Wer ist „unabhängig”?

Autor: Dr. Anselm Brandi-Dohrn, FA für Gew. RSchutz, von Boetticher Hasse Lohmann, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 11/2013
Es stellt eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise dar, wenn sich ein Pressevertrieb als „größter unabhängiger Nationalvertrieb” bezeichnet, obwohl zwei große Verlagsgruppen jeweils 40 % seiner Geschäftsanteile halten.

OLG Köln, Urt. v. 5.7.2013 - 6 U 4/13 „Größter unabhängiger Nationalvertrieb” (rkr.)

UWG § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3

Das Problem:

Beide Parteien besorgen für Verlage die Lieferung von Verlagsprodukten an den Großhandel und Bahnhofsbuchhandlungen. Kommanditisten der Beklagten sind mit mindestens je 40 % zwei Gesellschaften, die ihrerseits jeweils zu einer der größten Verlagsgruppen in Deutschland gehören. Diese beiden Kommanditisten halten auch jeweils 40 % der Stammanteile der Komplementär-GmbH der Beklagten. In ihrem Internetauftritt bezeichnet sich die Beklagte als „größten unabhängigen Nationalvertrieb Deutschlands”. Diese Aussage hält die Klägerin für irreführend auch gegenüber den angesprochenen Fach-Verkehrskreisen.

Die Entscheidung des Gerichts:

LG und OLG geben der Klägerin Recht.

„Unabhängig” habe keinen festgelegten Bedeutungsinhalt, dieser kann sich je nach angesprochener Zielgruppe auf die unterschiedlichsten Faktoren beziehen. Entscheidend sei daher, ob ein sich als unabhängig bezeichnendes Unternehmen Bindungen unterliege, die ihm nach Auffassung der in Betracht kommenden Verkehrskreise die Unabhängigkeit nehmen. Angesprochen sind in der Werbung die Verlage – für diese bedeute unabhängig, dass der Vertrieb nicht von konkurrierenden Verlagen abhängig ist, weil dies insbesondere die Vertriebsinteressen der Verlage beeinträchtigen könne.

Ob die Beklagte in diesem Sinne „unabhängig” von ihren Gesellschaftern sei, richte sich weder nach der Definition des § 17 Abs. 2 AktG noch komme es darauf an, dass die Beklagte formell eine eigenständige juristische Person (und nicht eine eingegliederte Vertriebsabteilung) sei; maßgeblich seien ausschließlich die tatsächlich gegebenen Möglichkeiten der Einflussnahme. Diese sei hier zu bejahen, da beide Gesellschafter gemeinsam 80 % der Anteile an der Beklagten hielten.


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