Wann verjähren Ansprüche wegen Filesharing?

24.07.2019, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Wann verjähren Ansprüche wegen Filesharing? © Bu - Anwalt-Suchservice

Bei urheberrechtlichen Ansprüchen auf Aufwendungs- und Schadenersatz kommen zwei Verjährungsfristen in Frage: Eine zehnjährige und eine dreijährige. Welche gilt? Dazu gibt es mehrere Urteile.

Erhält man eine Abmahnung wegen einer im Rahmen von Filesharing begangenen Urheberrechtsverletzung, ist mit drei Forderungen zu rechnen: Einmal der nach Unterlassung, also nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, dann der nach Aufwendungsersatz, also nach Begleichung der durch eine anwaltliche Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten und zuletzt der nach Schadensersatz. Hier wird in der Regel eine Schadenspauschale verlangt, um den Rechteinhaber für die begangene Urheberrechtsverletzung zu entschädigen. Die drei Forderungen haben zum Teil unterschiedliche Verjährungsfristen.

Wann verjährt der Unterlassungsanspruch?


Der Unterlassungsanspruch verjährt innerhalb von drei Jahren, also innerhalb der allgemeinen, regelmäßigen Verjährungsfrist. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem der Inhaber des Urheberrechts von der Rechtsverletzung und von Namen und Anschrift des Missetäters erfährt. Die maßgeblichen Vorschriften sind hier § 102 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) sowie §§ 195 und 199 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Was gilt für Ansprüche auf Aufwendungsersatz und Schadensersatz?


Bei den beiden anderen Ansprüchen ist die Situation nicht so eindeutig. Zwar haben mehrere Gerichte entschieden, dass hier die gleiche dreijährige Verjährungsfrist gilt, wie beim Unterlassungsanspruch. Davon ging beispielsweise das Landgericht Köln aus (Urteil vom 25.4.2013, Az. 14 O 500/12).
Manche Abmahner berufen sich jedoch auch auf § 102 Satz 2 UrhG: Wenn der Abgemahnte durch seine Urheberrechtsverletzung etwas auf Kosten des Rechteinhabers erlangt hat, gilt die Vorschrift des § 852 BGB in entsprechender Anwendung. Ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach § 852 BGB verjährt in zehn Jahren ab seiner Entstehung. Dem hat sich das Landgericht Düsseldorf mit Urteil vom 31.10.2012 angeschlossen (Az. 12 O 405/11).

Was wird erlangt?


Dabei stellt sich natürlich die Frage, was denn der Internetnutzer beim Filesharing "erlangt" hat.
Das Düsseldorfer Gericht argumentierte, dass der Beklagte durch das öffentliche Zugänglichmachen von Musiktiteln in die Rechte der Kläger zur Veröffentlichung aus § 19a UrhG eingegriffen habe. Dadurch habe er auf deren Kosten den Gebrauch dieser Rechte erlangt. Dieses recht abstrakte „Erlangte“ könne er aber nicht wieder herausgeben. Daher müsse er dessen Wert ersetzen – und zwar in Form einer angemessenen Lizenzgebühr.

Gegenteilige Rechtsprechung: Drei Jahre


Das Amtsgericht München wiederum war für eine dreijährige Verjährungsfrist. Diese solle für die Rechtsanwaltskosten und den Anspruch auf Schadensersatz für die Urheberrechtsverletzung selbst gelten.

In seinem Urteil vom 17.4.2015 ging es ebenfalls um die Nutzung einer Tauschbörse (Az. 243 C 19271/14). Das Gericht erläuterte: Der Bundesgerichtshof habe zwar am 27.10.2011 entschieden, dass bei einer unberechtigten öffentlichen Aufführung urheberrechtlich geschützter Werke der Schädiger den Gebrauch des Rechts ohne rechtlichen Grund erlangt habe. Hier sei dann eine angemessene Lizenzgebühr zu erstatten. Aber: Der vom BGH behandelte Fall beziehe sich ausdrücklich auf eine öffentliche Aufführung, nämlich auf das Abspielen der Musik auf einem Weihnachtsmarkt. Dies sei nicht mit dem Filesharing vergleichbar. Auf einem Weihnachtsmarkt würden Waren verkauft. Eine solche Veranstaltung sei um so erfolgreicher, je mehr Publikum angezogen werde. Dazu trage die Musik bei. Daher habe die Veranstalterin im BGH-Fall durchaus finanzielle Vorteile von der unerlaubten Nutzung der Musik gehabt.

Beim Filesharing jedoch liege die Absicht des Internetnutzers nicht in der Gewinnerzielung, sondern darin, ein bestimmtes Musikstück kostenlos herunterzuladen. Er nehme dabei in Kauf, dass andere Nutzer darauf ebenfalls zugreifen könnten, ohne jedoch selbst einen Vorteil davon zu haben. Durch die Urheberrechtsverletzung, also das Ermöglichen der Nutzung durch andere, erziele er keinen eigenen Gewinn. Also habe er auch nichts "erlangt". § 852 BGB sei daher nicht anwendbar und die Verjährungsfrist betrage nicht zehn, sondern drei Jahre.

Geld gespart = etwas erlangt?


Zusätzlich wies das Münchner Gericht auch darauf hin, dass der Nutzer sich hier noch nicht einmal die sonst fällige Lizenzgebühr spare. Denn: Für die Weitergabe von Musiktiteln per Filesharing würden gar keine Lizenzen erteilt. Auch unter dem Aspekt der Ersparnis habe der Betreffende also nichts erlangt. Dies sei ebenfalls nicht mit der Musikaufführung auf Weihnachtsmärkten vergleichbar, denn für eine solche könne man Lizenzen kaufen.

Ein „Erlangen“ setze nach dem Gesetzeswortlaut einen Vermögensvorteil voraus. Eine Urheberrechtsverletzung werde immer durch den unberechtigten Gebrauch des Rechtes begangen. Die lange Verjährungsfrist des § 102 Satz 2 UrhG sei nur dann gerechtfertigt, wenn eine schlimmere Rechtsgutsverletzung stattgefunden habe, als der in Satz 1 vorausgesetzte Normalfall.

Was sagt der Bundesgerichtshof?


Auch der Bundesgerichtshof hat sich jedoch zur Verjährungsfrage geäußert – und sich zum Teil auf die Seite der Abmahner gestellt.
Dem Bundesgerichtshof zufolge verjähren die Anwaltskosten für die Abmahnung in drei Jahren.

Der Schadensersatz, den der Rechteinhaber dafür fordern könne, dass sein Werk kostenlos im Internet verteilt worden sei, verjähre jedoch in zehn Jahren. Hier seien die Regeln über die Herausgabe des Erlangten entsprechend § 852 BGB anwendbar.
Der BGH schloss sich der oben dargestellten Argumentation aus Düsseldorf an und verwies sogar auf sein altes Urteil zum Weihnachtsmarkt. Es liege keine andere Situation vor. Auch beim Filesharing werde etwas erlangt. Dass für Filesharing keine Lizenzen erteilt würden, sei belanglos, da man den Schaden auch nach einer fiktiven Lizenzgebühr berechnen könne. Der Schaden bestünde hier nicht darin, dass eine Person sich eine kostenlose Kopie ziehe, sondern darin, dass sie dadurch vielen anderen ebenfalls die kostenlose Nutzung ermögliche. Dies müsse man bei der Berechnung des Wertersatzes in Form einer fiktiven Lizenzgebühr berücksichtigen (Urteil vom 12.5.2016, Az. I ZR 48/15).

Praxistipp


Das Urteil des Bundesgerichtshofes bedeutet, dass Abmahner auch noch bis zu zehn Jahre nach der eigentlichen Abmahnung eine fiktive Lizenzgebühr als Schadensersatz geltend machen können. Wer von einer solchen Forderung betroffen ist, sollte diese durch einen Fachanwalt für Urheberrecht gründlich prüfen lassen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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