Wohnbedarf und -vorteil bei konkreter Bedarfsermittlung; Verhältnis Vermögensverwertung und Unterhaltsbegrenzung

Autor: RAin Gisela Kühner, FAFamR, Hamm/Westf.
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 04/2012
b) Bewohnt der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung weiterhin das eheliche Einfamilienhaus, geht dies im Rahmen der konkreten Bedarfsermittlung regelmäßig über seinen Wohnbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen hinaus. Dieser wird bereits durch eine dem ehelichen Standard entsprechende Wohnung für eine Person gedeckt.c) Zum Verhältnis von Vermögensverwertung nach § 1577 Abs. 1 BGB und Herabsetzung/Befristung des Unterhalts nach § 1578b BGB.

BGH, Urt. v. 18.1.2012 - XII ZR 178/09

Vorinstanz: OLG Karlsruhe - 5 UF 5/08

BGB §§ 1573, 1574, 1577, 1578, 1578b, 1579

Das Problem:

Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. ca. 4.300 € monatlich in Anspruch. Der Unterhaltsbedarf wurde anhand einer konkreten Bedarfsberechnung ermittelt. Die Antragstellerin ist Alleineigentümerin des von ihr bewohnten Einfamilienhauses, das früher die Ehewohnung darstellte. Sie erzielt keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, verfügt jedoch über Kapitalvermögen i.H.v. ca. 275.000 €. Die Parteien streiten insbesondere über die Höhe des Wohnvorteils, ob und inwieweit die Antragstellerin den vorhandenen Vermögensstamm verwerten muss sowie über die Herabsetzung und Befristung des Unterhalts. Das Berufungsgericht hat der Antragstellerin bis Dezember 2009 3.423 € und ab Januar 2010 2.840 € monatlich zugesprochen. Mit der Revision begehrt der Antragsgegner die vollständige Abweisung des Unterhaltsantrags.

Die Entscheidung des Gerichts:

Die Revision hat Erfolg und führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das OLG. Der BGH hat beanstandet, dass das OLG weder den Wohnvorteil des Eigenheims als Einkommen noch den Wohnbedarf mit Ausnahme der darauf entfallenden Betriebs- und Instandhaltungskosten berücksichtigt habe. Dies setze aber voraus, dass Wohnbedarf und Wohnvorteil übereinstimmten, was hier jedoch nicht ohne weiteres der Fall sei. Der Antragstellerin müsse der volle Wohnwert als Einkommen angerechnet werden (vgl. BGH v. 5.3.2008 – XII ZR 22/06, FamRZ 2008, 963 = FamRB 2008, 168 [170]), weil die Beteiligten inzwischen sogar rechtskräftig geschieden und auch ihre Vermögensverhältnisse weitestgehend abschließend geregelt seien. Der Wohnbedarf hingegen sei geringer als der volle Wohnwert, weil die Antragstellerin das Einfamilienhaus nunmehr allein und somit aufwendiger bewohne, als zu Zeiten des ehelichen Zusammenlebens, als die Beteiligten sich das Haus noch teilten. Der Bedarf entspreche dem, was die Antragstellerin als Miete einschließlich Nebenkosten für eine dem Standard der Ehewohnung entsprechende und von der Größe her für eine Person genügende Wohnung aufzubringen hätte. Dies habe zur Konsequenz, dass auch die Betriebskosten nur für eine kleinere Wohnung in Ansatz gebracht und damit auch nur in geringerer Höhe berücksichtigt werden könnten. Eine Obliegenheit zur Verwertung des Familienheims bestehe nicht, weil angesichts der Vermögensverhältnisse der Parteien eine über die Anrechnung des vollen Wohnwerts hinausgehende Obliegenheit zur Verwertung i.S.d. § 1577 Abs. 3 BGB unbillig wäre.

Der Senat hat weiter ausgeführt, dass die zu § 1577 Abs. 3 BGB und § 1578b BGB anzustellenden Billigkeitserwägungen aufeinander abzustimmen seien. Er hat gebilligt, dass das Berufungsgericht dies in der Form praktiziert habe, dass es neben der teilweisen Verwertung des Kapitalvermögens i.H.v. 220.000 €, die wirtschaftlich im Ergebnis bereits einer Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs um rd. 1.018 € gleichkomme, nur noch eine geringe Herabsetzung des Unterhalts gem. § 1578b BGB i.H.v. 5 % ab Januar 2010 vorgenommen habe.


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