Vorzeitige Beendigung einer eBay-Auktion

Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Aegidius Vogt, RAYERMANN Legal, München – www.rayermann.de
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 02/2016
Eine vorzeitige Angebotsbeendigung des eBay-Verkäufers ist nur zulässig, wenn zu diesem Zeitpunkt ein berechtigter Grund i.S.d. eBay-Bedingungen besteht, der für die Beendigung auch kausal war.

BGH, Urt. v. 23.9.2015 - VIII ZR 284/14

Vorinstanz: LG Neuruppin, Urt. v. 24.9.2014 - 4 S 59/14
Vorinstanz: AG Perleberg

BGB §§ 119, 133, 145, 157, 280 Abs. 1, 3, 283, 323; ZPO § 286

Das Problem

Ein Verkäufer bot im Rahmen einer eBay-Auktion einen Jugendstil-Heizkörper zum Startpreis von 1 € an. Kurz darauf beendete er die Auktion vorzeitig, ohne einen Grund zu nennen. Zum Beendigungszeitpunkt gab es einen Höchstbietenden mit einem Gebot von 112 €. Nachdem der Verkäufer behauptete, den Kaufgegenstand nicht liefern zu können, weil er ihn zwischenzeitlich verschrottet hatte, begehrt der Bieter Zahlung von 3.888 €, da er den Heizkörper zu einem Wert von 4.000 € hätte weiterveräußern können.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hat das klageabweisende Urteil des LG aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Vertragsschluss unter Vorbehalt: Nach den Auktionsbedingungen von eBay komme der Kaufvertrag bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots – insoweit übereinstimmend mit den §§ 145 ff. BGB – durch Annahme des Verkaufsangebots durch den Höchstbietenden zustande, es sei denn, der Verkäufer sei „gesetzlich dazu berechtigt”, das Angebot zurückzunehmen und die Gebote zu streichen. Nach der Rechtsprechung des Senats sei das Verkaufsangebot aus der Sicht des an der Auktion teilnehmenden Bieters nach §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass es unter dem Vorbehalt einer nach den eBay-Bedingungen berechtigten Angebotsrücknahme stehe. Dies sei nicht nur im engeren Sinne als Verweisung auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen (§§ 119 ff. BGB) zu verstehen, sondern werde durch die Hinweise von eBay zur Angebotsbeendigung erläutert, die auch andere Tatbestände, wie etwa den unverschuldeten Verlust der Ware oder bestimmte Umstände in der Person des Bieters, benennen würden (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.2011 – VIII ZR 305/10, CR 2011, 608 m. Anm. Küppers = ITRB 2011, 199; Urt. v. 8.1.2014 – VIII ZR 63/13, CR 2014, 194 = NJW 2014, 1292; Urt. v. 10.12.2014 – VIII ZR 90/14, CR 2015, 189 = ITRB 2015, 84).

Unberechtigte Angebotsrücknahme: Das Berufungsgericht sei im Einklang mit dieser Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass ein unverschuldeter Verlust bzw. die Zerstörung des Kaufgegenstands eine Angebotsrücknahme rechtefertige und das Zustandekommen eines Vertrags verhindere. Nachdem das Berufungsgericht diese zwischen den Parteien streitige Tatsache offen gelassen habe, sei für das Revisionsverfahren zugunsten des Käufers dessen Vortrag zu unterstellen, dass dies nicht der Fall gewesen sei und die Angebotsrücknahme daher unberechtigt erfolgt sei. Als berechtigter Grund verbleibe hier aufgrund der erst spät vorgebrachten Behauptung der Anbieters, der Bieter sei unseriös, weil er in sechs Monaten 370 Kaufgebote zurückgenommen habe, ggf. ein Umstand in der Person des Bieters. Insoweit kämen aufgrund des grundsätzlichen Verweises in den eBay-Bedingungen auf die gesetzliche Berechtigung zur Angebotsstreichung nur solche Umstände in Betracht, die einem gesetzlichen Lösungsrecht gleichstünden, die also zur Anfechtung des Angebots (§§ 119 ff. BGB) oder zum Rücktritt vom Vertrag (§ 323 Abs. 4 BGB) führen würden. Bei der Bewertung der Gebotsrücknahmen des Käufers sei vom Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 ZPO indes nicht berücksichtigt worden, dass der Verkäufer nicht vorleistungspflichtig sei, er also nicht zwingend Folgen des Umstands zu befürchten habe, dass der Käufer bei Zuschlag tatsächlich nicht zahlen würde.

Kein Nachschieben von Gründen: Der Verkäufer müsse den objektiven Grund der Streichung des Angebots im Zeitpunkt der Auktionsbeendigung kennen. Andernfalls stehe jedes Angebot unter dem allgemeinen Vorbehalt eines möglicherweise bestehenden und erst in ungewisser Zukunft zu benennenden Lösungsgrunds. Damit wäre jede Internetauktion mit Unsicherheiten behaftet, die deren reibungsloses Funktionieren in nicht hinnehmbarer Weise in Frage stellen würden. Auch die eBay-Bedingungen gingen ersichtlich davon aus, dass dem Verkäufer der Grund für den Abbruch im Beendigungszeitpunkt bekannt sein müsse. Zwar könne der Grund nachträglich benannt werden. Unverzichtbar sei jedoch, dass er bereits vorgelegen habe und für die Beendigung auch kausal gewesen sei. Ein Nachschieben von Gründen im Schadensersatzprozess sei unzulässig.


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