwingend als nicht mehr dazu geeignet angesehen, ein Kfz im Verkehr zu führen. Dann wird die Fahrerlaubnis entzogen. Von einem solchen Fall geht man meist aus, wenn im Blut des Betreffenden eine Konzentration des Cannabis-Abbauprodukts THC-COOH von mindestens 150 ng/ml festgestellt wird.

Wenn der oder die Betroffene nur gelegentlich Cannabis konsumiert, kommt es in der Regel darauf an, ob die Person noch zwischen Drogenkonsum und Autofahren trennen kann. Dies ist oft schwer zu beurteilen. Häufig wird die Beurteilung im Rahmen einer MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung) vorgenommen. Hier sind Psychologen am Werk, deren Schlussfolgerungen für Normalbürger oft wenig nachvollziehbar erscheinen. Gerichtlich überprüfbar sind sie ebenfalls nicht.

Aber: Auch bei nur einmaligem Konsum von Cannabis ist ein Entzug der Fahrerlaubnis möglich. Passieren kann dies, wenn der Betreffende Ausfallerscheinungen gezeigt hat oder seine Fahruntüchtigkeit anders erwiesen ist.

Auch muss man erwähnen, dass es durchaus schon Radfahrer und Fußgänger gegeben hat, die bei nachgewiesenem Cannabiskonsum ihren Autoführerschein auf Dauer abgeben mussten.

Böse Überraschung lange nach dem Bußgeldbescheid: Führerscheinentzug


Viele Betroffene legen gegen den ersten Bußgeldbescheid keinen Einspruch ein und lassen ihn rechtskräftig werden. So vertun sie die Chance, womöglich eine Verfahrenseinstellung nach § 47 Absatz 2 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) zu erreichen. Nach dieser Regelung kann das Gericht ein Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen, wenn es eine Ahndung nicht für geboten hält. Dazu muss das Verfahren aber erst einmal beim Gericht anhängig sein, und dies wird nur durch den Einspruch erreicht. Gelegentlich lässt sich der Bußgeldbescheid aber auch im Gerichtsverfahren selbst erfolgreich angreifen.

Ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden, geht die Führerscheinstelle oft davon aus, dass der Drogenkonsum beim Fahren nachgewiesen ist. Dann leitet sie ein eigenes Verfahren zum dauerhaften Entzug der Fahrerlaubnis ein bzw. ordnet eine MPU an.

Drogenfahrt: Was gilt bei Cannabiskonsum am Vortag


Selbst ein Cannabiskonsum am Tag vor der Fahrt kann Betroffenen zum Vorwurf gemacht werden. Argumentiert wird dann mit fahrlässigem Verhalten. Allerdings reicht dafür ein Konsum am Vortag allein nicht aus. Vielmehr muss Betroffenen nachgewiesen werden, dass sie die Möglichkeit einer fortdauernden Wirkung des Drogenkonsums erkannt haben oder hätten erkennen müssen. Diese Erkennbarkeit fehlt, wenn zwischen Konsum und Autofahrt längere Zeit vergangen ist. Einen solchen Fall verhandelte das Kammergericht Berlin:

Ein Autofahrer hatte abends THC konsumiert. Am darauffolgenden Tag war er Auto gefahren. Das Amtsgericht verurteilte ihn zunächst wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße und zu einem Fahrverbot.

Fahrt unter Drogen: Wann wird bei Cannabiskonsum Fahrlässigkeit angenommen?


Das Amtsgericht begründete die Annahme der Fahrlässigkeit damit, dass der Betroffene zwar gehofft habe, dass die Cannabis-Wirkstoffe inzwischen aus seinem Körper verschwunden seien. Er habe aber trotzdem gewusst, dass er am Abend zuvor diese Droge konsumiert hatte. Der Betroffene legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein.

Das Kammergericht als höhere Instanz kritisierte das Urteil des Amtsgerichts. Hier liege ein Zirkelschluss vor: Das Fürmöglichhalten der Fortdauer der Wirkungen des Drogenkonsums durch den Betroffenen werde mit dem Drogenkonsum selbst begründet. Dies reichte dem Kammergericht nicht aus.

Bei Fahrlässigkeit unterscheidet man zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit. Von unbewusster Fahrlässigkeit ist die Rede, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht lässt. Daher erkennt er nicht, dass er gegen Gesetze verstößt, oder sieht dies zumindest nicht voraus. Bei einer bewussten Fahrlässigkeit erkennt der Täter zwar die Möglichkeit, ist aber damit nicht einverstanden und vertraut ernsthaft darauf, dass dieser Fall nicht eintreten wird.

Also hätte hier vor Gericht nachgewiesen werden müssen, dass der Betroffene die Möglichkeit einer fortdauernden Wirkung des Cannabiskonsums entweder erkannt hatte oder zumindest hätte erkennen können und müssen. Entscheidend ist dabei nicht, ob er überhaupt Drogen konsumiert hatte, sondern deren Wirkung zum Zeitpunkt des Autofahrens.

Fahrlässigkeit auch bei längerem Zeitabstand zwischen Drogenkonsum und Autofahrt?


Wenn zwischen dem Zeitpunkt des Drogenkonsums und der Fahrt längere Zeit vergangen ist, ist der Betroffene unter Umständen gar nicht auf die Idee gekommen, dass die Drogen immer noch wirken könnten. Dies ist vor Gericht zu berücksichtigen.

Das Kammergericht hob daher das Urteil des Amtsgerichts auf. Dem Kammergericht zufolge hätte das Amtsgericht näher erläutern müssen, wie und warum sich der Betroffene hätte bewusst machen können oder müssen, dass die Drogen noch wirkten. Die reine Tatsache des Konsums am Vortag sage noch nichts darüber aus, was er gewusst oder sich gedacht habe und sei für die Annahme der Fahrlässigkeit nicht ausreichend.

Hier könnte man also eine Faustregel bilden: Je länger der Konsum zurückliegt, umso eher war es keine Fahrlässigkeit (KG Berlin, Beschluss vom 5.6.2009, Az. 2 Ss 131/09).

Praxistipp zu Drogen am Steuer


Vom Drogenkonsum vor dem Fahren sollten Autofahrer unbedingt absehen. Auch Cannabis kann man noch geraume Zeit später im Körper nachweisen. Wer infolge Drogenkonsums nicht mehr in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen, begeht eine Straftat. Wenn es wegen einer Fahrt unter Drogeneinfluss ohne Gefährdung anderer und ohne Ausfallerscheinungen zu einem Bußgeldverfahren kommt, kann (nicht: muss) ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auch ein weiteres Vorgehen der Führerscheinstelle verhindern. Hier kann Ihnen ein Fachanwalt für Verkehrsrecht dabei helfen, die richtigen Schritte einzuleiten.

(Wk)


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