Wann ist nachehelicher Unterhalt zu zahlen?

25.06.2014, Autor: Frau Stephanie Ersfeld-Friedenstab / Lesedauer ca. 2 Min. (674 mal gelesen)
In welchen Fällen ist nach Rechtskraft der Scheidung Ehegattenunterhalt zu zahlen und welche Verpflichtung hat der Unterhaltsberechtigte.

Nachehelicher Unterhalt muss nur gezahlt werden, wenn eine angemessene Erwerbstätigkeit des Unterhaltsgläubigers zur Deckung seines vollen Bedarfs nicht ausreicht.
Sofern der Unterhaltsgläubiger nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, hat er gegebenenfalls eine weitere Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen.
Urteil des BGH vom 12.07.2012, Az. X ZR 72/10.
Hintergrund: Die Parteien hatten in erster Instanz einen Prozessvergleich über nachehelichen Unterhalt geschlossen. Dieser sollte in zweiter Instanz auf Wunsch des Ehemannes der Höhe nach abgeändert werden. Entscheidend hierfür war die Beantwortung der Frage, ob eine Teilzeittätigkeit der Unterhaltsgläubigerin angemessen war, so dass ein höherer nachehelicher Unterhalt hätte gezahlt werden müssen oder ob sie ihre Erwerbstätigkeit hätte ausbauen müssen.
Gründe: Das Gesetz sieht nach der Ehescheidung grundsätzlich eine Eigenverantwortung der ehemaligen Ehepartner vor, so dass der Unterhaltsgläubiger eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben muss. Angemessen ist sie dann, wenn sie der Ausbildung, den Fähigkeiten, dem Lebensalter früheren Erwerbstätigkeit und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht. Darüber hinaus ist auf die ehelichen Lebensverhältnisse, das heißt die Dauer der Ehe, die Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder Bezug zu nehmen. Sofern der geschiedene Ehegatte bei Trennung einer Berufstätigkeit nachgegangen ist, darf er diese nicht ohne Not aufgeben. Andernfalls wird er fiktiv so behandelt, als wäre er weiterhin berufstätig, d.h. das erzielbare Einkommen wird ihm angerechnet.
Sofern die Lebenssituation des Unterhaltsgläubigers es erlaubt, und er/sie nicht durch die Betreuung gemeinsamer Kinder gehindert ist, ist ihm auch grundsätzlich eine zweite Teilzeittätigkeit zuzumuten.
Fazit:
Die BGH Entscheidung knüpft an die Linie der bisherigen Rechtsprechung an, die besagt, dass nach Ehescheidung grundsätzlich jeder Partner wirtschaftlich für sich selbst verantwortlich ist. Jedoch sind ehebedingte Nachteile, das heißt solche, die durch die Erziehung und Pflege gemeinsamer Kinder in der Erwerbsbiografie des Unterhaltsgläubigers entstanden sind, immer auszugleichen.
Auch wenn während einer langjährigen Ehe ohne gemeinsame Kinder eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Eheleuten entstanden ist, wird der wirtschaftlich schwächere Partner trotz des Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit nicht unmittelbar wirtschaftlich auf sich selbst gestellt, sondern erhält zumindest für eine Übergangsfrist weiterhin Unterhalt. Ob Unterhalt unbegrenzt oder zeitlich begrenzt und der Höhe nach abgesenkt zu zahlen ist, kann nur anhand der konkreten Einzelfallsituation ermittelt werden.

Ersfeld-Friedenstab
Fachanwältin für Familienrecht