Wann darf die Behörde einem Tierhalter sein Haustier wegnehmen?

31.08.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Hunde,Zwinger Nicht artgerechte Tierhaltung kann unangenehme Folgen haben. © - freepik

Das Tierschutzgesetz schreibt artgerechte Tierhaltung vor. Was dies genau ist, ist jedoch schwer zu definieren. Treiben es Tierhalter zu weit, kann ihnen durch behördliche Anordnung das Haustier entzogen werden.

In aller Regel wird einem Tierhalter ein Haustier erst dann weggenommen, wenn es wiederholt zu Auffälligkeiten gekommen ist und der Betroffene behördliche Anordnungen ignoriert hat. Solche Anordnungen können unsachgemäße und qualvolle Tierhaltung betreffen, aber auch die Gefährdung von anderen Menschen durch gefährliche Tiere wie etwa Kampfhunde oder Giftschlangen.

Was gilt für entlaufene Hunde und Beißattacken?


Das Verwaltungsgericht Würzburg hat sich mit einem Fall befasst, in dem es um zwei Hunde der Rasse Sivas-Kangal ging. Nachbarn hatten sich wiederholt über deren dauerndes Gebell beschwert. Dann waren die Hunde ausgerissen und hatten sich eine Beißerei mit Artgenossen geliefert, bei der auch deren Besitzer verletzt wurden. Erst ein Tierarzt mit einem Blasrohr und Betäubungspfeilen konnte den Frieden wiederherstellen.

Die Polizei nahm die Hunde zunächst mit, gab sie jedoch dem Halter nach einem Tag zurück. Die Gemeinde ordnete Maßnahmen an, um das Grundstück ausbruchssicher zu machen. Trotzdem rissen die Hunde erneut aus – unter Umständen erschreckt durch fremde Silvesterböller. Wieder kam es zu einer Beißerei mit anderen Hunden, auch der Ärmel eines Polizisten musste daran glauben. Nun ordnete das Ordnungsamt die "Sicherstellung" der Hunde an. Die Polizei holte diese ab und brachte sie ins Tierheim, wo sie vom Ordnungsamt unbefristet untergebracht wurden - auf Kosten des Halters. Der klagte auf Herausgabe.

Wie hat das Verwaltungsgericht Würzburg entschieden?


Das Verwaltungsgericht Würzburg kam zu dem Ergebnis, dass die mündliche Anordnung des Ordnungsamtes zur Sicherstellung der Hunde und ihrer Verwahrung auf Kosten des Halters rechtswidrig gewesen sei.
Das Gericht wunderte sich zunächst über den Begriff der "Sicherstellung" – dies sei eine Maßnahme aus dem Polizeirecht, die von der Polizei ausgehen müsse und für die es besondere Voraussetzungen gebe. Das Ordnungsamt aber könne keine Sicherstellung von was auch immer anordnen. Ein rein mündlicher Verwaltungsakt sei ziemlich ungewöhnlich. Zwar sei dies an sich nicht unzulässig. In diesem Fall habe es sich aber um eine Ermessensentscheidung gehandelt und deren Gründe müssten zwingend dokumentiert werden. Dafür reiche ein zweizeiliger Aktenvermerk nicht aus. Schließlich müsse die Behörde prüfen, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt sei oder ob auch eine weniger einschneidende Maßnahme in Betracht komme. Und schließlich sei der Kläger nicht einmal darüber informiert worden, dass eine Dauerunterbringung auf seine Kosten stattfinde.
In Anbetracht dieses unzulässigen Vorgehens ordnete das Gericht die sofortige Rückgabe der Hunde an (Urteil vom 28.7.2010, Az. W 5 K 10.464).

Unterernährung, Kot und Wassermangel


Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart ging es um einen Mann, der diverse Tiere hielt - Geflügel, Schafe, Ziegen, Kaninchen und auch drei Hunde in Zwingern. Hier hatte eine Vielzahl von Polizeieinsätzen und behördlichen Kontrollen stattgefunden, weil sämtliche Tiere in desolaten Zuständen gehalten wurden. Fast bei jeder Kontrolle fehlten den Tieren Nahrung und Wasser und die Käfige und Gehege waren mit Kot verschmutzt. Am Ende wurden dem Mann drei verwahrloste Hunde mit zum Teil unversorgten Bisswunden und mehrere unterernährte Lämmer weggenommen. Die Behörde sprach ein Tierhaltungsverbot in Hinblick auf Hunde aus und ordnete die Einziehung der Tiere an.

Vernachlässigung von Tieren: Einziehung ist rechtmäßig


Das VG Stuttgart entschied, dass die Einziehung der Tiere rechtmäßig gewesen sei. Das Hundehaltungsverbot basiere auf § 16 a Satz 2 Ziffer 3 des Tierschutzgesetzes. Hier sei das Gebot der artgerechten Tierhaltung missachtet worden. Die Tiere hätten erheblich und über längere Zeit gelitten, ihre Verletzungen und Krankheiten seien nicht erkannt worden. Obendrein habe sich der Tierhalter die meiste Zeit gar nicht auf dem Grundstück aufgehalten.
Die Behörde hatte ihre Entscheidung begründet und dazu erläutert, dass sie weniger harte Maßnahmen – etwa Anordnungen über die Art der Haltung und eine zeitlich begrenzte Wegnahme – schon mehrmals ohne Erfolg durchgeführt hätte. Hier hatte es demnach keine andere Möglichkeit mehr gegeben (Urteil vom 25.6.2007, Az. 4 K 1973/07).

Hundehaltungsverbot wegen Missachtung der Maulkorbpflicht?


Das Verwaltungsgericht Augsburg hatte mit dem Fall einer Frau zu tun, die zwei Berner Sennenhunde und einen Schäferhund besaß. Der Schäferhund hatte beim Gassigehen einen fremden Terrier gebissen. Daraufhin ordnete die zuständige Behörde für alle ihre Hunde einen Maulkorb- und Leinenzwang an. Dazu kam die Anordnung, dass sie nur noch einen Hund zur Zeit ausführen durfte. Sie wurde jedoch wiederholt dabei erwischt, wie sie ihre Hunde ohne Beachtung dieser Auflagen ausführte. Auch ein Zwangsgeld von 300 Euro hatte keine Wirkung. Daraufhin untersagte ihr die Gemeinde die Hundehaltung und setzte ihr eine Frist zur Abschaffung der Tiere.

Hundehaltungsverbot: Mit Kanonen auf Spatzen


Das Augsburger Gericht sah sich die behördliche Anordnung näher an und stellte verschiedene Fehler fest. So war diese nicht mit den richtigen Paragrafen begründet worden. Insgesamt erachtete das Gericht das Hundehaltungsverbot als unverhältnismäßig und unrechtmäßig.
Schon seit geraumer Zeit habe es keine Vorfälle mehr mit den Hunden der Frau gegeben. Die Behörde habe mehrere denkbare mildere Maßnahmen gar nicht erst in Erwägung gezogen – beispielsweise, den Auslauf der Hunde auf den heimischen Garten zu beschränken. Verzichte die Behörde darauf, ihre eigenen Anordnungen der Maulkorbpflicht etc. durch wiederholte, höhere Zwangsgelder auch konsequent durchzusetzen, dürfe sie nicht gleich ein Tierhaltungsverbot verhängen (Urteil vom 13.12.2011, Az. 5 K 10.1144).

Hundehaltung: Neue Rechtslage ab Anfang 2021 mit Gassipflicht


Im August 2020 legte das Bundeslandwirtschaftsministerium einen Entwurf für eine Änderung der Tierschutz-Hundeverordnung vor.
Vorgesehen ist darin unter anderem eine Pflicht für Hundehalter, mindestens zweimal täglich mit dem Hund Gassi zu gehen, für mindestens insgesamt eine Stunde. Natürlich muss dies im Freien und außerhalb eines Zwingers stattfinden. Jeder Hund muss mehrmals täglich Umgang mit seinem Halter oder einer Betreuungsperson haben.
Die Anbindehaltung - also das dauerhafte Anbinden eines Hundes - soll verboten werden (mit bestimmten Ausnahmen für Arbeitshunde, dann aber nur bei Arbeiten in Begleitung der Betreuungsperson). Der ganztags angebundene "Kettenhund" wird also bald Vergangenheit sein.

Keine Ausnahmen gibt es bei Ausstellungen von Hunden aus Qualzuchten oder mit abgeschnittenen Ohren oder anderen Körperteilen - diese werden ausnahmslos verboten, egal bei welcher Art von Veranstaltung. Dadurch sollen Vertrieb und Werbung für den Verkauf solcher Hunde unterbunden werden.
Weitere Regeln gibt es für die Hundezucht.
Verstöße sind Ordnungswidrigkeiten im Sinne des Tierschutzgesetzes und können im ersten Schritt zu Bußgeldern führen. Bei Wiederholungen können die Behörden jedoch durchaus - wie gezeigt - zu anderen Maßnahmen greifen.
Mit einem Inkrafttreten der Neuregelung wird in den ersten Monaten von 2021 gerechnet.

Praxistipp


Behördliche Anordnungen für Tierhalter - bis hin zur Einziehung von Tieren oder einem Tierhaltungsverbot - müssen den Regeln für Verwaltungsakte entsprechen und sind bei Fehlern der Behörde gerichtlich angreifbar. Beratung erteilt hier ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht bzw. ein Rechtsanwalt, der sich auf das Tierrecht spezialisiert hat.

(Bu)


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 Stephan Buch
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