Zur Rechtswirksamkeit der Funktion „Freundefinder” von Facebook

Autor: RA'in Astrid Reske, Lungerich Lenz Schuhmacher, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2014
Eine Anwendungsoption, die es dem Nutzer sozialer Netzwerke ermöglicht, Werbe-E-Mails an Nichtmitglieder zu versenden, verstößt gegen deutsches Wettbewerbs- und Datenschutzrecht, wenn der Nutzer über die Reichweite seiner Entscheidung im Unklaren gelassen wird.

KG, Urt. v. 24.1.2014 - 5 U 42/12

Vorinstanz: LG Berlin, Urt. v. 6.3.2012 - 16 O 661/10

UWG §§ 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. BDSG §§ 4a Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 28 Abs. 3 Satz 1

Das Problem:

Das soziale Netzwerk Facebook verfügt über eine Anwendungsoption „Freunde finden”. Hierzu wird der Nutzer im Rahmen des Registrierungsprozesses gefragt, ob seine Freunde schon bei Facebook registriert seien. Dies kann er feststellen lassen, indem er Facebook durch Betätigung des Buttons „Freunde finden” die Möglichkeit einräumt, sein E-Mail-Konto durchsuchen zu lassen. Die auf diese Weise gefundenen Kontakte, die nicht Mitglieder bei Facebook sind, werden importiert und in einer Liste aufgeführt. Darunter befindet sich der Button „Einladungen versenden” oder „Überspringen”. Bei Betätigung des Buttons „Einladungen versenden” erhalten die in der Liste aufgeführten Kontakte E-Mails, mittels derer sie aufgefordert werden, einen Account bei Facebook anzulegen. Dies erfolgt, ohne dass die Betroffenen in die Übermittlung solcher E-Mails eingewilligt haben. Kommen die Betroffenen dieser Aufforderung nicht nach, erhalten sie noch eine weitere „Erinnerungsmail”. Unter anderem gegen diese Funktion wendet sich der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und nimmt die irische Tochtergesellschaft von Facebook, die das soziale Netzwerk in Europa betreibt, auf Unterlassung in Anspruch. Das LG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das KG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung von Facebook zurück.

Werbe-E-Mails: Die Versendung der Werbe-E-Mails sei nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG unzulässig. Die Einladungs- und Erinnerungs-E-Mails seien als „Werbung” zu qualifizieren, da sie der Förderung des Absatzes der unentgeltlich, aber gleichwohl gewerblich angebotenen Dienstleistungen von Facebook dienten. Es spiele keine Rolle, dass das Versenden der E-Mails letztlich auf dem Willen eines Dritten beruhe, da das allein maßgebliche Ziel der Versendung sei, die Empfänger auf die Leistung von Facebook aufmerksam zu machen.

Täterhaftung: Für die Zusendung der E-Mails hafte Facebook als (mittelbare) Täterin, auch wenn die Versendung der E-Mails auf Veranlassung des Nutzers erfolge, da dieser von der gezielt eingesetzten Weiterempfehlungsfunktion von Facebook Gebrauch mache. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass als Absender der Nutzer und nicht Facebook erscheine. Dieser treffe nämlich keine eigenverantwortliche Entscheidung zum Versand der E-Mails unter Ausnutzung technischer Hilfsmittel von Facebook, sondern bekäme suggeriert, dass nur die Adressen derjenigen Freunde gesucht würden, die bereits bei Facebook registriert seien.

Anwendungsoption „Freunde finden”: Auch die Anwendungsoption „Freunde finden” als solche sei nach § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 UWG unzulässig, da sowohl die Nutzer von Facebook als auch die durch die Werbe-E-Mails angesprochenen „Freunde” gezielt und systematisch in die Irre geführt würden.

BDSG: Darüber hinaus ergebe sich die Unzulässigkeit auch aus § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 28 Abs. 3 Satz 1, § 4a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BDSG.

Deutsches Recht: Vorliegend sei das deutsche Datenschutzrecht anwendbar. Die für den maßgeblichen Internetauftritt von Facebook verwendeten Server würden zwar in den USA vorgehalten, es kämen aber auch Cookies auf den PCs der Nutzer, und damit „Mittel” i.S.v. Art. 4 Abs. 1 lit. c) EG-Datenschutzrichtlinie zur Anwendung. Das deutsche Datenschutzrecht werde auch nicht gem. § 1 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 BDSG durch irisches Datenschutzrecht ausgeschlossen, weil die irische Tochtergesellschaft nicht selber Daten verarbeite. Auch wenn diese gegenüber der Muttergesellschaft in den USA vertraglich zur Entscheidung über die Datenverarbeitung berechtigt sei, werde diese rechtliche Befugnis durch die faktische Entscheidungsmacht der Muttergesellschaft überlagert, die die Entscheidungsprozesse jederzeit an sich ziehen könne. Darüber hinaus liege auch eine wirksame Rechtswahl der Parteien, nach der das deutsche Recht Anwendung finde, vor.

Verstoß gegen § 28 Abs. 3 Satz 1 BDSG: Eine Verarbeitung personenbezogener Daten sei nur zulässig, wenn der Nutzer eingewilligt habe, was voraussetze, dass der Nutzer darüber informiert werde, dass die von ihm zur Verfügung gestellten Adressen auch für Werbung an Personen außerhalb des Netzwerks Facebook verwendet würden. Dies sei nicht der Fall.

Marktverhaltensvorschrift: § 28 Abs. 3 stelle zugleich eine Marktverhaltensvorschrift i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar. Das BDSG schütze zwar vorrangig das Persönlichkeitsrecht und damit den persönlichen Lebensbereich der Bürger, es erfasse aber auch den Schutz der Verbraucher bei einer wirtschaftlichen Betätigung. Sowohl die Mitteilung von Daten an einen Unternehmer – gerade zum Zwecke der Werbung – als auch das insoweit erforderliche Einverständnis des Verbrauchers zur Datenverarbeitung stelle regelmäßig eine „geschäftliche Entscheidung” des Verbrauchers i.S.v. § 3 Abs. 2 UWG dar. Indem ihm eine Werbung von Facebook als eigene „untergeschoben” werde, würden die wirtschaftlichen Interessen des Nutzers spürbar beeinträchtigt.


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