Arzthaftungsrecht :Bein ab – arm dran!

21.08.2015, Autor: Herr Hans-Berndt Ziegler / Lesedauer ca. 2 Min. (455 mal gelesen)
Eine Lanze für höhere Schmerzensgelder in Deutschland.
Ziegler/Ehl, JR 2009, S. 1-6.

Wie Schmerzensgeld zu bemessen ist bzw. welche Höhe für welche Art der Verletzung angemessen ist, entzieht sich jeder rationalen Berechnungsmöglichkeit. Das Gesetz sieht in § 253 BGB lediglich vor, dass für die immateriellen Schäden einer Körperverletzung eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden kann. Maßstäbe sind nirgends vorgegeben, es existieren nur Tabellen, die auflisten, für welche Schäden welche Summe ausgeurteilt wurde, an denen sich die Richter orientieren. Nirgendwo aufgeführt sind allerdings zwischen Schädiger und Geschädigtem geschlossene Vergleiche. Offiziell stellt es sich deshalb so dar, dass die Schmerzensgeldbeträge für die breite Masse der Körperverletzungen seit Jahrzehnten stagnieren und sich nur bei schwersten Verletzungen steigern. Nur vereinzelt kommt es so bis zu fünfstelligen Beträgen.

In den USA dagegen sind hohe Schmerzensgeldbeträge die Regel. Sie stellen sowohl eine Entschädigung für erlittene Schmerzen, Entstellungen und Behinderungen dar, als auch eine Bestrafung des Schädigers für sein Verhalten. Gleichzeitig sollen dadurch auch andere Personen von ähnlichen Handlungen abgeschreckt werden. Ein solcher Präventionsgedanke ist dem deutschen Schmerzensgeldrecht allerdings grundsätzlich fremd. Hier gelten nur die sog. Ausgleichs- und die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes. So wurde für den Verlust eines Beines eine Entschädigung in Höhe von 20.000 € zugesprochen, was keinen angemessenen Ausgleich für die Einbuße an körperlichem Wohlbefinden darstellt. Die Berechnungsmethode für die Ausgleichsfunktion sollte dahingehend überdacht werden, unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse des Opfers, für dieses einen angemessenen Tagessatz zu bestimmen, mit dem es seine Lebensqualität steigern kann. Die genaue Höhe sollte dabei wie bisher zusätzlich von der Schwere der Verletzung und den Vermögensverhältnissen des Opfers abhängig gemacht werden. Die Berechnung der konkreten Höhe des Schmerzensgeldes erfolgt dann anhand der Zeitspanne, binnen derer die Verletzungsfolgen noch bestehen. Der Betrag für die Genugtuung kommt hinzu. Dieser darf nicht lediglich symbolisch sein. Das Opfer muss sich durch diesen Betrag wirklich besänftigt fühlen.  

Im Ergebnis bedeutet das, dass die bisher in Deutschland ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträge in der derzeit bemessenen Höhe insbesondere im unteren und mittleren Bereich nicht mehr haltbar sind und neue Berechnungsmethoden angewandt werden müssen, um zu einem angemessenen Ergebnis zu gelangen.

Rechtsanwalt Dr. Hans-Berndt Ziegler

Fachanwalt für Medizinrecht