Zeugenfragebogen und Anhörungsbogen – was muss man wissen?

10.08.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Zeugenfragebogen,Anhörungsbogen,Bußgeld,Führerschein Nach einem Verkehrsdelikt flattern oft behördliche Formulare in den Briefkasten. © Rh - Anwalt-Suchservice

Nach einem Regelverstoß im Straßenverkehr bekommt man Fragebögen zugeschickt. Allerdings wissen viele Betroffene nicht, ob und wie sie darauf reagieren sollen und welche Folgen ihre Antwort hat.

Jeder, der schon einmal „geblitzt“ wurde, kennt die Fragebögen, die die Bußgeldstelle vor Einleitung eines Bußgeldverfahrens verschickt. Da werden nicht nur Fragen zur eigenen Person gestellt, sondern auch zum Hergang der Ordnungswidrigkeit. Natürlich wird auch gefragt, wer gefahren ist. Die Behörde weist auf eine Pflicht zum Antworten hin und setzt eine kurze Frist für die Rücksendung des ausgefüllten Formulars. Da stellt sich schnell die Frage: Muss man denn wirklich alle Fragen beantworten? Und was sind die Folgen, wenn man gar nicht antwortet? Oder wenn man jemanden als Fahrer nennt, der gar nicht gefahren ist?

Was ist ein Zeugenfragebogen?


Leicht lässt sich über das Kennzeichen ermitteln, wer der Halter eines Fahrzeugs ist. Bei Halte- und Parkverstößen haftet in Deutschland grundsätzlich der Fahrzeughalter. Bei anderen Verstößen jedoch – beispielsweise einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder einer roten Ampel – ist der Fahrer allein verantwortlich. Wenn dann unklar ist, wer gefahren ist, wird die Bußgeldbehörde zuerst versuchen, dies über einen Zeugenfragebogen herauszufinden. Dieser wird an den Fahrzeughalter geschickt.

Beispiel: Das bei einer Geschwindigkeitsübertretung „geblitzte“ Auto ist auf einen Mann angemeldet. Auf dem Blitzerfoto sieht man jedoch eine Frau hinter dem Lenkrad sitzen. Ganz offensichtlich ist hier nicht der Fahrzeughalter selbst gefahren. Also ein Fall für den Zeugenfragebogen.

Was ist ein Anhörungsbogen?


Die Bußgeldstelle verschickt einen Anhörungsbogen, wenn sie der Ansicht ist, den Fahrer bereits identifiziert zu haben. Hier wird also dem Empfänger bereits eine Ordnungswidrigkeit vorgeworfen. Er gilt als sogenannter „Betroffener“. Man gibt ihm mit dem Anhörungsbogen die Möglichkeit, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Laut Verfassung ist ihm nämlich sein Recht auf „rechtliches Gehör“ zu gewähren.

Beispiel: Ein „geblitztes“ Auto ist auf einen Mann Ende 50 zugelassen. Auf dem Blitzerfoto sieht man einen Mann hinter dem Lenkrad, der ein entsprechendes Alter haben könnte. Daher kommt der Anhörungsbogen zum Einsatz.

Was sind meine Rechte und Pflichten beim Zeugenfragebogen?


Es gibt keine gesetzliche Pflicht, gegenüber der Polizei als Zeuge Aussagen zu machen. Eine solche Pflicht besteht nur gegenüber der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht.

Aber: Wenn Sie als Zeuge gegenüber der Polizei oder der Bußgeldstelle Angaben machen, müssen diese auch der Wahrheit entsprechen. Wenn Sie zum Beispiel erklären, dass jemand gefahren ist, der in Wirklichkeit nicht der Fahrer war, machen Sie sich strafbar – und dies ist keine Bagatelle.
Niemand muss sich selbst, seine Angehörigen (z. B. Ehepartner, Kinder, aber auch Verlobte) belasten. Sind zum Beispiel Sie selbst, Ihre Frau oder eines Ihrer Kinder gefahren, können Sie von Ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Ein solches Recht besteht nicht, wenn beispielsweise Ihr Arbeitskollege gefahren ist.

Wenn Sie auf den Zeugenfragebogen überhaupt nicht reagieren, sind weitere Ermittlungen wahrscheinlich, etwa durch die Polizei. Auch kann es passieren, dass der Halter des Fahrzeugs die Auflage bekommt, künftig ein Fahrtenbuch zu führen. Daraus muss hervorgehen, wer wann das Auto fährt.

Was sind meine Rechte und Pflichten beim Anhörungsbogen?


Erhalten Sie einen Anhörungsbogen, hat die Behörde Sie schon als Täter auf dem „Radar“. Für Sie gibt es nun im Grunde drei Möglichkeiten:

1. Sie akzeptieren den Vorwurf, bezahlen das Verwarnungs- oder Bußgeld und finden sich damit ab, Punkte in Flensburg zu bekommen.

2. Sie machen Angaben zur Sache, um sich zu entlasten. Dies ist ein guter Weg, wenn Sie zum Beispiel Ihr Auto verliehen hatten oder es Ihnen gestohlen worden war und jemand anderer den Verkehrsverstoß begangen hat. Dann muss die Behörde entscheiden, ob sie Ihnen glaubt.

3. Sie machen überhaupt keine Angaben. Niemand muss sich selbst belasten. Besonders dann, wenn das Risiko eines Entzuges der Fahrerlaubnis besteht, ist jedoch eine Beratung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu empfehlen. Nur ein Anwalt kann Akteneinsicht nehmen, um festzustellen, was genau Ihnen vorgeworfen wird. Erst mit diesem Wissen kann sachgerecht reagiert werden.

Das heißt: Sie müssen den Anhörungsbogen nicht zurückschicken. Nur in einem einzigen Punkt müssen Sie laut Gesetz Angaben machen: Bei den Angaben zur Person. Dies sind zum Beispiel Ihre Anschrift, Geburtsdatum, Geburtsort usw. Finden sich hier Lücken oder Fehler auf dem Anhörungsbogen, sollte Sie diese Stellen der Wahrheit entsprechend ausfüllen und den Bogen zurücksenden. Der Rest kann dann offen bleiben.

Wie stellt die Behörde fest, wer gefahren ist?


Ein gutes "Blitzerfoto" kann die Bußgeldstelle mit den beim Einwohnermeldeamt hinterlegten Passfotos vergleichen. Dies ist zulässig. Immer öfter werden dafür auch Soziale Medien genutzt, denn viele Menschen stellen dort Fotos von sich online. Wenn das Blitzerfoto nicht genau zu erkennen ist oder darauf offensichtlich eine andere Person als der Halter zu sehen ist (anderes Geschlecht, anderes Alter, andere Hautfarbe), muss die Behörde zunächst nähere Erkundigungen einholen.

Was passiert, wenn ich nicht antworte?


Wenn der Adressat eines Zeugenfragebogens einfach schweigt, zieht die Bußgeldstelle in der Regel die Polizei hinzu und bittet um weitere Ermittlungen. Eine mögliche Folge sind Hausbesuche der Polizei oder Nachfragen anhand des Fotos bei Nachbarn und Kollegen.
Bei einem Anhörungsbogen ist das weitere Vorgehen der Behörde von der Qualität des Fotos abhängig. Unter Umständen wird hier gleich ein Bußgeldbescheid erfolgen. Möglicherweise werden aber auch weitere Ermittlungen durchgeführt.

Wenn nach einem Verstoß gegen Verkehrsregeln der Fahrer nicht ermittelt werden kann, ist eine Fahrtenbuchauflage möglich. Wichtig: Fahrtenbücher auf Anordnung der Bußgeldbehörde sind anders zu führen als solche für das Finanzamt.

Wann verjähren Verkehrsverstöße?


Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten gibt es eine sogenannte Verfolgungsverjährung von drei Monaten (§ 26 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz). Wenn also die Behörde mehr als drei Monate wartet, bevor sie ein Bußgeldverfahren einleitet, ist der Vorwurf verjährt.
Hier gibt es einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen Zeugenfragebogen und Anhörungsbogen: Der Versand des Anhörungsbogens unterbricht die Verjährung und startet den Lauf der Frist neu. Der Zeugenfragebogen hat keinen Einfluss auf die Verjährungsfrist. Die Unterbrechung der Verjährung gilt immer nur für die Person, die im Anhörungsbogen namentlich genannt ist.

Praxistipp


Wenn Sie rechtsschutzversichert sind, können Sie die Verteidigung gegenüber den im Anhörungsbogen angesprochenen Vorwürfen einfach einem Fachanwalt für Verkehrsrecht überlassen. Dann bezahlt die Versicherung die Gebühren des Anwalts. Das Bußgeld bezahlt sie nicht! Bitte beachten Sie jedoch: Für eine Rechtsschutzversicherung ist nur dann der Versicherungsfall eingetreten, wenn sich das Bußgeldverfahren tatsächlich gegen ihren Versicherungsnehmer richtet. Wenn der Anhörungsbogen nicht an den Versicherungsnehmer adressiert ist, erfolgt keine Zahlung.

(Bu)


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 Stephan Buch
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