Wie läuft ein Strafverfahren ab? Teil I.: Das Ermittlungsverfahren

24.03.2015, Autor: Herr Christoph Nebgen / Lesedauer ca. 2 Min. (786 mal gelesen)
Dies ist der erste Teil einer Beitragsreihe, die den Ablauf eines Strafverfahrens beschreiben soll. In diesem ersten Teil geht es um das Ermittlungsverfahren, das von der Staatsanwaltschaft geführt wird.

Jedes Strafverfahren beginnt mit einem Verdacht, dem so genannten Anfangsverdacht. Der kann überall herrühren; meist gibt es entweder eine Strafanzeige oder die Polizei hat jemanden „auf frischer Tat“ ertappt. Wenn ein solcher Anfangsverdacht besteht, eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren.

Das Ermittlungsverfahren

Das Ermittlungsverfahren ist der erste Verfahrensabschnitt des Strafverfahrens. Die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft in den allermeisten Fällen nicht selbst, sondern betraut damit die Polizei. Früher sprach man mal von „Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft“. Den Begriff hat man mittlerweile ersetzt, in der Sache ist aber alles gleich geblieben. Wenn die Polizei mit ihren Ermittlungen fertig ist, übermittelt sie ihre Erkenntnisse in Papierform an die zuständige Staatsanwaltschaft.

Wir merken uns: Sämtliche verfahrensrelevanten Entscheidungen liegen im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft, nicht etwa bei der Polizei. Die Staatsanwaltschaft ist „Herrin des Verfahrens“. Die Polizei hat im Strafverfahren grundsätzlich überhaupt nichts zu entscheiden. Wenn sie doch einmal etwas entscheiden muss, z. B. weil Eile geboten ist (die berühmte „Gefahr im Verzug“), dann muss sie sich das hinterher genehmigen lassen. Das ist ein Grund, warum man mit der Polizei niemals sprechen sollte; es nutzt nämlich nichts. Aber das ist ein anderes Thema. Die Macht der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren ist aber nicht unbegrenzt. Sind bei den Ermittlungen Grundrechte der Beschuldigten betroffen, muss über jeden Eingriff ein Gericht entscheiden, aber diese Ausnahme soll uns hier nicht interessieren. Wir merken sie uns aber.

Rechtliches Gehör

Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ihm “rechtliches Gehör“ zu gewähren. Sie tut dies, wenn die Ermittlungen dadurch nicht mehr gefährdet werden, wenn also nicht mehr zu befürchten ist, dass der Beschuldigte Beweismittel beiseiteschafft oder verfälscht. Der Beschuldigte bekommt dann per Post entweder einen Anhörungsbogen oder eine Vorladung zur „Verantwortlichen Vernehmung“. Wenn Sie eine solche Anhörung oder Vorladung bekommen haben, sollten Sie unbedingt einen Strafverteidiger beauftragen. Keinesfalls sollten Sie sich ohne vorherige Beratung zu den Vorwürfen äußern.

Abschluss der Ermittlungen

Meint die Staatsanwaltschaft, dass alle wesentlichen Umstände „ausermittelt“ seien, trifft sie eine Entscheidung in der so genannten Abschlussverfügung. Diese Entscheidung kann ein guter Strafverteidiger mitunter maßgeblich beeinflussen. Der Betroffene selbst wird das kaum jemals schaffen, schon weil er in der Regel gar nicht herausfinden wird, wer für seine Angelegenheit zuständig ist. Deshalb sollte man so früh wie möglich einen Verteidiger beauftragen.

Einflussmöglichkeiten der Verteidigung

Im Vorverfahren sind die Ermittlungen noch einigermaßen „offen“; mit der Staatsanwaltschaft können noch relativ freimütig Rechtspositionen ausgetauscht und Möglichkeiten der vorzeitigen Verfahrensbeendigung erörtert werden. In diesem Stadium kann eine engagierte Verteidigung das Strafverfahren durch gezielte Intervention zur Einstellung bringen oder dem Verfahren zumindest eine andere Richtung geben. Vor Gericht ist dies aufgrund der formalen Ausgestaltung der mündlichen Verhandlung erheblich schwieriger.

Mit der Abschlussverfügung entscheidet sich die Staatsanwaltschaft, ob sie Anklage gegen den Beschuldigten erhebt. Erhebt sie Anklage zum zuständigen Gericht, verliert sie ihre Rolle als „Herrin des Verfahrens“.

Das Verfahren liegt von dann an in den Händen des Gerichts.