Verkehrsunfall: Nutzungsausfall bei langer Reparaturdauer

18.08.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Unfallschaden,Nutzungsausfall,Entschädigung,lange Welchen Nutzungsausfall muss die gegnerische Versicherung bezahlen? © - freepik

Immer wieder gibt es nach einem Unfall Streit mit der KfZ-Versicherung um den Nutzungsausfall für ein Fahrzeug. Gerade bei langer Reparaturdauer möchten die Versicherungen oft nicht zahlen.

Grundsätzlich steht im Rahmen der Unfallschadenregulierung jedem Geschädigten ein Ersatz für den Nutzungsausfallschaden zu, der für jeden einzelnen Tag entsteht, an dem man das Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen kann.

Motorradunfall: Was gilt bei langem Zeitverlust bis zur Reparatur?


Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich mit einem Motorradunfall beschäftigt. Dabei war das Motorrad der Klägerin schwer beschädigt worden. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners war voll ersatzpflichtig. Die Bikerin reichte bei dieser einen Kostenvoranschlag für die Reparaturkosten ein. Die Versicherung ließ ein eigenes Gutachten erstellen. Nachdem dieses zehn Tage später vorlag, forderte die Motorradfahrerin von der Versicherung die Zahlung des Schadensersatzes. Dabei wies sie darauf hin, dass sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation erst nach Geldeingang in der Lage sei, die Reparatur in Auftrag zu geben und dass in der Zwischenzeit ein Nutzungsausfallschaden anfallen würde. Die Zahlung der Versicherung blieb jedoch aus.

Was passiert bei langer Lieferzeit für Ersatzteile?


Stattdessen teilte der Versicherer einige Zeit später mit, dass noch ein Unfallanalytiker beauftragt worden sei. Nun sei ein Vorschuss in Höhe von 3.700 Euro angewiesen worden. Die Klägerin erteilte daraufhin ihrer Werkstatt den Reparaturauftrag. Weil es bei einem Ersatzteil Lieferschwierigkeiten gab, dauerte die Reparatur fast einen Monat. Zwischen dem Unfalltag und der Wiederherstellung der Fahrbereitschaft des Motorrads vergingen 92 Tage.

Die Versicherung zahlte den Nutzungsausfall jedoch nur für zehn Tage. Das OLG Düsseldorf betonte, dass der Nutzungsausfall unstreitig für den Zeitraum der Reparatur angefallen sei. Lieferschwierigkeiten bei der Ersatzteilbeschaffung gingen zu Lasten des Schädigers und seiner Versicherung.

Welche Auswirkungen hat die Schadensminderungspflicht?


Nun haben Geschädigte jedoch auch die Pflicht, den zu ersetzenden Schaden möglichst gering zu halten. Für die gesamte Vorlaufzeit von etwa zwei Monaten war fraglich, ob die Klägerin aufgrund dieser Schadensminderungspflicht eine Vorfinanzierungspflicht hatte – zum Beispiel in Form einer Kreditaufnahme oder der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung.

Aber: Das OLG Düsseldorf entschied, dass die Klägerin die Reparatur nicht aus eigenen Mitteln oder durch eine Kreditbeschaffung vorfinanzieren musste. Generell ist es die Aufgabe des Schädigers und seiner Versicherung, die Schadensbeseitigung zu finanzieren. Die Motorradfahrerin musste auch nicht ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen. Deren Sinn sei es gerade nicht, den Unfallverursacher zu entlasten. Folglich musste die Beklagte auch für die restlichen 82 Tage die Nutzungsausfall-Entschädigung bezahlen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2007, Az. I-1 U 52/07).

186 Tage Nutzungsausfall: Zu langer Zeitraum?


Grundsätzlich hat der Geschädigte für die gesamte Dauer, in welcher er sein Fahrzeug nicht nutzen kann, einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.
In einem weiteren Fall vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ging es nun jedoch um einen Nutzungsausfall von ganzen 186 Tagen.

Der Kläger verlangte im Berufungsverfahren, dass nach einem Verkehrsunfall für seinen Pkw der Marke BMW ein Nutzungsausfall für 186 Tage in Höhe von 5.600 Euro mit einer Haftungsquote des Gegners von 70 % gezahlt werden sollte. Zu dem langen Zeitraum kam es, weil monatelang keine Instandsetzung des PKW erfolgte.

Das OLG Düsseldorf war hier jedoch der Ansicht, dass nur ein Ausfallzeitraum von 32 Tagen für die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu berücksichtigen sei. Die erfolgreiche Durchsetzung des weiteren Nutzungsausfalls scheitere daran, dass der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verstoßen habe.

Was gilt, wenn eine Notreparatur den Nutzungsausfall verkürzen würde?


Er hätte nämlich mit einer Notreparatur eine Maßnahme ergreifen können, die den Nutzungsausfall geringer gehalten hätte. Eine solche provisorische Instandsetzung hätte leicht erfolgen können. Die Aufwendungen für eine solche Notreparatur hätten nur 365 Euro betragen. Zwar habe der Kläger behauptet, dass er selbst diese Notreparatur aufgrund seiner beengten finanziellen Verhältnisse nicht habe bezahlen können. Trotzdem sei er verpflichtet gewesen, zumindest die gegnerische Versicherung auf diesen Umstand hinzuweisen, um diese zur Überweisung einer Abschlagszahlung oder eines Vorschusses von unter 400 Euro zu veranlassen.

Das OLG Düsseldorf entschied: Die Ausfallzeit von 32 Tagen bei einem Tagessatz von 38 Euro ergebe immer noch einen Betrag von 1.216 Euro. Diesen müsse die Versicherung des Unfallgegners ersetzen (OLG Düsseldorf, Az. I-1 U 111/07).

Totalschaden: Wie lange darf man sich mit dem Kauf des Ersatzfahrzeugs Zeit lassen?


Wenn man das verunfallte Fahrzeug während des durch den Unfall bedingten Ausfalls sowieso nicht genutzt hätte, steht einem auch kein Nutzungsausfallschaden zu. Dies betonte das Landgericht Saarbrücken. Bei einem Totalschaden könne ein mehrmonatiger Zeitraum bis zum Kauf eines Ersatzfahrzeuges darauf hindeuten, dass der Unfallgeschädigte inzwischen gar kein Auto gebraucht hätte. Dann bekomme er auch keine Entschädigung für den Nutzungsausfall.

Im verhandelten Fall war dem aber nicht so. Der Unfallgeschädigte konnte überzeugend vermitteln, dass er sich zu Terminen hatte fahren lassen oder sich das Auto seiner Frau geliehen hatte. Trotzdem bekam er nicht den verlangten Nutzungsausfall für 42 Tage. Für die Neubeschaffung eines vergleichbaren Autos hätten nämlich 15 Tage ausgereicht - und nur für diesen Zeitraum gab es die Entschädigung (Urteil vom 30.12.2019, Az. 13 S 168/19).

Praxistipp zum Nutzungsausfall bei langer Reparaturdauer


Weigert sich die gegnerische Versicherung nach einem Unfall, den Nutzungsausfall zu bezahlen? Dann sollten Sie sich von einem Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten lassen. In vielen Fällen lässt sich die Entschädigung für den Nutzungsausfall letztendlich dann doch noch durchsetzen.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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